Ewigkeitschemikalie TFA in Wein nachgewiesen – Studie sorgt für Wirbel
39 untersuchte Weine weisen hohe Rückstände der Chemikalie TFA auf. Der Weinbauverband Württemberg nimmt das internationale Gutachten ernst. Ein unabhängiges Institut relativiert Risiken für Verbraucher, nicht aber für die Umwelt.
Laut Messungen der Umweltschutzorganisation PAN Europe (Pesticide Action Network) weisen Weine Rückstände von Trifluoressigsäure (TFA) auf. Das ist eine sogenannte Ewigkeitschemikalie, die nicht abbaubar ist und sich im Wasser anreichern kann. Die Studie testete 49 Weine aus zehn Ländern, zehn alte und 39 aktuelle.
TFA im Wasser: Zahlen zeigen sprunghaften Anstieg seit 2010
Die durchschnittliche TFA-Konzentration lag bei 0,122 Milligramm (mg) pro Liter (l), der höchste Wert bei 0,320 mg/l. Das ist hundertmal mehr als bisher in Oberflächen- und Trinkwasser gemessen wurde. Die Daten zeigen laut Helmut Burtscher-Schaden, Umweltchemiker bei Global 2000 und Initiator der Studie, einen sprunghaften TFA-Anstieg seit 2010, aber auch, wie sich TFA in Pflanzen anreichert.
Die Chemikalie galt lange als toxikologisch unbedenklich. Doch 2021 zeigte eine Studie Fehlbildungen bei Kaninchenföten. Seither steht TFA im Verdacht, die menschliche Fortpflanzung zu gefährden, wobei die EU dies noch prüft.

TFA belastet vor allem die Umwelt und reichert sich im Wasser an
Eine erste Einschätzung des Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zur Wein-Studie klingt nach Entwarnung: Ein 60 Kilogramm (kg) schwerer Mensch müsste neun Liter Wein am Tag trinken, um ausgehend vom höchsten gemessenen Wert die gesundheitsbasierten Richtwerte von TFA von 0,05 mg pro kg Körpergewicht zu überschreiten. Gleichzeitig weist das BfR darauf hin, dass in Wein auch Ethanol enthalten sei, das in größeren Mengen weit gesundheitsgefährdender sei als TFA.
Derweil betont Andrea Hohlweck vom Heilbronner BUND, dass man auch die Auswirkungen für kleine Organismen und Lebewesen im Blick haben müsse. „TFA ist überall, sogar im Regen, und wir wissen noch nicht, was es letztlich mit dem Ökosystem macht, auch weil solche Chemikalien erst seit den 70ern in großem Stil verwendet werden.“ Deshalb sei jede Studie dazu zu begrüßen, auch im Weinbau, wo der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sehr hoch sei.
Württemberger Weinbaupräsident Rembold warnt vor Schuldzuweisungen
Dietrich Rembold, seit Februar Präsident des Weinbauverbandes Württemberg, nimmt das Thema ernst. „Auf den ersten Blick sind die Ergebnisse dieser Studie besorgniserregend“, erklärt er. Gleichzeitig hinterfragt er die Aussagekraft der Studie, da es sich nur um wenige Proben handle, manches nicht ganz nachvollziehbar sei und mit Schuldzuweisungen gearbeitet werde. Insofern reihe sie sich in einige aktuelle Anti-Alkohol-Kampagnen ein. „Aber ich will nichts relativieren oder herunterspielen: Sollten sich die hohen Belastungen für die Umwelt als wahr erweisen, kann man das nicht tolerieren, dann muss die Branche handeln.“
Doch zum jetzigen Zeitpunkt lasse sich nicht sagen, ob die Substanzen von bestimmten Spritzmitteln herrührten, von anderen Stoffen oder von bestimmten Umwelteinflüssen. In seiner jahrelangen Praxis als Wengerter und Rebschutzwart habe er außerdem oft erlebt, dass Mittel nach jahrelangem Gebrauch wegen bestimmter Bedenken verboten worden seien. Rembolds Haltung deckt sich in etwa mit der des Deutschen Weinbauverbands (DWV), dessen Präsident Klaus Schneider aber auf Stimme-Anfrage Zurückhaltung übt.
„Wo nötig, Reduzierung des Einsatzes potenziell umweltkritischer Substanzen“
In einem internen Papier, das der Stimme vorliegt, verweist der DWV darauf, dass man sich schon „seit Jahren für eine kontinuierliche Weiterentwicklung im Bereich des Pflanzenschutzes“ einsetze. Ziel sei es, die Sicherheit entlang der gesamten Produktionskette weiter zu erhöhen und die höchsten Qualitäts- und Umweltstandards einzuhalten. Dazu gehöre auch die Prüfung und, wo nötig, Reduzierung des Einsatzes potenziell umweltkritischer Substanzen.
TFA ist ein Abbauprodukt von Industriechemikalien
Trifluoressigsäure (TFA) ist ein Abbauprodukt von Industriechemikalien, die überwiegend aus Quellen wie Kunststoffen, Arzneimitteln, Bioziden und in Einzelfällen aus Pflanzenschutzmitteln stammen. Für den Weinbau sind insbesondere die Wirkstoffe Fluopyram und Trifloxystrobin relevant. Fluopyram zählt zu den zentralen Mitteln im Einsatz gegen die Pilzkrankheit Echter Mehltau. Trifloxystrobin kommt ebenfalls gegen Echten Mehltau sowie, insbesondere an der Mosel, gegen Schwarzfäule zum Einsatz.
TFA wird derzeit vermehrt im Grund- und Trinkwasser nachgewiesen. Die EU prüft noch eine mögliche Einstufung von TFA als fortpflanzungsschädlich.