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Karriere im Gefängnis: Bedienstete der JVA Heilbronn geben Einblicke in ihre Arbeit

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Eine Karriere im Gefängnis? Für viele klingt das ungewöhnlich, doch die JVA Heilbronn will genau das ändern und präsentiert sich als attraktiver Arbeitgeber.


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Rund 240 Bedienstete organisieren in der JVA Heilbronn die Unterbringung von bis zu 330 inhaftierten Männern. In den einzelnen Abteilungen und Fachdiensten sind Ehemalige aus der Fernsehtechnik, dem Rechtswesen, der Sozialarbeit und Psychologie genauso tätig wie Handwerksleute, Bürokaufleute oder Menschen aus Medizin und Pflege.  

Rund 240 Bedienstete in der JVA Heilbronn: Ein Viertel sind Frauen 

Eine von ihnen ist Jessica Linder, die vor ihrem Wechsel in den Justizvollzug sieben Jahre lang als zahnmedizinische Fachangestellte tätig war. Als die Praxis ihres Chefs altersbedingt schloss, musste sie sich beruflich neu orientieren. Den Beruf des Polizisten, so sagt Linder, kennt jeder – aber die Arbeit im Justizvollzug sei weniger bekannt. Durch Zufall stieß sie auf die JVA und ist seit 2018 Teil des Teams.


Von den rund 240 Bediensteten sind etwa ein Viertel Frauen. Immer wieder wird Linder von ihrem Umfeld erstaunt auf ihre Arbeit in einem Männergefängnis angesprochen. Zwar, so gibt die 30-Jährige zu, gebe es manchmal Gefangene, die ihr beispielsweise nicht zuhören, doch Linder betont, dass das eher die Ausnahme sei. Ein selbstbewusstes Auftreten sei wichtig.

Vollzugsbedienstete sind der wichtigste Ansprechpartner für Gefangene 

Außerdem seien Vollzugsbedienstete meist die primären Ansprechpartner, wenn es um Anträge oder Anliegen der Gefangenen geht. Markus Scholl, Ausbildungsleiter der JVA Heilbronn, bestätigt, dass es sich dabei um eine Art Abhängigkeitsverhältnis handelt. „In dem Moment, in dem Gefangene ankommen, verlieren sie ihre Freiheit. Sie brauchen uns also ein Stück weit.“

Stefan Daub (von links), Jessica Linder, Markus Scholl, Nadine Csaszar und Christian Kezic vor der JVA Heilbronn.
Stefan Daub (von links), Jessica Linder, Markus Scholl, Nadine Csaszar und Christian Kezic vor der JVA Heilbronn.  Foto: Könnecke, Lisa

Markus Scholl hat 2001 in der JVA Heilbronn angefangen und ist seit sechs Jahren Ausbildungsleiter. Er organisiert für die Auszubildenden unter anderem Schulungstage oder auch Ausflüge, um das Miteinander im Team zu stärken. Kartfahren, ein Weihnachtsessen oder auch mal ein Ausflug in einen Escape Room stehen dann auf dem Programm. „Teamarbeit in einem Gefängnis ist essenziell. Ohne geht gar nichts.“

"Man muss in der Lage sein, spontan und deeskalierend zu handeln"

Christian Kezic, ursprünglich aus der Medienbranche, ist frischgebackener Justizvollzugsbeamter und hat seinen Abschluss seit Kurzem in der Tasche. Als erfüllend und anspruchsvoll zugleich beschreibt er seinen Beruf.

Sprachbarrieren mit Inhaftierten beispielsweise seien eine Herausforderung, und auch verbale Auseinandersetzungen können auftreten, zum Beispiel, wenn einem Gefangenen das Essen nicht schmeckt. Dementsprechend müsse man in der Lage sein, spontan und bei Bedarf deeskalierend zu handeln. Vor allem der zwischenmenschliche Umgang sei wichtig sowie Empathie und Teamarbeit. Wenn sich Gefangene bei ihm bedanken, freut diese Geste den 30-Jährigen sehr. Es seien die kleinen Dinge, die den Arbeitsalltag schön machen.

Gefangenen Fähigkeiten und Teamarbeit vermitteln 

Stefan Daub, Hauptwerkmeister in Ausbildung, hat ebenfalls viel mit Gefangenen zu tun. Der 28-Jährige schult die Inhaftierten in verschiedenen handwerklichen Tätigkeiten, vermittelt ihnen Fachwissen und praktische Fähigkeiten im Bereich der Holzverarbeitung. „Draußen ist die Arbeit komplett anders. Dort hat man nur eine Werkstatt. Hier kommt noch der Vollzug dazu“, erklärt er.

Daub stellt unter anderem sicher, dass alle Werkzeuge, Materialien und Maschinen ordnungsgemäß genutzt und gewartet werden. Den Inhaftierten vermittelt er dabei nicht nur handwerkliche Fähigkeiten, sondern auch Werte wie Pünktlichkeit, Sorgfalt und Teamarbeit.

Speed-Dating-Event findet wieder statt 

Solche Einblicke in den Alltag des Justizvollzugs zeigen: Der Beruf bietet vielfältige Herausforderungen und Chancen. Genau das versucht die Justizvollzugsanstalt auch nach außen zu kommunizieren, um neue Fachkräfte zu gewinnen, erklärt Verwaltungsleiterin Nadine Csaszar.

Derzeit rollen beispielsweise Busse mit Werbung durch die Stadt, Plakatwände sind bestückt, und am 16. November findet bereits zum dritten Mal das Speed-Dating-Event der JVA Heilbronn statt, bei dem sich Interessierte informieren und mit Vollzugsbediensteten ins Gespräch kommen können.

In 60 Sekunden auf der Karriere-Website bewerben

Neu dabei ist die modern gestaltete Karriere-Website, auf der die Anstalt nicht nur detailliert und authentisch über den Beruf informiert, sondern auch mit Gesichtern und Zitaten aus dem Berufsalltag wirbt. Zudem können Interessierte von einer 60-Sekunden-Bewerbung Gebrauch machen.

Die Bemühungen zeigen bereits Wirkung, freut sich Anstaltsleiter Andreas Vesenmaier: „Es sind schon einige Bewerbungen eingegangen. Viele junge Menschen wissen gar nicht, dass wir ein attraktiver Arbeitgeber sind.“ Mit den neuen Maßnahmen möchte die JVA genau das ändern. „Man muss neue Wege und mit der Zeit gehen“, betont Vesenmaier. Die JVA biete eine krisensichere Karriere, die im besten Fall im Beamtenverhältnis mündet.

Nähe und gesunde Distanz zu Insassen ist wichtig 

Vesenmaier betont, dass die Zielgruppe Menschen sind, „die mitten im Leben stehen“, bereits einen Beruf erlernt  und Durchhaltevermögen gezeigt haben. Diese Eigenschaften seien entscheidend, um im Vollzug eine Vorbildfunktion einzunehmen und den Gefangenen Werte vorzuleben und zu vermitteln.

Menschlichkeit sei wichtig – die Fähigkeit, Nähe aufzubauen, aber gleichzeitig eine gesunde Distanz zu wahren. Hinter dem Beruf des Vollzugsbediensteten steckt laut dem Anstaltsleiter viel mehr, als nur die Zellen aufzuschließen, wie es manch einer despektierlich formuliere.

Weitere Informationen

https://karriere-jva-heilbronn.de/

 

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