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Run auf deutschen Pass: Rekordzahlen bei Einbürgerungen in Heilbronn und Hohenlohe

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Mit den gelockerten Regeln wächst auch die Zahl der Antragsteller auf einen deutschen Pass. Der Trend beschäftigt Politik und Gesellschaft und wirft auch in Heilbronn und Hohenlohe Fragen auf.


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Am 8. Oktober hat die Stadt Heilbronn die 1000. Einbürgerung des Jahres verkündet. Das ist neuer Rekord in der Käthchenstadt. 2024 hatten insgesamt 786 Bürger mit ausländischen Wurzeln einen deutschen Pass bekommen. Das war bisher der höchste Wert an Einbürgerungen in der Stadt. Im Landkreis Heilbronn gab es in diesem Jahr bereits 1072 Einbürgerungen, 2024 waren es in zwölf Monaten 725. 

In Heilbronn lobte Oberbürgermeister Harry Mergel bei einer Feierstunde die gebürtige 30-jährige Albanerin Sigida Hajdari, der er als 1000. Neu-Heilbronnerin Einbürgerungsurkunde und Blumenstrauß überreichte als sehr gutes Beispiel, „wie man mit Mut, Willen und Engagement in der neuen Heimat Fuß fassen und die neue Gesellschaft annehmen kann“. Die 30-jährige Hajdari, die 2013 ohne Deutschkenntnisse in die Stadt kam, Fachabitur machte und als medizinische Fachangestellte arbeitet, sei „ein Vorzeigebeispiel“ für eine gelungene Integration.        

Leiter der Heilbronner Ausländerbehörde: Doppelstaatsbürgerschaft hat Einbürgerung attraktiver gemacht

Doch die Möglichkeiten auf schnellere Einbürgerungen, die der Gesetzgeber einräumt, werfen auch viele Fragen auf. Gegner der Gesetze sprechen von einer „Verramschung“ des deutschen Passes. Denn die starke Zunahme der Einbürgerungszahlen auch in Heilbronn und den Landkreisen, liegt nach Einschätzung der Ausländerbehörden auch an der Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts, das es seit Juni 2024 ermöglicht, sich bereits nach fünf Jahren, in Sonderfällen gar nach drei Jahren, Aufenthalt einbürgern zu lassen.

Die Rücknahme der Drei-Jahres-Frist für die Einbürgerung sorgt in den Heilbronner Gemeinderatsfraktionen für unterschiedliche Reaktionen.
Die Rücknahme der Drei-Jahres-Frist für die Einbürgerung sorgt in den Heilbronner Gemeinderatsfraktionen für unterschiedliche Reaktionen.  Foto: Fernando Gutierrez-Juarez

Zuvor waren es acht Jahre. Diese sogenannte Turbo-Einbürgerung nach drei Jahren hat die Schwarz-Rote Regierung am 8. Oktober wieder zurückgenommen. Sie wurde in der Region auch nur in Einzelfällen vergeben. Die Möglichkeit, auch die bisherige Staatsbürgerschaft des Heimatlandes zu behalten, habe die Einbürgerung attraktiver gemacht, erklärt Matthias Riegler, Abteilungsleiter der Heilbronner Ausländerbehörde.

Gefälschte Zertifikate für Sprachtests: Keine Unregelmäßigkeiten in der Region Heilbronn

Unregelmäßigkeiten bei der Einbürgerung, wie sie aus Berlin oder anderen deutschen Bundesländern bekannt wurden, habe es in der Region nicht gegeben. „Die Mitarbeiter des Ausländeramts halten sich bei der Prüfung stets an die gesetzlichen Bestimmungen“, versichert der Pressesprecher des Landkreises Heilbronn, Andreas Zwingmann.

In der Stadt Heilbronn standen 171 Einbürgerungen im Jahr 2025 aus Syrien an. 130 gebürtige Türken erhielten den deutschen Pass, ebenso wie 93 Kosovaren. Im laufenden Jahr wurden zudem 58 Iraker und 51 Russen eingebürgert. Um den Andrang bei den Ausländerbehörden zu bewältigen schuf die Stadt drei neue Stellen, die mit rund 280.000 Euro zu Buche schlugen. Im Landkreis Heilbronn wurden 6,5 neue Stellen geschaffen.     

Auch bei der Stadt seien immer persönliche Vorsprachen und ein Test bei der Ausländerbehörde nötig. „Im Anschluss an den Termin werden Ausländerbehörde, Sicherheitsbehörden sowie das Jobcenter abgefragt“, sagt eine Sprecherin der Stadt auf Anfrage. In mehreren deutschen Städten waren im Laufe des Jahres gefälschte Zertifikate für Sprachtests und erfolgreich absolvierte Integrationskurse aufgetaucht. Das führte zu Forderungen der Deutschen Polizeigewerkschaft, Einbürgerungsverfahren einstweilen auszusetzen.             

Wie entwickeln sich die Einbürgerungszahlen? Kontroverse im Heilbronner Gemeinderat 

Wie sich die Zahlen künftig nach der Rücknahme der Turbo-Einbürgerung entwickeln, wagt auch in der Region niemand vorherzusagen. Ein Rückgang der Anträge auf Einbürgerung ist aber unwahrscheinlich. Die Meinung der Heilbronner Gemeinderatsfraktionen ist jedenfalls geteilt. „Meiner Meinung nach steht die Einbürgerung am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses“, betont Thomas Randecker. „Dazu benötigt man mindestens fünf Jahre, eher länger“, betont der CDU-Fraktionsvorsitzende.

„Wir halten eine achtjährige Frist für die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft für angemessen“, unterstreicht AfD-Fraktionschef Raphael Benner.      

Zwischen Offenheit und Kontrolle: Heilbronner Politiker über Einbürgerungspolitik

Rainer Hinderer bedauert die Rücknahme der Drei-Jahres-Frist. „Wir freuen uns über jeden ausländischen Mitbürger, der die deutsche Staatsbürgerschaft annimmt – egal ob nach drei, fünf oder mehr Jahren“, betont der SPD-Vorsitzende. Holger Kimmerle spricht von „einem Rückschritt bei der Neuregelung“. „Das ist das falsche Signal – gerade in einer Stadt wie Heilbronn, die für so viele Zugewanderte längst ein Zuhause geworden ist“, so der Grünen-Stadtrat.

Herbert Burkhardt (Freie Wähler Heilbronn) fordert eine Integration mit Augenmaß: „Der deutsche Pass darf nicht zur Formsache werden. Es muss gewährleistet bleiben, egal ob nach drei, fünf oder acht Jahren, dass Sprachkenntnisse, Werteverständnis und wirtschaftliche Selbständigkeit konsequent geprüft werden“, so Burkhardt. Ähnlich sieht das Nico Weinmann, Vorsitzender der FDP-Fraktion: „Die Einbürgerung soll kein frühzeitiges Statussymbol, sondern Ausdruck einer vollständigen Integration sein. Fünf Jahre Mindestaufenthalt halte ich daher für angemessen“, lautet sein Fazit.       

Auch im Hohenlohekreis ist die Zahl der Anträge und Einbürgerungen stark gestiegen

Im Hohenlohekreis sei die Zahl der Einbürgerungsanträge in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen, meldet Sprecherin Nicole Pfeil-Schmid. „Bereits 2019 bis 2023 zeigte sich ein kontinuierlicher Zuwachs: von 141 auf 286 Anträge.“ 2025 seien bislang 334 Einbürgerungsanträge gestellt worden, davon allein 111 im aktuellen Quartal – inklusive der Zuzüge von Antragstellenden aus anderen Landkreisen. „Gleichzeitig konnten im bisherigen Jahresverlauf 145 Verfahren positiv abgeschlossen und 13 Anträge abgelehnt werden.“

18 Anträge seien zurückgenommen worden. 2020 wurden 73 Einbürgerungen vollzogen, 2024 waren es 169. „Derzeit sind 551 Anträge aus dem Zeitraum 2023 bis 2025 noch nicht abschließend bearbeitet.“ Bereits am 30. Juni 2024 waren es 332, am 31. Dezember 2024 dann 532. Seit das neue Einbürgerungsgesetz am 24. Juni 2024 in Kraft trat, ist die zuständige Behörde im Amt für Ordnung und Zuwanderung heillos überlastet. Im Frühjahr 2023 betrug die durchschnittliche Wartezeit zehn Monate bis zur Bearbeitung, nachdem ein Antrag neu gestellt wurde. Anfang 2025 waren es 16 Monate.

Das sagt der Hohenloher Landrat Ian Schölzel

Doch die Antragsflut lässt nicht nach. Anfang 2025 teilte das Landratsamt mit, dass das Personal zwischen 2022 und 2024 von zwei auf sieben Mitarbeiter aufgestockt wurde. Nur: Die neuen Beschäftigten müssen und mussten erst eingearbeitet werden. So können also nicht auf Knopfdruck gleich viel mehr Anträge erledigt werden. Landrat Ian Schölzel sagt: „Der starke Anstieg der Einbürgerungsanträge ist eine unmittelbare Folge der Gesetzesänderung in Berlin. Daran ändert auch die nun beschlossene Rücknahme der sogenannten Turboeinbürgerung nur wenig.“

Die Kreise müssten die Entscheidungen des Bundes personell und organisatorisch auffangen. „Wir im Hohenlohekreis steuern mit zusätzlichem Personal und dem Ausbau digitaler Verfahren aktiv dagegen, um die Verfahren so effizient und bürgerfreundlich wie möglich zu gestalten.“




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