Wohnraum dringend benötigt: Warum manche Heilbronner Immobilien trotzdem verwahrlosen
Manche Familien benötigen dringend Wohnraum – gerade auch in Heilbronn. Auch hier gibt es Immobilien, die leer stehen und zunehmend verwahrlosen. Wie passt das zusammen?
Die Hechelmanns hatten Glück. Als die betagte Bewohnerin ihrer Doppelhaushälfte ins Pflegeheim ziehen musste, holte die Tochter sie zu sich nach Bayern und vermietete das Häuschen in bester Wohnlage an die fünfköpfige Familie. Andere sind der Verzweiflung nahe. Sie suchen Wohnraum, sehen in der Nachbarschaft Leerstand – doch der verwahrlost ungenutzt.
Wohnungsmangel in Heilbronn: Leerstand in der Nachbarschaft schwer zu ertragen
Etwa die Familie Döhrer. Sie lebt seit mehr als zehn Jahren unweit der Hechelmanns, ebenfalls zur Miete in einer Doppelhaushälfte. Nun wurde ihnen gekündigt: Eigenbedarf. „Damit wir nicht nochmal in die gleiche Situation kommen, wollen wir ein Haus kaufen“, erzählt Christian Döhrer. "Wir haben lange darauf gespart." Es müsse auch nicht im selben Viertel sein, so der Vertriebsleiter eines Informationstechnikunternehmens. Es soll nur in oder nahe Heilbronn sein.
Allerdings ist Döhrer auch nicht bereit und in der Lage, „überzogenen Wertvorstellungen von Verkäufern abrissreifer Häuser“ entgegenzukommen. Richtig weh tut ihm aber, dass es passende Objekte um die Ecke gäbe: „Für uns persönlich ist das eine ganz schwer zu ertragene Situation, dass Wohnraum vorhanden, aber nicht am Markt verfügbar ist, obwohl er leer steht.“
Auch Michael Hechelmann sagt: „Ich finde es dramatisch in Zeiten, wo junge Familien nach Wohnraum suchen, dass Häuser in tollen Wohnlagen leer stehen und verwahrlosen.“ Er deutet auf ein Objekt in seiner Straße. Auch hier musste die letzte Bewohnerin vor vielen Jahren ins Heim umziehen. Der entfernt lebende Sohn tauchte irgendwann nicht mehr auf – mittlerweile sind Grundstück und Haus so zugewachsen wie Dornröschens Schloss.
Leerstehende Immobilien in Heilbronn: Kann die Stadt eingreifen?
Hechelmann kennt weitere Beispiele: „Ich denke“, sagt er, „dass die Stadt nach einer gewissen Zeit die Möglichkeit haben sollte, einzugreifen und so etwas wieder als Wohnraum zur Verfügung zu stellen.“
Doch: keine Chance. Es beginnt damit, dass man offiziell nichts von diesen Immobilien weiß: „Leerstände erfassen wir nicht“, sagt der Leiter des Heilbronner Vermessungs- und Katasteramts, Stefan Schmitt. Höchstens habe das Liegenschaftsamt eine Übersicht über leerstehende Objekte im Eigentum der Stadt.
„Jein“, antwortet Thomas Hille auf die Frage nach der Erfassung. Der Stadt- und Regionalplaner bei der Stabsstelle Strategie und Stadtentwicklung erklärt: „Im Rahmen des Zensus gibt’s eine Gebäude- und Wohnungszählung, da werden alle Eigentümer angeschrieben.“ Aber die Zählung findet nur alle zehn Jahre statt, zuletzt 2022. Und die Zahlen des statistischen Bundesamts seien „auch nicht koscher“. Hille gibt zu: „Wir haben eine angespannte Wohnungsmarktlage.“ Als Kommune sei es extrem schwierig, was zu tun. Nicht nur, weil es in Heilbronn keine Satzung für ein Zweckentfremdungsverbot gibt: „Auch damit können Sie nicht viel tun“, so Hille. „Bis es zur Enteignung kommt, dauert es ewig.“ Zudem seien die Stadtverwaltungen, bei denen es so eine Satzung gibt, „damit gar nicht glücklich“. Der Personalaufwand sei immens.
Leerstände: Zweckentfremdungsverbot würde nichts nutzen
Auch Haus & Grund ist gegen ein Zweckentfremdungsverbot. „Wir halten davon gar nichts, da das Marktgeschehen dadurch nicht positiv beeinflusst wird. Es wird dadurch nicht mehr Wohnraum zur Verfügung gestellt“, sagt Dr. Klaus Pfizenmayer, früher Vorsitzender des Haus- und Grundeigentümervereins Heilbronn, jetzt im Aufsichtsrat des Haus & Grund-Landesverbands. „Regulatorische Eingriffe ins Eigentum halten wir für völlig falsch und nicht mit dem Grundgesetz vereinbar“, sagt er, auch wenn in diesem im Artikel 14 steht: „Eigentum verpflichtet.“
Doch eine kleine Chance, an verwahrloste Immobilien zu kommen, sieht Pfizenmayer: Manche Eigentümer, oft Erben, sind mit der Verwaltung überfordert. Wenn Nachbarn einen Hinweis ans Betreuungsgericht geben, müsste das von Amts wegen ermitteln. Ein gesetzlicher Betreuer würde sich dann kümmern.
Das tröstet Christian Döhrer wenig. Nicht nur, weil das Verfahren sehr langwierig wäre. Man müsste dafür erstmal den Eigentümer kennen.