KI-Park in Heilbronn: Archäologen stoßen auf spektakuläre Römer-Funde
Vor dem Baustart des Großprojekts KI-Park in Heilbronn haben Archäologen spektakuläre Funde gemacht. Die Entdeckungen geben neue Einblicke in das Leben vor rund 2000 Jahren.
Dass ein archäologisches Ausgrabungs-Team anrückt, bevor große Bauvorhaben wie das Ipai im Norden Heilbronns in die Tat umgesetzt werden, ist nicht ungewöhnlich. Für das Areal Steinäcker in Neckargartach galt dies umso mehr, als das Regierungspräsidium Stuttgart (RP) dort mindestens einen römischen Gutshof erwartet hatte.
Die Ausgrabungen auf der als archäologisches Kulturdenkmal ausgewiesenen Fläche brachten jetzt allerdings Unerwartetes ans Tageslicht. Die Archäologen stießen auf eine 500 Meter lange römische Fernstraße. Damit konnte laut RP erstmals ein so langer Straßenabschnitt samt allen dazugehörigen Strukturen untersucht werden.
Archäologen stoßen im Heilbronner Ipai-Gelände auf römische Siedlung mit Merkur-Tempel
Zudem fanden sie eine römische Siedlung und Teile einer Merkur-Statue. „Wir können selten auf einer Fläche von 30 Hektar graben“, sagt Dr. Andrea Neth, zuständige Archäologin am Landesamt für Denkmalschutz. Auch das mache diese Ausgrabung in Heilbronn so wertvoll.
„Schon die Gewannbezeichnung ,Steinäcker‘ deutete auf Überreste römischer Bebauung hin. So galt der Platz in der Forschungsgeschichte als Standort eines römischen Gutshofs“, sagt Sybil Harding von der Grabungsfirma Archaeo Connect, die während der Grabung mit dem Landesamt für Denkmalschutz zusammenarbeitete.
Ausgrabung auf Ipai-Gelände in Heilbronn: Entwässerungsgräben sind auf der ganzen Strecke zu verfolgen
Die römische Straße zieht sich von Süden nach Norden durch das Grabungsareal. „Der Straßenkörper verläuft weitgehend unter einem geteerten Wirtschaftsweg, jedoch ließen sich auf beiden Seiten die charakteristischen, eine römische Straße begleitenden Entwässerungsgräben auf ganzer Strecke verfolgen“, sagt Andrea Neth.
„Herausragend an der Fundstelle in Neckargartach ist, dass erstmals in Baden-Württemberg ein langer Straßenabschnitt samt allen dazugehörenden Strukturen untersucht werden konnte“, so Neth weiter. Die offenbar rund 14 Meter breite antike Fernstraße verband unter anderem die rund zehn Kilometer voneinander entfernten Kastellplätze des Neckarlimes in Böckingen und Bad Wimpfen.
Insbesondere westlich der Straße entdeckten die Ausgräber viele Befunde römischer Bebauung zwischen 100 nach Christus und 260 nach Christus. Laut RP dürfte es sich dabei überwiegend um Fachwerkbauten gehandelt haben, die teilweise auch Steinsockeln als Fundament hatten. „Anzahl, Art und Anordnung der Baubefunde lassen den Schluss zu, dass es sich nicht um einen Gutshof, sondern um ein ziviles römisches Straßendorf handelt.“
Archäologen in Heilbronn: Lebensgroßer Kopf stellt Gott Merkur dar
Dazu gehört auch ein 2,90 Meter breiter und mindestens 3,20 Meter langen Steinbau. Dessen Mauerwerk ist in der untersten Steinlage erhalten. Im Ruinenschutt fanden sich, neben Fragmenten farbiger Wandbemalung und zwei Münzen als Opfergaben, mehrere Teile einer Statue aus Sandstein. „Ein vollplastisch gearbeiteter, annähernd lebensgroßer Kopf stellt den Gott Merkur dar. Eindeutig erkennbar an der Flügelhaube“, so Sybil Harding.
Ein weiteres Bruchstück zeigt eine Hand, die einen Beutel umschließt. Auch das sei ein typisches Attribut des flinken Götterboten, der im römischen Götterhimmel als Beschützer von Händlern und Kaufleuten, aber auch von Dieben, gilt, so Sybil Harding weiter. „Der Standort des Merkurtempels an der Straße unterstreicht deren Bedeutung zunächst im militärischen, später auch im zivilen Kontext“, erklärte Harding.
„Direkt an der Straße gelegen, diente der Ort, der sich in mehrere Teilbereiche gliedert, wahrscheinlich als Raststation, kleiner Handelsplatz und Niederlassung von Handwerkern“, erläutert die zuständige Archäologin. Fünf tiefe Brunnen stellten offenbar die Wasserversorgung sicher.
Diese bisher unbekannte römische Siedlung wartete laut Neth mit einer Besonderheit auf: Drei vereinzelt liegende Bestattungen am Straßenrand, die nicht zu einem regulären Friedhof gehören. In zweien fanden sich römische Schuhnägel.
Auswirkungen auf den Baustart des Ipai haben die überraschenden Funde nicht. „Deren Auswertung und Konservierung führt zu keinerlei Verzögerung in der Planung oder Ausführung des geplanten Baustarts“, so Ipai-Pressesprecher Jan Denia. Der soll Ende dieses Jahres sattfinden. „Wir haben alles mitgenommen und sind auf dem Gelände termingerecht fertig“, bestätigt Dr. Andrea Neth, Archäologin beim Landesamt für Denkmalschutz in Stuttgart.