Hitzige Debatte bei "Berlin im Dialog" mit regionalen Abgeordneten
Einmal im Jahr laden die Wirtschaftsjunioren regionale Abgeordnete zur Talkrunde "Berlin im Dialog" ein. Diese lieferten sich in der Volksbank Heilbronn Schwäbisch Hall einen regen Schlagabtausch zu den Themen Wirtschaft, Fachkräftemangel und Migration.

Es sind schwierige Zeiten und es gibt viel zu besprechen, wenn Abgeordnete aller großen Parteien zu Gast sind. Das ist die Ausgangslage beim Talkformat "Berlin im Dialog", zu dem die Wirtschaftsjunioren einmal im Jahr einladen. Die Veranstaltung fand am Dienstagabend zum zwölften Mal statt und wurde von Michael Jung und Daniel Nill moderiert.
"Wir wollen entschieden einer weiteren Radikalisierung der politischen Ränder entgegentreten. Das geht nur durch demokratischen Diskurs", erklärt Jung den 150 Gästen im Abraham-Gumbel-Saal der Heilbronner Volksbank.
Regionale Politiker fordern in Heilbronn niedrigere Energiekosten
Die erste Frage ist für die Anwesenden eine Steilvorlage: Was kann die Politik tun, um Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen? "Alle Unternehmen brauchen bessere Rahmenbedingungen", sagt Konrad Stockmeier, der als Heidelberger FDP-Abgeordneter den Heilbronner Michael Link vertritt. Nur mit Subventionen sei es aber nicht getan, das Scheitern des geplanten Intel-Standorts in Magdeburg habe das bewiesen.
Alexander Throm (CDU) warnt, dass die Stimmung bei den Unternehmen "dramatisch im Keller" ist. Seine Ideen: Lohn-, Personal- und Energiekosten senken. "Wir müssen in Deutschland bereit sein, wieder mehr zu arbeiten", fordert der 56-Jährige außerdem. Bürgergeld und Sozialleistungen müssten hinterfragt werden. Steuervorteile für Überstunden und Arbeiten in der Rente hält er ebenfalls für sinnvoll.
Der Hohenloher Grünen-Abgeordnete Harald Ebner will das so nicht stehen lassen. Der Ifo-Geschäftsklimaindex sei gestiegen, die Kauflaune habe sich gebessert. "Wir sollten es nicht schlechter reden als es ist." Hauptproblem sei der Stau an Reformen und Investitionen. Deutschland habe es versäumt, in die Bahn, Straßen, Brücken und Breitband-Internet zu investieren - die Ampel gehe das an, so Ebner.
AfD-Politiker Hess kritisiert Klimapolitik - und fordert Atomkraft-Rückkehr
AfD-Vertreter Martin Hess aus dem Wahlkreis Ludwigsburg macht den Klimaschutz für die schlechte Wirtschaftslage verantwortlich. Wer die Lage "ideologiefrei" analysiere, müsse sich fragen, ob es der richtige Weg sei, "alles einer maximalen CO2-Reduktion unterzuordnen". Die Antwort gibt er selbst: Die CO2-Abgabe müsse weg und Deutschland wieder in die Kernenergie einsteigen.
Gökay Akbulut, Linken-Politikerin aus Mannheim, kontert. "Der Klimawandel findet statt" und er bedeute Wassermangel, Extremwetter und soziale Herausforderungen. Dass darüber diskutiert werde, das erst beschlossene Lieferkettengesetz wieder abzuschaffen, sei daher keine vernünftige Lösung.
Heilbronner SPD-Politiker Juratovic regt Diskussion um Verbrenner auf
Der Staat könne zwar Rahmenbedingungen schaffen und habe das auch getan, betont der SPD-Abgeordnete Josip Juratovic, etwa mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz und dem Weiterbildungsgesetz. "Aber es sind auch die Unternehmen gefragt."
Die Diskussion seiner Vorredner bringt den 65-Jährigen sichtlich in Rage. Deutschland trete in der Welt viel zu arrogant auf. "Die E-Mobilität ist global in Gang gesetzt worden, da gibt's keine Diskussionen mehr." Trotzdem klammere sich Deutschland an den Verbrenner. "Wir streiten hier, ob wir eine bessere Kutsche bauen oder Autos."
Wie kann man weniger Bürokratie erreichen?
Viele der digital eingereichten Zuschauerfragen drehen sich um Bürokratie. Wie kann man sie reduzieren? "Bürokratie kommt von Misstrauen", erklärt Throm, etwa beim Einhalten des Mindestlohns. "Der redliche Arbeitgeber knechtet doch seine Arbeitnehmer nicht." Es gelte, den Anständigen zu vertrauen und Verstöße besser zu bestrafen.
"Für jede Vorschrift die Bürokratie verursacht, müssen zwei abgeschafft werden", findet Hess, nur um anschließend wieder Kritik an der Klimapolitik zu üben. Punkte, die Harald Ebner nicht unwidersprochen lassen will. Man dürfe Umweltauflagen oder den Artenschutz nicht mit Bürokratie verwechseln.
Zwischen Regulierungswahn und Kompromissfindung
Deutschland müsse seinen "Regulierungswahn kolossal zurückfahren", betont der FDP-Politiker Stockmeier. Ein Mittelständler leide unter den vielen Berichtspflichten, "die nichts bringen". Das beste Beispiel sei das Lieferkettengesetz. Stockmeier plädiert hier für ein Modell wie in den USA: Dort landen Unternehmen, die gegen bestimmte Vorschriften verstoßen, auf einer Negativliste - alle anderen gelten als unbedenklich.
Sichtlich angesäuert erwidert Juratovic, dass die deutsche Wirtschaft vor allem Planungssicherheit brauche. "Sie sind mit uns in einer Koalition!" wirft er Stockmeier vor. Eine Bundesregierung müsse in der Lage sein, Kompromisse zu vereinbaren, auch wenn nicht jeder damit zufrieden ist. Stockmeier antwortet, er habe bisher alle Koalitionsentscheidungen mitgetragen.
Throm (CDU) will, dass mehr Bürgergeld-Empfänger Arbeit finden
Sehr unterschiedlicher Meinung sind die anwesenden Politiker auch beim Thema Fachkräftemangel. Für Akbulut ist dieser ein "selbstgemachtes Problem": Arbeitsbedingungen und Löhne hätten sich seit Jahren nicht verbessert, außerdem bedrohe der Rechtsruck Menschen mit Migrationshintergrund. "Fachkräfte wollen hier gut behandelt werden."
Throm betont, dass man Fachkräfte und Arbeitskräfte nicht gleichsetzen dürfe. Es brauche für beides nicht mehr Einwanderung, ist der CDU-Politiker überzeugt, denn es gebe genug Menschen im Inland und der EU, die arbeiten könnten. "Wir haben alleine 4 Millionen Menschen, die im Bürgergeldbezug sind."
"Bevor Sie etwas reden, überprüfen Sie das, was Sie reden", poltert Juratovic in Throms Richtung. Er kenne dutzende Fälle von Kroaten und Serben, deren Abschluss in Deutschland nicht anerkannt wurde. Auch dass man für ein Medizinstudium einen Notendurchschnitt von 1,0 haben muss, sei nicht mehr zeitgemäß. Anderswo frage "keine Sau" danach. Letztlich könne man niemanden zum Arbeiten zwingen. "Viele können es gesundheitlich auch nicht." Akbulut findet: "Diese Hetze gegen Bürgergeldempfänger ist untragbar."
Grünen-Politiker Ebner: Lasse mir dieses Land nicht schlecht reden
Auch Ebner ist bei dem Thema ungehalten. "Ich möchte mir dieses Land nicht immer so schlecht reden lassen." Die Ampel-Koalition habe den Spurwechsel ermöglicht: Wer als Asylbewerber abgelehnt wird und nur eine Duldung bekommt, darf damit arbeiten, was zuvor verboten war. Throm kritisiert genau das: So würden illegale Einwanderung und Fachkräftemangel vermischt. "Das ist das schlimmste, was ich mir als Migrationspolitiker nur vorstellen kann."
"Die Energie im Raum war spürbar", lautet am Ende des zweieinhalbstündigen Abends das Fazit der beiden Moderatoren.