Heilbronn gegen Ärztemangel: Stadt startet Maßnahmenpaket für Haus- und Kinderärzte
Schon heute ist fast die Hälfte der in Heilbronn tätigen Hausärzte über 60 Jahre alt. Die Verwaltung reagiert mit einem Maßnahmenpaket, das vom Gemeinderat beschlossen wurde.
Die haus- und kinderärztliche Versorgung in Heilbronn entwickelt sich seit Jahren in eine falsche Richtung. Es ist damit zu rechnen, dass künftig immer weniger Arztstunden zur Verfügung stehen werden. „Das System wird auf Dauer so nicht weiter funktionieren“, sagte in der Sitzung des Gemeinderats Dr. Michael Scheerle. Ein wichtiger Beleg dafür ist für den Leiter des städtischen Gesundheitsamts: „Die Hausärzte in Heilbronn werden immer älter.“
Maßnahmen gegen Ärztemangel in Heilbronn: Für Umsetzung stehen 200.000 Euro bereit
2024 seien knapp die Hälfte der 79 in Heilbronn tätigen Hausärzte 60 Jahre oder älter gewesen. Besorgniserregend sei auch, dass sich die Zahl der Patienten, die ein Hausarzt betreue, innerhalb der letzten 15 Jahre von 1475 Patienten um 162 Personen auf 1637 Arztbesucher erhöht habe. Aktuell sind in Heilbronn 13 Kinderärzte tätig. Engpässe gibt es vor allem im pädiatrischen Bereich.
Um diesem Trend entgegenzuwirken, beschloss der Gemeinderat am vergangenen Donnerstag mit breiter Mehrheit ein fünf Punkte umfassendes kurzfristiges Maßnahmenpaket für die Jahre 2025 und 2026. Für die Umsetzung stehen 200.000 Euro zur Verfügung. „Wir wollen frühzeitig handeln und nicht erst reagieren, wenn es zu spät ist. Die Erwartungshaltung in der Bürgerschaft ist groß, dass die medizinische Versorgung gewährleistet wird“, betonte Bürgermeisterin Agnes Christner. Sie sagte dies auch vor dem Hintergrund, dass der Hausärztemangel längst nicht mehr nur ein Problem des ländlichen Raums ist.
Um die ambulante Versorgung zu verbessern, wurden folgende Maßnahmen beschlossen:
1. Um frühzeitig den ärztlichen Nachwuchs zu fördern, vergibt die Stadt bis zu drei Stipendien pro Jahr. Die Förderung liegt bei 500 Euro pro Monat. Nach Abschluss des Studiums verpflichten sich die Jungärzte, in Heilbronn tätig zu werden. 19.000 Euro stehen pro Jahr bereit. Die SPD-Fraktion stimmte dagegen.
2. Die Stadt schafft finanzielle Sicherheit für Arztpraxen, die Kinderärzte in Weiterbildung beschäftigen. Etat: 54.000 Euro. Einstimmiger Beschluss.
3. Neugründungen oder Übernahmen von Arztpraxen werden bis zu 30.000 Euro unterstützt. Zudem hilft die Stadt bei der Suche geeigneter Praxisräume. Etat: 60.000 Euro. Einstimmiger Beschluss.
4. Das Gesundheitsamt richtet eine regelmäßige Sprechstunde zur Durchführung von U-Untersuchungen (Vorsorgeuntersuchungen) bei Kindern ein. Etat 14.400 Euro. Einstimmiger Beschluss.
5. Im Rahmen eines dreijährigen Modellprojekts sollen an zwei Schulen Schulgesundheitsfachkräfte eingesetzt werden, um so zur Entlastung kinderärztlicher Strukturen beizutragen. Etat: 52.600 Euro jährlich. Einstimmiger Beschluss.
Heilbronner Gemeinderäte wollen Einrichtung eines Ärzte-Kümmerers vorantreiben
„Der Druck auf die Kassenärztliche Vereinigung Baden Württemberg, die für die flächendeckende Versorgung zuständig ist, muss erhöht werden“, fand CDU-Stadträtin Verena Schmidt deutliche Worte. Was Heilbronn mit dem Maßnahmenpaket leiste, sei eine reine Freiwilligkeitsleistung. Sie regte nochmals die Einrichtung eines Ärzte-Kümmerers an. Für Rainer Hinderer (SPD) ist die medizinische Versorgung in der Stadt „besorgniserregend“. Beim Ärzte-Kümmerer ist er bei der CDU. Nein sagte er zum Stipendium: „Die Maßnahme ist nicht kurzfristig angelegt und keine originäre Aufgabe einer Kommune.“
„Die Gesundheit der Bevölkerung sicherzustellen ist das höchste Gut eines Staates“, sagte Jonathan Förderer (Grüne). Alle fünf Punkte seien essentiell und Grundlagen für ein gesundes Leben. Für Musab Sarpkaya (Freie Wähler) ist Gesundheit die Voraussetzung für ein „gutes Leben, Bildung, Teilhabe und soziale Gerechtigkeit“. Die kinderärztlichen Sprechstunden sind für ihn ein pragmatischer Schritt in die richtig Richtung.
Heilbronner Linken-Stadträtin: „Die Gesundheitspolitik in Deutschland ist krank“
Der Ärztemangel ist für Sylvia Dörr (FDP) Ausfluss einer verfehlten Gesundheitspolitik. Das Maßnahmenpaket hält sie für hilfreich, um den Versorgungsnotstand auszugleichen. „Es ist traurig, dass es Heilbronn nicht schafft, so attraktiv zu sein, um Ärzte anzuziehen“, nörgelte Malte Höch (UfHN). Über die Entwicklungen seitens der Politik könne man nur den Kopf schütteln. „Die Gesundheitspolitik in Deutschland ist krank“, merkte Maria Haido (Linke) an, und Alfred Dagenbach (Pro) sagte: „Wir müssen was tun, auch wenn wir nicht zuständig sind.“ Er regte an, die Stadt solle Praxisräume unter anderem über die Stadtsiedlung zur Verfügung stellen.