Umbenennung von Heilbronner Straßen: Räte verlassen bei NS-Debatte den Saal
Der Heilbronner Gemeinderat beschließt mit großer Mehrheit Umbenennung von Straßen mit Nazi-Namen. Eine Rede fällt aus dem Rahmen und sorgt für Protest.
Mit den Stimmen von CDU (10 Sitze), SPD (6), Bündnis 90/Die Grünen (6), FW (4), FDP (3), UfHN (2), Die Linke (1) und Die Partei (1) hat der Heilbronner Gemeinderat am Donnerstagabend beschlossen, sieben Straßen, die Namen ehemaliger NS-Leute tragen, umzubenennen und weitere 27 mit Info-Tafeln zu versehen. Zuvor wird es aber noch ein Anhörungsverfahren geben. Sechs AfD-ler und einer von Pro stimmten gegen das Vorhaben.
Sehr ungewöhnlich: Fast die Hälfte der Stadträte verließ während der Rede von Alfred Dagenbach (Pro) zwischenzeitlich den Großen Ratssaal – aus Protest gegen dessen Aussagen. Die auf einem Gutachten und einer Expertenkommission basierende Ratsvorlage nannte er „suspekt, da Menschen getroffen“ würden, „die Kinder und Opfer ihrer Zeit“ gewesen seien. Er sprach von "Anmaßung", einem "Tribunal", von einem "schändlichen Vorgang" und der Missachtung von Lebensleistungen ehrenwerter Männer. Die Entnazifizierung habe doch bereits nach dem Krieg stattgefunden. Kritik kam auch von Raphael Benner (AfD). Er meinte, die Umbenennung sei kontraproduktiv und behindere die Aufarbeitung.
Reden im Heilbronner Gemeinderat spiegeln Meinungsspektrum in der Gesellschaft wider
Oberbürgermeister Harry Mergel (SPD) sprach am Ende von einer „in weiten Teilen" verantwortungsvollen Diskussion und sensiblen Argumentation, die das Meinungsspektrum in der Gesellschaft widerspiegle. Auch ungewöhnlich: Zwischendurch gab es sogar Applaus, als Herbert Burkhardt (FW) meinte, nicht alle Bürger dürften mit der Entscheidung einverstanden sein, gleichzeitig aber betonte: „Wir müssen ein Zeichen setzen“, gegen das Vergessen, gegen Rechtsextremismus, „für eine menschlich Gesellschaft, für unsere Werte“. Und: „Straßen für alte Nazis?“ Das sei ganz einfach zu viel der Ehre.

Heilbronns OB Mergel: Straßennamen sind auch Ausdruck gemeinsamer Werte
Eingangs betonte der OB, der öffentliche Raum sei auch „Ausdruck gemeinsamer Werte“. Und: „Wir müssen uns unserer historischen Verantwortung stellen“, dazu gehörten eine umfassende Erinnerungskultur, aber auch Korrekturen, etwa wenn Straßen nach NS-Leuten benannt seien. Dass dabei Anwohner zuvor direkt und über Veranstaltungen informiert und gehört werden, versicherte Miriam Eberlein als Leiterin des Stadtarchivs, wodurch sich ein von Katharina Mikov erklärter AfD-Antrag erledigte.
„Gerade in einer Zeit, in der sich Feinde der Demokratie gerne als Opfer aufspielen“ lobte Abrecht Merkt (CDU) das transparente Verfahren und das Gutachten von Dr. Susanne Wein, das sich auch für Schulen und die sonstige Bildungsarbeit eigne. Zudem gebe es keine „pauschale Stigmatisierung“, sondern, wo dies angebracht sei, Zusatzinfos an den Schildern, am besten mit vertiefenden QR-Codes.
Heilbronner NS-Studie als Basis für weitere Aufklärung und Bildungsarbeit
Gerade 80 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes, des Holocaust, des Zweiten Weltkriegs, „da die Letzten sterben“, sei das Erinnern und Aufarbeiten wichtig – und zwar auf die Zukunft hin, mahnend, damit das „Nie wieder!“ keine bloße Worthülse sei, betonte Rainer Hinderer (SPD). In diesem Sinne habe sich die Erinnerungskultur gewandelt, die Umbenennung sei hier ein weiterer, konsequenter Schritt, denn: Eine Persönlichkeit müsse sich unter Würdigung aller Umstände für eine solche Ehre würdig erweisen.

Ähnlich äußerte sich Jonathan Förderer (Grüne), der in dem Verfahren auch eine Chance für die Bildungsarbeit und die weitere Aufarbeitung der NS-Zeit sah. Bei den Vorschlägen für Alternativ-Namen vermisse er allerdings Frauen. Maria Haido (Linke) hob hier KPD-Stadtrat Walter Vielhauer lobend hervor, der einst mutig und früh Widerstand geleistet habe und dafür ins KZ kam. Mit Blick zur CDU-Bank warnte sie vor einer pauschalen Verurteilung von Kommunisten. Für die „gute antifaschistische Arbeit“ danke Alexander Wezel (Die Partei) der Stadtverwaltung.
Über den hohen Aufwand und das vorsichtige Vorgehen wunderte sich Gottfried Friz (FDP), der sich weniger Bürokratie wünschte. „Info-Schilder kann man doch überall ohne Weiteres anbringen.“ Offenbar habe es schon im Vorfeld Widerstand gegeben, dies zeige, wie wichtig Aufklärung sei.
Diese sieben Heilbronner Straßen sollen umbenannt werden
Folgende Heilbronner Straßen, die nach Personen benannt sind, die stark ins NS-Regime verstrickt waren, sollen umbenannt werden.
- August-Lämmle-Straße
- Damaschkestraße
- Dühringstraße
- Felix-Wankel-Straße
- Georg-Vogel-Straße
- Ina-Seidel-Straße
- Rombachstraße
Grundlage dafür sind ein Gutachten der Historikerin Dr. Susanne Wein sowie die Empfehlungen einer Expertenkommission. Die Bewertung basiert auf klar definierten Kriterien, darunter frühe NSDAP-Mitgliedschaft („Alte Kämpfer“), aktive Förderung des Regimes, persönlicher Nutzen oder der vertuschende Umgang mit der eigenen Biografie nach 1945. In weiteren 27 Fällen sollen Zusatzschilder zur historischen Einordnung der Person angebracht werden.

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