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Aus vom Landliebe-Werk: Mehr als 100 Jahre Milchgeschichte in Heilbronn

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Erst langes, rasantes Wachstum, dann der schleichende Niedergang: Der Molkereistandort in Heilbronn hat viel erlebt, nun droht dem Landliebe-Werk das endgültige Aus.

So (rechts) sah die Milch-Abfüllanlage für Landliebe-Milch im Jahr 1989 aus. Das Heilbronner Werk galt lange Zeit als eines der modernsten in ganz Europa. Doch 35 Jahre später stehen die Zeichen auf Schließung des Traditionsstandortes.
So (rechts) sah die Milch-Abfüllanlage für Landliebe-Milch im Jahr 1989 aus. Das Heilbronner Werk galt lange Zeit als eines der modernsten in ganz Europa. Doch 35 Jahre später stehen die Zeichen auf Schließung des Traditionsstandortes.  Foto: links: Ralf Seidel, rechts: HSt-Archiv, Collage: stimme.de

Sollte das Heilbronner Landliebe-Werk wie vom Eigentümer Müller geplant tatsächlich geschlossen werden, ginge in Heilbronn eine mehr als 100-jährige bewegte Molkereigeschichte zu Ende. Im April 1922 gründete die Stadt im Wilhelmsbau in der Wilhelmstraße die erste Milchzentrale, um die Versorgung zu sichern. 1925 wurde ein Milchwerk in der Frankfurter Straße in Betrieb genommen.

Modernes Werk für 14 Millionen Euro in Heilbronn gebaut

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm das Milchgeschäft in Heilbronn an Fahrt auf. 1968 wurde ein neues Milchwerk der Milchversorgung Heilbronn GmbH im Neubaugebiet in Neckargartach gebaut. Die Investitionskosten für das Werk an der Wimpfener Straße, das als eines der modernsten in ganz Europa galt, lagen bei 14 Millionen Mark. Täglich lieferten die Milchbauern 100.000 Kilogramm Milch in das Werk, wie die Heilbronner Stimme damals berichtete.


Landliebe-Werk steht vor aus – in den 1960ern fusionierten mehrere Molkereien zu Südmilch

Südmilch kam im Jahr 1969 ins Spiel. Im Juni gründete die Württembergische Milchverwertung Südmilch AG gemeinsam mit den Molkereien Landgold Milch aus Künzelsau, Milchwerk Donau-Alb aus Riedlingen, Milchzentrale Nordbaden aus Mannheim sowie Moha und Zentra Vereinigte Milchwerke aus Hungen die Interessengemeinschaft Milch (Intermilch). Dieser schlossen sich auch die Milchversorgung Heilbronn und das Dauermilchwerk Hohenlohe-Franken aus Künzelsau sowie in den Folgejahren acht weitere Molkereien an. 1972 fusionierte die Württembergische Milchverwertung Südmilch mit der Milchversorgung Heilbronn zur Südmilch AG.

Drei Jahre später wurde in Heilbronn ein neues Dessert-Werk eröffnet, das 200 Millionen Becher pro Jahr produzieren konnte. Südmilch hatte 50 Millionen Mark in das Werk investiert, es sollte sich lohnen. Das Heilbronner Dessert-Werk wurde zum rentabelsten Südmilch-Zweig und lieferte 30 Prozent zum Rohertrag des Unternehmens. 226 Mitarbeiter waren damals am Südmilch-Standort Heilbronn beschäftigt.

Um das rasante Wachstum zu stemmen, beschloss das Südmilch-Management 1987 den Gang an die Börse, der 1990 vollzogen wurde. In dieser Zeit, von 1987 bis 1996, war Südmilch offizieller Sponsor des VfB Stuttgart.

Rückblick auf Vorgeschichte des Landliebe-Werks: Mit Sachsenmilch begann der Niedergang von Südmilch

Der Niedergang von Südmilch begann nach der Wiedervereinigung 1990 mit der Übernahme der Sachsenmilch AG. Weil sich das Management mit einem Molkereineubau in der Nähe von Dresden finanziell übernahm, ging Sachsenmilch 1993 Konkurs. Die Unternehmensgruppe Theo Müller übernahm schließlich die Sachsenmilch AG.

Als Folge dieser Pleite wurde auch Südmilch 1993 zahlungsunfähig. Die holländische Genossenschaft Campina übernahm Südmilch im gleichen Jahr, 2008 kam es zur Fusion von Campina mit dem niederländischen Konkurrenten Friesland zu Friesland-Campina.

Mehrere hundert Stellen wurden in Joghurt-Standort Heilbronn abgebaut

Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten rund 800 Beschäftigte am Standort Heilbronn. Das sollte sich in den Folgejahren ändern. Im Dezember 2012 kündigte das Unternehmen die Streichung von 230 Stellen in Deutschland an. Im März 2013 einigten sich Unternehmensleitung und Arbeitnehmervertreter darauf, in Heilbronn 85 Stellen abzubauen. Doch dabei blieb es nicht. Im November 2017 beschloss das Management, die Verwaltung des Deutschlandgeschäfts von Heilbronn nach Düsseldorf zu verlagern. Damit fielen 74 Stellen am Neckar weg.

In den Folgejahren war der Standort an der Wimpfener Straße immer wieder von Sparmaßnahmen betroffen. 2019 waren 640 Mitarbeiter dort tätig. Mitte Juni 2022 sorgte die Nachricht für Aufsehen, dass Theo Müller drei Joghurtwerke von Friesland-Campina übernehmen will, darunter auch die Werke in Heilbronn und Schefflenz. Der Deal wurde im Frühjahr 2023 nach der Genehmigung des Kartellamtes vollzogen. Nur ein Jahr später kündigte Theo Müller an, die Werke in Heilbronn und Schefflenz bis 2026 zu schließen. Das Kölner Werk hatte bereits 2023 geschlossen.

Südmilch-Skandal

Ein unrühmliches Kapitel ist der sogenannte Südmilch-Skandal. Wolfgang Weber, von 1972 bis 1992 Vorstandsvorsitzender der Südmilch AG, betrog den Konzern im Zuge der Sachsenmilch-Pleite um rund 38 Millionen Mark. Weber floh 1993 nach Paraguay, wo er mit dem veruntreuten Geld Rinderzuchtfarmen aufbaute und McDonald"s mit Rindfleisch belieferte. Der Haftbefehl gegen Weber wurde 2003 gegen eine Zahlung von 100.000 Euro außer Vollzug gesetzt. Weitere Südmilch-Manager wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.




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