Zweckverband weist Vorwurf schlechten Krisenmanagements zurück
Tobias Kniel, Geschäftsführer des Zweckverbands Breitenauer See, sieht keine Alternative zur Sperrung des Gewässers. Im Bereich des Badestrandes herrsche erhöhtes Infektionsrisiko. Dem Landratsamt Heilbronn ist derweil kein Fall einer Ansteckung am See bekannt.

Schlechtes Krisenmanagement, wie es aus der Bevölkerung den zuständigen Kommunen und dem Betreiber vorgeworfen wird, weist Tobias Kniel, Geschäftsführer des Naherholungszweckverbands Breitenauer See, zurück. Im Interview nimmt er Stellung zur Sperrung des beliebten Ausflugsziel für Badegäste bis 31. Oktober. Eine Alternative gibt es für ihn nicht wegen des Infektionsrisikos.
Herr Kniel, der Breitenauer See wird landesweit inzwischen als Beispiel schlechten Krisenmanagements bei Badeseen genannt, die Sperrung wegen Verstößen gegen die Corona-Verordnung von vielen Leuten als überzogene Reaktion angesehen. Zurecht?
Tobias Kniel: In der Heilbronner Stimme hat eine Umfrage gezeigt, dass 64 Prozent der Leserinnen und Leser die Schließung für richtig halten. Von einem schlechten Krisenmanagement kann also keine Rede sein. Die Allgemeinverfügung wurde von den beiden Kommunen Obersulm und Löwenstein in Absprache mit dem Kreis-Gesundheitsamt, dem Naherholungszweckverband Breitenauer See und der Polizei nach sorgfältiger Abwägung und Prüfung verschiedener Alternativlösungen erlassen. Dies wurde auch in der anschließenden Pressekonferenz so bekannt gegeben.
Es war doch abzusehen, dass an heißen Tagen tausende Besucher an den See strömen. Wie hat der Zweckverband geglaubt, diesen Ansturm in Corona-Zeiten in den Griff zu bekommen? Hätten Sie nicht ein Hygienekonzept aufstellen müssen, wie das für Freibädern verlangt wird mit reglementierten Besucherzahlen?
Kniel: Der Breitenauer See ist ein Badesee ohne kontrollierbaren Zugang. Unter die Corona-Verordnung für Sportstätten fallen jedoch nur Badeseen mit kontrolliertem Zugang. An allen anderen Badeseen und Badestellen an Flüssen in Baden-Württemberg gelten die Vorschriften der Corona-Verordnung mit den bekannten Einschränkungen des Aufenthalts im öffentlichen Raum.
Hat der Zweckverband die Lage unterschätzt? Hat man im Ernst geglaubt, dass der Appell, dem See fernzubleiben, Wirkung zeigt? War das nicht eher ein Appell, der Hilflosigkeit und Überforderung ausdrückte?
Kniel: Es war ein Appell an die Vernunft der Menschen. Trotzdem sind noch zu viele gekommen. Die meisten Besucher haben sich an die gesetzlichen Bestimmungen gehalten, leider ein Teil jedoch nicht. Darauf mussten wir reagieren.

Der Zweckverband mietet jedes Jahr abgemähte Felder und Wiesen zum Parken an. Wie viele Parkplätze stehen da zusätzlich zur Verfügung?
Kniel: Eine Bezifferung in Park-/Stellplätze ist nicht möglich. Die Flächen fallen jedes Jahr unterschiedlich aus, je nach Bewirtschaftung der Felder.
Und wenn diese belegt sind, müsste man dann nicht die Zufahrtsstraße zum See sperren und die Leute an den Kassierpunkten zurückweisen, um dieses Chaos mit zugeparkten Straßen, Feldwegen und Weinbergen, das sich Jahr für Jahr wiederholt, zu vermeiden?
Kniel: In der Theorie klingt dies vernünftig, lässt sich jedoch in der Praxis kaum umsetzen.
Sie haben erklärt, angesichts steigender Infektionzahlen werde derzeit kein Gesamtkonzept entwickelt. Aber wäre nicht zumindest eine reglementierte Öffnung unter der Woche möglich, wenn die Zahl der Badegäste erfahrungsgemäß nicht so hoch ist? Dann wäre zumindest der Bevölkerung rund um den See gedient.
Kniel: In den Sommerferien würde sich der Besucheransturm auf die Tage unter der Woche konzentrieren. Das zeigen die Erfahrungen der letzten Jahre.
Es gibt aus den Reihen der Anlieger Vorschläge, zum Beispiel Online-Anmeldung oder Begrenzung der Besucherzahlen. Wäre so etwas nicht doch realisierbar und gleichzeitig der Sorge um das Infektionsrisiko Rechnung getragen?
Kniel: Wie schon oben ausgeführt wurden bereits vor der Schließung solche Überlegungen diskutiert. Selbst mit einer Begrenzung der Besucherzahlen kann man ein Infektionsrisiko am Breitenauer See nicht ausschließen.
Andere Badeseen im Land mit großem Andrang wurden nicht gesperrt. Da haben die Kommunen Sicherheitsdienste engagiert, die die Corona-Verordnung kontrollieren. Warum schafft das der Zweckverband nicht? Platz fürs Sonnenbaden mit Abstand gibt es doch im Naherholungsgebiet genügend.
Kniel: Das erhöhte Infektionsrisiko lag nicht auf den Liegewiesen, sondern im Bereich des Badestrandes unterhalb des Weges. Der Breitenauer See hat ein überregionales Einzugsgebiet von mehr als 100 Kilometern und ist aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht mit anderen Badeseen vergleichbar.
Sozialministerium: Im Notfall sperren
So viel wie möglich zulassen, wo allerdings Abstand und Hygieneregeln nicht eingehalten würden, Konsequenzen ziehen: Das ist die Haltung des Sozialministeriums Baden-Württemberg. Minister Manfred Lucha (Grüne) hält es für notwendig, überfüllte Badeseen notfalls zu sperren. Bis ein Impfstoff verfügbar sei, so Pressesprecher Pascal Murmann, seien Abstand und Maske die einzigen Mittel, sich nicht anzustecken. "Wenn viele Menschen zusammenkommen, kann sich das zu einem Infektionsherd entwickeln." Man appelliere immer an die Einsicht der Menschen, spricht er von der Eigenverantwortung. "Wir sitzen alle in einem Boot." Wenn die Menschen im Sommer leichtsinnig seien, dann sitze man im Herbst wieder zu Hause.
Generelle Zugangskontrollen für Badeseen sind für Lucha nicht durchführbar, weil es sich um öffentlichen Raum handle.
Gibt es Badeseen im Land, die Infektions-Hotspots sind? Murmann verneint. Dieses Risiko wolle man nicht eingehen, weil die Infektionsketten nicht nachvollziehbar seien. Die überwiegende Zahl von Ansteckungen finde im privaten Bereich statt.
Weiß das Landratsamt Heilbronn von Ansteckungen am Breitenauer See? "Bisher ist uns kein Fall bekannt, bei dem sich ein Bezug zum Breitenauer See nachverfolgen lässt. Das besagt allerdings nicht, dass es tatsächlich zu keinen Ansteckungen gekommen ist. Beispielweise könnte ein Infizierter, der keine Symptome aufweist, andere angesteckt haben. Diese könnten ebenfalls symptomfrei sein, aber das Virus weiter verbreiten", gibt Sprecher Manfred Körner zur Auskunft.