SLK-Unfallchirurg Linhart: „Im Kriegsfall auf große Chirurgie konzentrieren“
Mit 1000 Kriegsverletzten täglich rechnet die Nato im Bündnis-Verteidigungsfall. Was das für zivile Kliniken wie SLK bedeutet, damit befassen sich Mediziner bei einem großen Kongress in Berlin.

„Im Bündnis- und Verteidigungsfall werden wir in völlig anderen Strukturen denken müssen“, sagt SLK-Klinikdirektor und Unfallchirurg Professor Wolfgang Linhart. Er ist mit einem Team von acht Ärzten von Heilbronn nach Berlin gereist, um sich am Auftakttag des großen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) vor allem mit einem Thema zu befassen: Wie können sich zivile Kliniken wie die im kommunalen SLK-Verbund auf einen möglichen Ernstfall vorbereiten? Und welche Rolle müssen sie dann übernehmen?
Welche Erkenntnisse nehmen Sie bislang mit?
Linhart: Wir müssten im Bündnis-Verteidigungsfall in ganz anderen Kategorien denken. Vieles, was wir in der Klinik gerade machen, wird dann nicht mehr möglich sein, zum Beispiel die Notfallversorgung von Bagatellfällen. Das heißt auch, dass die niedergelassenen Ärzte in unserer Region vieles übernehmen müssen, damit wir uns auf die „große Chirurgie“ konzentrieren können, also die Versorgung von schwer- und schwerstverletzten Kriegsopfern.
SLK-Direktor Linhart: „Wir versorgen seit vier Jahren Kriegsverletzte aus der Ukraine“
Die Nato plant mit 1000 Soldaten täglich, die im Ernstfall auf deutschem Boden medizinisch versorgt werden müssten, hinzu kommen Kriegsflüchtlinge. Wie gut sind Sie bei SLK auf ein solches Szenario vorbereitet?
Linhart: Wir nehmen schon seit vier Jahren regelmäßig Kriegsverletzte aus der Ukraine bei uns auf, nicht in der Akutphase, sondern zur weiteren Versorgung. Insofern ist schon jedem meiner Mitarbeiter klar, mit welchen Verletzungen wir es da zu tun haben. Deshalb sind auch die speziellen Vorbereitungskurse zum Umgang mit solchen Verletzungen sehr gefragt bei meinen Ärzten.
Wie krisenfest sind Ihre Strukturen?
Linhart: Wir haben Alarm- und Krisenpläne, und wir haben in der Pandemie erlebt, was alles möglich ist – und auch welche Eingriffe man zurückfahren kann, um anderes zu priorisieren. Unsere baulichen Strukturen am neuen Gesundbrunnen sind zudem darauf ausgelegt, unsere Kapazitäten aufzustocken, sollte das nötig sein. Es ist gut, dass sich unsere Fachgesellschaften jetzt auch mit der Frage beschäftigen, wie es in einem solchen Fall mit der Versorgung von chronisch Kranken oder von Krebspatienten weitergeht und dass die Leitlinien dafür angepasst werden sollen.

Resilienz und Awareness sind in Berlin große Themen, also das Bewusstsein dafür, dass Verteidigung keine alleinige Aufgabe der Bundeswehr ist, sondern dass es dafür die gesamte Gesellschaft braucht, inklusive der zivilen Medizin. Wie resilient sind Ihre Strukturen?
Linhart: Wir sind mit diversen Akteuren im Austausch und wissen um das Thema, jetzt müssen wir uns intensiv darum kümmern. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass das ein schwieriges Unterfangen ist im öffentlichen Gesundheitswesen, wo Geld und andere Ressourcen immer knapp sind. Aber wir werden uns umstellen müssen, dazu gehört übrigens auch, dass wir in einem Bündnis- und Verteidigungsfall zusätzlich mit Sabotageakten gegen das Gesundheitswesen rechnen müssen, wie wir gerade von der Bundeswehr gehört haben. Aber ich bin überzeugt: Wenn es darauf ankommt, funktionieren manche Dinge besser als man glaubt.
Welche Impulse nehmen Sie noch mit?
Linhart: Ich fand die Idee gut, einen Verbindungsoffizier zur Bundeswehr in unseren Kliniken des Traumanetzwerks zu haben. Wir sind schon eng mit der Bundeswehr im Austausch und wollen den Kontakt weiter intensivieren, denn auf die Schnittstelle zwischen militärischem und zivilem Bereich wird es ankommen.
Orthopäden, Unfallchirurgen und Militärmediziner aus ganz Deutschland treffen sich noch bis Freitag beim großen Kongress ihrer Fachgesellschaft (DKOU) in Berlin. Ein Schwerpunktthema in diesem Jahr: Die Vorbereitung des Gesundheitswesens auf einen möglichen Bündnis-Verteidigungsfall. Zivile Kliniken müssten in solch einem Fall voll in die Versorgung von Kriegsverletzten einsteigen.

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