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Zweifel führen auf die Intensivstation

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Ein Ehepaar zögert mit dem Impfen. Dann stecken sich beide mit dem Corona-Virus an. Jetzt kämpfen Ärzte um das Leben des Mannes.

Auf den Intensivstationen kämpfen Menschen um das Leben von Corona-Infizierten. Die Mehrzahl von ihnen ist ungeimpft. Foto: dpa
Auf den Intensivstationen kämpfen Menschen um das Leben von Corona-Infizierten. Die Mehrzahl von ihnen ist ungeimpft. Foto: dpa  Foto: Fabian Strauch

Der Mann von Verena Cromm liegt die ganze Zeit auf dem Bauch. Er trägt eine Nasenmaske und ist an Beatmungsgeräte angeschlossen. Die Ärzte sagen, dass er noch nicht über den Berg ist. Es könnte noch kippen. Verena Cromm ist 55 Jahre alt. Ihr Mann verbrachte seinen 57. Geburtstag am 13. November auf der Intensivstation eines Krankenhauses. Beide haben sich Ende Oktober mit dem Coronavirus angesteckt. Von einer Vorerkrankung bei ihm ist nichts bekannt.

Das Ehepaar wohnt in Hambrücken, einer Gemeinde im Landkreis Karlsruhe. "Ich war der Impfung gegenüber nicht gut eingestellt", sagt sie. Ihr fehle die Erfahrung mit den neuartigen Impfstoffen. Nebenwirkungen wie Thrombosen oder Herzmuskelentzündungen, von denen in den Medien berichtet worden war, nähren ihre Zweifel und bestärken sie in ihrer Meinung. Verena Cromm arbeitet in einer Zahnarztpraxis.

 


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Sie sagt, dass sie sich wie so viele Menschen über die Presse, Facebook und andere soziale Medien informiert habe. Von Querdenkern hätten sie und ihr Mann sich distanziert. Dennoch seien beide in ihrer Meinungsbildung abgerutscht, hinein in eine Parallelwelt. "Wir haben uns im Internet verfahren und innerlich ein Stopp-Schild gegen die Impfung aufgestellt." Sie haben in ihrem Meinungsbild Dinge zugelassen, die mit normalem Menschenverstand nicht nachvollziehbar seien. "Wie konnten wir uns nur so verrennen?"

Vertrauen auf gesunden Lebensstil

Statt auf Medizin und Impfstoffe vertraut das Ehepaar auf sich selbst. Und auf seinen Lebensstil: viel Sport, gesunde Fette, kaum Kartoffeln, wenig Kohlenhydrate, wenig Fleisch. "Gesunder Lifestyle eben. Wir fühlten uns gut aufgestellt und sahen aus, wie das blühende Leben", sagt Verena Cromm. Der Homöopathie und der Medizin stehen beide aufgeschlossen gegenüber. Ihre Hoffnungen richten sich auf eine Impfung mit Totimpfstoff. Der soll demnächst zugelassen werden. Dann wollen auch sie sich impfen lassen.

 


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Doch irgendwann Ende Oktober reicht der gesunde Lebensstil und die Hoffnung, es irgendwie über die Zeit zu schaffen, nicht aus. Cromm geht davon aus, dass sich ihr Mann beim Mittagessen mit einer Kollegin angesteckt hat. "Er hat da eine Virenlast abbekommen, die hatte es in sich." Und sie reichte aus, um auch Verena Cromm zu infizieren. Zunächst treten bei beiden Erkältungssymptome auf - Husten, Abgeschlagenheit, Kopf- und Gliederschmerzen, sie frieren und schwitzen. Doch der Gesundheitszustand des Mannes verschlechtert sich nach fünf Tagen rapide. "Er konnte kaum aufstehen, wollte nichts essen und das Atmen wurde immer schwieriger."

Cromm eilt mit ihrem Mann in eine Corona-Schwerpunktpraxis. Das Personal vor Ort habe dem Paar den Zutritt verweigert. Verena Cromm besteht auf eine Untersuchung. Die Sauerstoffsättigung sei okay gewesen, beim Abhören der Lunge erkennt die Ärztin nichts Auffälliges. Sie verschreibt Verena Cromms Mann ein Kortison-Spray. "Er hatte nicht mehr die Kraft, das Spray einzuatmen, und hat sofort gehustet. Er wurde kurzatmig." Einen weiteren Tag halten es die beiden noch aus. Dann alarmiert sie einen Notarzt. "Er sagte, mein Mann sei doch ein ganzer Kerl und müsse noch nicht ins Krankenhaus."

Hände sind blau

Am nächsten Tag geht es ihm zusehends schlechter. Er kommt kaum die Treppe hoch und atmet flach. Einen weiteren Tag später sind die Hände von Cromms Mann blau und kalt. Sie alarmiert einen Krankenwagen. Ihr Mann sei eine dreiviertel Stunde im Fahrzeug vor dem Haus versorgt worden. Die Helfer versuchen währenddessen, ein Krankenhaus für den Patienten zu finden. "Niemand wollte ihn aufnehmen." Die Kapazitäten sind knapp. Schließlich sagt ein Krankenhaus in Karlsruhe zu.

Im Krankenhaus kommt der Mann auf die Corona-Station. Die Computertomographie zeigt, dass die Lunge angegriffen ist. Die ganze Woche ist es gesundheitlich ein Auf und Ab. Er hat Angst, dass er ins Koma versetzt wird. "Die Ärzte lassen sich zu keiner Prognose hinreißen", sagt Cromm. Kleinste Anstrengungen wie sitzen oder aufstehen bringen ihn außer Atem. Pro Tag darf ein Angehöriger auf die Corona-Station kommen. Die Besucher tragen Vollschutz, Handschuhe, Haube, zwei Kittel, FFP3-Maske, Schutzbrille. Die Ärzte sind aufmunternd. "Sie versuchen auch, mich zu beruhigen. So kommt man besser durch die Zeit."

Für Verhalten entschuldigt

Die Krankheit ihres Mannes hat einen Schalter bei ihr umgelegt, erklärt Verena Cromm. "Ich bedauere es zutiefst, dass es erst diesen Vorfall gebraucht hat. Ich bin so geläutert." Sie habe sich bei allen und bei Gott für ihr Verhalten entschuldigt, sagt sie. Sie und ihr Mann hätten nicht gedacht, dass eine Infektion einen solchen Verlauf nimmt. "Wir wollten es nicht glauben, dass es gesunde Menschen so trifft."

Verena Cromm hat im Vergleich zu ihrem Mann einen relativen milden Verlauf. Trockener Husten, Abgeschlagenheit und Geschmacksirritationen. "Ich kann im Moment nichts mehr Süßes und nichts Salziges essen." Sie ist müde und appetitlos. Wenn keine medizinischen Gründe vorlägen, gebe es nichts mehr, was gegen eine Impfung spricht. Sie gilt jetzt als genesen. Für sie steht fest, dass sie sich impfen lässt, sobald es notwendig wird - egal, mit welchem Impfstoff.

 

Öfter in der Klinik

Corona-Daten aus mehreren Bundesländern deuten auf einen wesentlich höheren Anteil an Neuinfektionen unter Ungeimpften hin. Zwar werden Ungeimpfte vermutlich häufiger getestet, doch eine grobe Einschätzung getrennt nach Impfstatus lassen die Werte aus Expertensicht dennoch zu. Nach den jüngsten Daten kamen pro 100.000 Menschen sechsmal mehr aus der Gruppe der ungeimpften 18- bis 59-Jährigen wegen Covid-19 ins Krankenhaus als von den Geimpften dieser Altersklasse. dpa

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Kommentare

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Philipp Krebs am 18.11.2021 09:17 Uhr

ich find, den artikel könnte man wirklich umsonst machen für alle

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Heiko Schulz am 19.11.2021 11:19 Uhr

Das sehe ich genauso! Bei allem Verständnis dafür dass eine Zeitung auch Geld verdienen muss aber in der aktuellen Phase der Pandemie würde dieser Artikel dem einen oder anderen vielleicht doch bei einer Entscheidung helfen!

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