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Heilbronner Hochschul-Professor über die Macht des Foodporn auf Social Media

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Professor Christian Buer von der Hochschule Heilbronn erklärt, wie Foodporn unseren Blick auf Essen verändert – und warum digitale Perfektion echten Genuss verdrängt.


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Ob Dubai-Schokolade oder die Cédric-Grolet-Früchte aus Paris, täuschend echten Fruchtdesserts: Food-Trends schwappen in rasanter Geschwindigkeit nach Deutschland.

Professor Christian Buer von der Hochschule Heilbronn, Tourismus-Experte und Studiendekan des Studiengangs „Hotel and Restaurant Management“, erklärt, warum virale Rezept-Hypes so gut funktionieren und welchen Einfluss sie auf unser Verständnis von Genuss haben. Seine Diagnose ist eindeutig: „Genuss wird medialisiert, fragmentiert und ästhetisiert. 

Was macht Food-Trends auf Plattformen wie TikTok oder Instagram so erfolgreich?

Christian Buer: Virale Food-Trends wie die Mango-Törtchen auf TikTok oder Instagram sind ein typisches Phänomen der gegenwärtigen Erlebnis- und Aufmerksamkeitsökonomie. Ihr Erfolg beruht auf einer Kombination aus visueller Attraktivität, emotionaler Aktivierung und der Niedrigschwelligkeit ihrer Reproduzierbarkeit. Sie bedienen den Wunsch nach ästhetisch perfekter, scheinbar mühelos erreichbarer Sinneserfahrung – eine Inszenierung von Genuss, die primär über das Auge vermittelt wird.

„Foodporn“ und virale Rezepte: Warum Ästhetik beim Essen so wichtig wird

Welche Rolle spielt die perfekte Optik, also das „Foodporn“-Element, für Reichweite und Engagement?

Buer: Das sogenannte „Foodporn“-Element spielt dabei eine zentrale Rolle. In sozialen Medien wird Essen zunehmend zu einem Objekt der Schau, weniger des tatsächlichen Genusses. Die visuelle Perfektion erzeugt Reichweite, Interaktion und symbolisches Kapital – sie steht für Lifestyle, Kreativität und soziale Distinktion. Zugleich rückt dadurch der materielle, sinnliche und soziale Charakter des Essens in den Hintergrund. Genuss wird medialisiert, fragmentiert und ästhetisiert.

Immer mehr Cafés oder Restaurant bieten inzwischen die viralen Dessertfrüchte an. Unsere Redakteurin hat die Mango in der Pâtisserie Ludwig in der Herrenstraße in Karlsruhe probiert. Fazit: Sehr lecker.
Immer mehr Cafés oder Restaurant bieten inzwischen die viralen Dessertfrüchte an. Unsere Redakteurin hat die Mango in der Pâtisserie Ludwig in der Herrenstraße in Karlsruhe probiert. Fazit: Sehr lecker.  Foto: Könnecke, Lisa

Wie beeinflussen solche viralen Trends unser Verhältnis zu echtem Essen und Genuss?

Buer: Diese Entwicklung beeinflusst unser Verhältnis zu Essen fundamental: Das Digitale überlagert das Reale. An die Stelle des gemeinsamen Erlebens und Schmeckens tritt das Teilen, Liken und Kommentieren. Essen wird zum Medium der Selbstinszenierung und zur Projektionsfläche gesellschaftlicher Ideale von Schönheit, Kontrolle und Perfektion.

Glauben Sie, dass solche Food-Trends eher harmloser Spaß oder doch ein Ausdruck von Schönheits- und Perfektionsdruck sind, nur eben auf den Teller übertragen?

Buer: Ob diese Trends harmlos oder problematisch sind, lässt sich ambivalent bewerten. Einerseits fördern sie Kreativität, kulturellen Austausch und kulinarische Neugier. Andererseits reproduzieren sie dieselben Mechanismen des Perfektions- und Performance-Drucks, die wir aus anderen medialen Kontexten kennen – nur übertragen auf den Bereich des Essens. Letztlich spiegeln sie eine Gesellschaft wider, die Genuss zunehmend inszeniert, statt ihn zu erleben.


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