Die 41 Jahre alte Ärztin aus Heilbronn spricht offen über ihre Heimatgefühle, die sie mit Ostdeutschland verbinden, aber auch über die Sorgen, die sie sich wegen der politischen Entwicklung um die neuen Bundesländer macht. Mit ihrem Namen will sie nicht in der Öffentlichkeit stehen. Weil sie wisse, „wie wenig menschlich es in den Kommentarspalten in den Sozialen Medien zugeht“. „Wer hat so wenig Wirksamkeit im echten Leben, dass er sich da so austoben muss?“, fragt sie. Anonym will sie in erster Linie wegen ihrer Kinder bleiben. Um sie keinen Anfeindungen auszusetzen. „Das wäre anders, wenn ich ein politisches Amt hätte“, sagt die gebürtige Lausitzerin.
Heilbronner Ärztin sorgt sich um politische Entwicklung in Ostdeutschland
Nach 35 Jahren Deutsche Einheit sieht eine Ärztin aus Heilbronn die politische Entwicklung in den neuen Bundesländern kritisch. Auf was die gebürtige Lausitzerin hofft.
Wenn sie ihre Schwester in Thüringen besucht, fühlt sich das vertraut an. „Obwohl ich hier nie gewohnt habe“, sagt die 41 Jahre alte Heilbronnerin. Aufgewachsen ist Hannah Schneider (Name von der Redaktion geändert) in einem Dorf in der Lausitz. Damals stand die Mauer noch, die die ehemalige DDR von der Bundesrepublik trennte. Als sie 16 Jahre alt war, zog ihre Familie im Jahr 2000 in den Westen nach Heilbronn. Aus beruflichen Gründen.
Mit ihrer alten Heimat verbindet die Ärztin bis heute immer wieder „ein diffuses Sehnsuchtsgefühl“. Nicht etwa wegen verklärter Ostalgie. „Die DDR war ein autoritärer Unterdrückungsstaat“, sagt Hannah Schneider. Sondern wegen der vertrauten Gerüche aus ihrer Kindheit. Von Berliner Pfannkuchen, Eierschecke oder dem Mohnkuchen. Schnatterinchen, die kluge Ente aus dem Sandmännchen-Universum, hat sie bis heute nicht vergessen. Das Sandmännchen selbst natürlich ebenso wenig wie den Trabant.
Heilbronner Ärztin sorgt sich wegen der politischen Entwicklung in den neuen Bundesländern
Ihren wirklichen Namen möchte die Heilbronner Ärztin nicht in der Zeitung lesen. Wegen möglicher Anfeindungen in den Sozialen Medien. Das will sie in erster Linie ihren Kindern nicht antun, die in Heilbronn zur Schule gehen. Denn auch wenn sie sich in Ostdeutschland noch immer zuhause fühlt, bereiten ihr die gesellschaftliche und politische Entwicklung in den neuen Bundesländern 35 Jahre nach der Deutschen Einheit große Sorgen.
„Ich frage mich, ob das künftig Gegenden sein werden, in denen man einen Fortschritt sieht. Oder ob das ausgestorbene und abgehängte Regionen werden“, sagt die Heilbronnerin. Denn in den Umfragen werden die ostdeutschen Länder mehr und mehr zu Hochburgen der AfD. Hannah Schneider hält diese Partei für verfassungsfeindlich. „Sie schürt Hass und Hetze, und sie spaltet die Gesellschaft.“

Im Osten verfängt die Partei offenbar besser als im Westen. Bei den Umfragen für die Landtagswahlen 2026 in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern liegt die AfD mit großem Abstand vor CDU und SPD an der Spitze. Trotzdem ist der Osten für die Heilbronnerin Ärztin „nicht rechtsradikal“. Auch wenn sie einräumt, sich zu überlegen, ob sie dorthin ihre Regenbogentasche mitnehmen würde. „Das hinge wohl davon ab, wo ich hingehe“, sagt Hannah Schneider. In eine große Stadt wohl eher als in ein Dorf.
Ehemalige Lausitzerin: AfD spricht nicht für die schweigende Mehrheit
„Denn in den ländlichen Gebieten ist die AfD besonders stark.“ Obwohl auch hier gelte, dass die AfD nicht den Eindruck erwecken dürfe, sie spreche auch für die schweigende Mehrheit. „Was uns fehlt, ist eine gute gesellschaftliche Vision als Gegenpol zum Schreckensbild, das die AfD zeichnet“, sagt Hannah Schneider. Mit einer Perspektive könne man womöglich auch diejenigen erreichen, die nicht nur aus Protest Blau wählen. Das seien vor allem junge Männer in den ländlichen Gegenden, die sich abgehängt fühlen und keine hohen Bildungsabschluss haben, glaubt die Medizinerin.
Dass die Bürger in Ostdeutschland schneller autoritären Strukturen anhängen als die Menschen im Westen, sei auch der Geschichte geschuldet. Nach dem Krieg folgte mit der DDR sofort eine neue Diktatur. Was die Menschen im Osten der Republik über Generationen hinweg entsprechend sozialisiert habe, ist Hannah Schneider überzeugt.Die Menschen in strukturschwachen Gegenden hätten mitunter mehr mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen, als dass sie sich mit demokratischem Bewusstsein auseinander setzen wollten. Oder vielleicht auch könnten.
Heilbronner Ärztin: Mitbestimmungsrechte in den Bildungsplan für Schulen einbauen
„Aber wo bleiben die Keimzellen für die Demokratie?“, fragt die Medizinerin. Wo ein Bildungsplan für die Schulen? Bei dem es um Mitbestimmungsrechte gehe und darum, was man braucht, um zu gestalten. Stattdessen habe die AfD in den Sozialen Medien Meldeportale eingerichtet, in denen Schüler und Eltern aufgerufen werden, Lehrer zu denunzieren, die sich kritisch über die AfD äußern, sagt Hannah Schneider.
Die Entwicklung ihrer alten Heimat lässt die 41-Jährige nicht los. Auch wenn sie vor mittlerweile 25 Jahren nach Heilbronn gezogen ist und zwischendurch während des Studiums in Heidelberg lebte. Denn auch innerhalb ihrer elterlichen Familie gingen die Ansichten auseinander. Während die Schwester als Mitglied einer demokratischen Partei in Thüringen Verwaltungschefin einer Kreisstadt ist, gäbe auch Verwandte, die der AfD nahestehen.

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