Architekturprojekt gegen Einsamkeit in Lauffen – nach niederländischem Vorbild
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Einsamkeit ist ein verbreitetes Problem – und hat auch mit der Art zu tun, wie in Deutschland gewohnt wird. Eine Gruppe um den Lauffener Ulrich Kammerer will wohnen neu denken und plant einen gemeinschaftsorientierten Neubau im Stadtzentrum.
Ulrich Kammerer aus Lauffen vertritt die Ansicht, dass Wohnformen zur Einsamkeit beitragen - und sie mildern können. (Symbolfoto)
Foto: Marcel Kusch
Einsamkeit ist eines der größten Probleme unserer modernen Gesellschaft – zu dieser Erkenntnis kommen Studien schon seit Jahren. Besonders stark betroffen sind Menschen, die älter sind als 75 Jahre. Das ergibt unter anderem das Einsamkeitsbarometer des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für das Jahr 2024.
„Das ist ein Problem unserer Zeit“, sagt Ulrich Kammerer. Der Rentner aus Lauffen sah nach eigener Aussage zu, wie seine Mutter im Alter „völlig vereinsamte“. Jetzt ist er selbst 75 Jahre alt, die Kinder sind schon lange aus dem Haus, und er will es anders machen. Mit einer Gruppe Gleichgesinnter möchte Kammerer ein Haus mit gemeinschaftsorientiertem Wohnkonzept realisieren, um Menschen zu verbinden und Einsamkeit zu lindern. „Menschen, die ganz alleine wohnen und keine Kontakte mehr haben, fallen schnell ab“, gibt er zu bedenken. „Der Wunsch ist: Wir schaffen uns ein Projekt, wo wir den anderen wahrnehmen.“
Architektur für mehr Gemeinschaft: Lauffener Gruppe zieht Inspiration aus Holland
Der Schlüssel dafür liegt in der Architektur, findet Kammerer. Für die Realisierung des Projekts, das sich in einer fortgeschrittenen Planungsphase befindet, soll neu gebaut werden. Vorgesehen ist ein T-förmiges Mehrfamilienhaus mit überwiegend abgeschlossenen Wohnungen, die durch einen Laubengang miteinander verbunden sind. Dieser verläuft an der Außenseite und fungiert auch als offener Balkon, den alle Bewohner betreten und so zum Beispiel ein Schwätzchen halten können. „Wir sehen, wer da ist“, erklärt Kammerer. „Sichtbarmachung“, wie er es nennt, ist ein wichtiges Ziel des Projekts. „Das ist nichts für Leute, die sich abschotten wollen.“ Den Entwurf hat ein Architekt in engem Austausch mit der Gruppe erstellt, die rund zehn feste Mitglieder und um die 200 Interessierte umfasst. Gut zehn Jahre an Planungen und Austausch sind dem jetzigen Ergebnis vorausgegangen.
In der Art und Weise, wie in Deutschland gewohnt wird, sieht Ulrich Kammerer einen Schlüsselaspekt für die größer werdende Einsamkeit unter den Bürgern. Städtebaulich setze das Land stark auf abgegrenztes Eigentum wie Einfamilienhäuser. Ein Blick in die Niederlande zeige, dass es auch anders geht. Dort wird bereits seit Jahren mit alternativen Wohnformen experimentiert. In Amsterdam gibt es etwa seit zwei Jahrzehnten das Projekt Vrijburcht, bei dem ein Gebäudekomplex so angelegt wurde, dass er neben abgeschlossenen Einheiten auch Gemeinschaftsräume wie Werkstatt, Hobbyraum und einen geteilten Garten bietet. Für solche Siedlungen wird im Englischen der Begriff „Co-Housing“ verwendet.
Wohnkomplexe für alle Altersgruppen: Zwei Projekte in Heilbronn und Lauffen
Auch in Deutschland werden Projekte wie dieses immer beliebter. So entsteht gerade in Heilbronn durch das Haus der Parität eine „Caring Community“ – ein inklusives Mehrgenerationenwohnen, das unter dem Motto „miteinander – füreinander – wohnen“ steht und viele verschiedene Menschen ansprechen soll.
Einen ähnlichen Zweck verfolgt auch Ulrich Kammerer. Sein Wohnprojekt richte sich nach seiner Aussage nicht nur an Ältere, sondern alle Generationen. Die Baupläne sehen barrierefreie Zugänge vor, die rollator- und rollstuhltauglich sind. Pflegedienste können, wenn nötig, problemlos zu Besuch kommen. Kammerer grenzt das Konzept dennoch klar von Betreutem Wohnen ab. „Auf den anderen ein Auge haben, ist ein erwünschter Teil“, erklärt er, „aber wir sind alle groß.“
Lauffener Gruppe prüft Zusammenarbeit mit Meimsheimer Bauunternehmen
Die Stadt Lauffen unterstützt laut Ulrich Kammerer das Vorhaben und hat der Gruppe ein mögliches Grundstück im Zentrum zum Kauf angeboten. Diesen Vorschlag prüfen die Beteiligten nun. Von der ursprünglichen Idee, die Wohnsiedlung als Genossenschaft umzusetzen, sei man abgerückt, so Kammerer. Das hätte den Vorteil gehabt, dass die Mitglieder keine Wohnung kaufen müssten, sondern Anteile besäßen. So hätten auch Personen einziehen können, die sich kein Eigentum leisten können – was ausdrücklich erwünscht ist.
In der Realität sei die Umsetzung jedoch zu mühsam gewesen, gibt Kammerer zu. Nun sei man mit einem Meimsheimer Bauunternehmen im Gespräch. Die Firma könne sich vorstellen, das Projekt als Bauträger zu finanzieren und die einzelnen Wohnungen dann zu vermieten.
Auswirkungen von Einsamkeit
Besonders alte Menschen sind von Einsamkeit betroffen. Aber auch bei jungen Menschen greift das Phänomen verstärkt um sich. In der Corona-Pandemie überholte laut Einsamkeitsbarometer die Gruppe der 18- bis 29-Jährigen sogar die Gruppe der über 75-Jährigen. Die Bertelsmann Stiftung warnte im Sommer 2025 davor, dass Einsamkeit nicht nur ein individuelles und soziales Problem sei, sondern auch eine Gefahr für die Demokratie darstellen könnte: in Form von fehlendem Engagement sowie einer wachsenden Anfälligkeit für politische Entfremdung und Radikalisierung.
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