Razzia in Heilbronner Fahrschule – Teil einer internationalen Betrügerbande
Die Region Heilbronn ist Drehkreuz einer international agierenden Bande. Es geht um Betrug bei theoretischen Führerscheinprüfungen. Eine Fahrschule in Heilbronn steht im Fokus. Zwölf Menschen wurden festgenommen und Luxusautos sichergestellt.
Die Masche ist nicht neu. Betrüger, die einem Führerscheinanwärter ähnlichsehen, erscheinen in dessen Namen zur theoretischen Prüfung und lösen für ihn die Fragen. Sogenannte Stellvertretungsprüfungen beschäftigen Gerichte in ganz Deutschland.
Ermittlern des Bereichs Organisierte Kriminalität des Polizeipräsidiums Heilbronn ist es nun gelungen, eine internationale Bandenstruktur zu ermitteln. Am Mittwochmorgen fanden Razzien in ganz Deutschland statt – darunter auch in Heilbronn, im Landkreis Heilbronn und in Sinsheim.
Betrugsvorwürfe: Polizisten durchsuchen Heilbronner Fahrschule
In den Fokus der Kriminalpolizei rückte dabei eine Fahrschule in der Heilbronner Innenstadt. Zwei Kastenwagen der Polizei standen am Mittwochmorgen vor der Fahrschule, zwei weitere wenige hundert Meter entfernt vor einem Privathaus. Die Fahrschule äußert sich nicht auf Nachfrage.
Maskierte Beamte begleiteten einen Mann in Handschellen die Stufen zu den Fahrschulräumen hinauf. Polizisten durchsuchten Räume, wälzten Ordner.
Betrug bei theoretischen Führerscheinprüfungen durch Stellvertreter
Wie das Polizeipräsidium Heilbronn und die Staatsanwaltschaft Heilbronn in einer gemeinsamen Pressemitteilung erklären, handelt es sich bei den Stellvertretern überwiegend um Angehörige der syrisch-kurdischen Volksgemeinschaft. In den meisten Fällen wohnten sie in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.
Diese Stellvertreter legten am Prüfungstag oftmals mehrere hundert Kilometer zurück, um den theoretischen Fahrschultest anstelle des angemeldeten Prüflings zu schreiben. Bei ihnen soll es sich zum größten Teil um Männer mit Migrationshintergrund handeln, erklärte Polizeisprecher Frank Belz (52). Die Stellvertreter ließen sich die Prüfung üppig bezahlen. Die Polizei geht von bis zu 5000 Euro pro Test aus.
Heilbronner Verdächtiger aus einem anderen Fall polizeibekannt
Der Inhaber der Heilbronner Fahrschule ist ein 52 Jahre alter Mann mit deutscher Staatsangehörigkeit. Er soll nach Ermittlungen der Polizei bereits seit drei Jahren die illegalen Stellvertreterprüfungen angeboten haben. Seine beiden Söhne sollen seine Komplizen gewesen sein. Verdächtig ist außerdem ein 38 Jahre alter in Heilbronn lebender Bulgare. Er ist für die Polizei kein Unbekannter.

Im Jahr 2022 war es zwischen zwei verfeindeten bulgarischen Gruppen auf dem damals noch aktiven Straßenstrich in der Heilbronner Hafenstraße zu massiven gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen. Ein Hauptbeschuldigter aus diesem Komplex soll vom Fahrschulinhaber eine Ausbildungsbescheinigung ausgestellt bekommen haben. Eine solche Bescheinigung ist Voraussetzung für die Theorieprüfung. Wie die Polizei ermittelte, hatte der Mann gar nicht am Theorieunterricht teilgenommen.
Stellvertreterprüfungen: auf der Suche nach ähnlich aussehenden Personen
Wie die Polizei bei ihren Ermittlungen herausfand, soll ein 37 Jahre alter Syrer, der in Heilbronn wohnt, die Stellvertreter organisiert haben. Er soll dabei in engem Kontakt zwischen dem Bulgaren und dem Fahrschulinhaber gestanden haben. Vom Fahrschulinhaber erhielt er demnach die Passfotos der Prüflinge. Der 37-Jährige kümmerte sich um ähnlich aussehende Stellvertreter.
29 Objekte von der Polizei durchsucht
Insgesamt wurden vor dem Hintergrund der gewerbs- und bandenmäßigen Begehungsweise von der Staatsanwaltschaft Heilbronn beim zuständigen Amtsgericht zwölf Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse für 29 Objekte in insgesamt fünf Bundesländern sowie in Bulgarien erwirkt. Davon entfielen auf die Bundesländer Nordrhein-Westfalen sieben, Niedersachsen zwei und Rheinland-Pfalz sowie dem Saarland jeweils ein Objekt.
Bei den Durchsuchungen am Mittwoch waren alleine in Baden-Württemberg mehr als 130 Polizeibeamte im Einsatz – darunter auch das Spezialeinsatzkommando (SEK). Alle Beschuldigten wurden einem Haftrichter vorgeführt, die Haftbefehle aufrechterhalten, in Vollzug gesetzt und die Beschuldigten in verschiedene Justizvollzugsanstalten eingeliefert. Ein Beschuldigter wurde nicht angetroffen, teilt die Polizei weiter mit.
Polizei stellt Luxusautos und Goldmünzen sicher
Die Polizei stellte eine hohe fünftstellige Bargeldsumme, Goldmünzen, einen Lamborghini Gallardo, einen BMW M850I XDrive und einen Audi A6 sicher. Zudem Schreckschusspistolen sowie eine Vielzahl von technischen und schriftlichen Beweismitteln.
Immer wieder werden Fälle von Stellvertretungsprüfungen bekannt. Der Bundesverband der Fahrlehrerverbbände geht von einer riesigen Dunkelziffer aus. Er fordert, dass solche Schummeleien ein Straftatbestand werden. Jochen Klima (67) vom Fahrlehrerverband Baden-Württemberg hat jedoch wenig Hoffnung: „Das ist politisch nicht durchzusetzen.“
Polizeipräsident fordert Führerscheinentzug
„Die erfolgreiche Arbeit meiner Kolleginnen und Kollegen bei der Kriminalpolizei Heilbronn zeigt mir deutlich, dass unsere oftmals langwierigen Strukturermittlungen gegen die Banden- und organisierte Kriminalität jedweder Art richtig und nachhaltig sind“, betont Polizeipräsident Frank Spitzmüller (52) in der Pressemitteilung. „Es kostet personelle und vor allem auch finanzielle Ressourcen, wenn wir das so machen und nicht einfach klein beigeben.“
Das Ziel der Polizei sei es, solche Kriminelle dingfest zu machen und vor das Strafgericht zu bringen. „Die weiteren Schritte liegen nun auch bei den jeweiligen Fahrerlaubnisbehörden. Jede so erworbene Fahrerlaubnis muss zwingend geprüft und wieder entzogen werden. Das gebietet die Sicherheit im Straßenverkehr.“
Oberstaatsanwalt lobt die Arbeit der Ermittler
Auch der Leitende Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Heilbronn, Dr. Frank Schwörer, lobt die umfangreiche und akribische Ermittlungsarbeit aller Beteiligten: „Solche Strukturen sind nur zu erhellen, wenn man sich nicht nur auf das Naheliegende konzentriert, sondern in größeren Zusammenhängen denkt und diese konsequent nachverfolgt.“
Es liege auf der Hand, dass solche Geschäftsmodelle weder ein Einzelfall noch ein allein hiesiges Phänomen seien. „Aber man muss sie eben mit viel Engagement aufdecken.“

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