Württemberger Opa-Flasche ist beim Wein Mehrweg-Weltmeister
Beim Wein steckt das größte CO2-Einsparpotenzial im Gebinde, also in der Flasche. Die Württemberger Wengerter haben das effektivste Mehrwegsystem weltweit.

Klimaschutz ist in aller Munde, auch beim Wein. Eine interessante Erkenntnis dazu hat Dr. Helena Ponstein vom Deutschen Institut für Nachhaltige Entwicklung (Dine) an der Hochschule Heilbronn gewonnen: Verpackungen machen in Gütern, Genossenschaften oder Kellereien 57 Prozent der Emissionen aus, die Kellerwirtschaft 24 Prozent, die Arbeit im Wengert nur 19 Prozent. Das größte Einsparpotenzial an Treibhausgasen steckt in der Flasche, mit allem drum und dran.
Bei Bier, Saft und Mineralwasser schon weiter
Einen gewissen Einspareffekt schreibt Ponstein Leichtglas zu: wegen geringerem Energieaufwand bei der Erzeugung und wegen weniger Treibstoffverbrauch beim Transport. Besonders effektiv sei indes "die mehrfache Nutzung der Glasflaschen, da das Spülen wesentlich weniger Energie verbraucht, als das Herstellen neuer Flaschen". Während Mehrweg für Mineralwasser, Säfte oder Bier in Deutschland "völlig selbstverständlich ist", sei es beim Wein "unterrepräsentiert".
Ein Kernproblem ist laut Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut die Vielfalt der Formen: von der Bordeaux- und Burgunderflasche über die Schlegelflasche bis zum Bocksbeutel, wobei alle Flaschentypen in sich nochmals variieren, auch beim Schraub- oder Korkverschluss. Beim Fassungsvermögen hat sich weltweit das 0,75-Liter-Glas-Gebinde etabliert.
60 Prozent des Württemberger Weins läuft über Mehrweg
Es gibt aber eine Region, mutmaßlich sogar weltweit die einzige, in der nicht Ex und Hopp dominiert, sondern ein breit aufgestelltes Mehrweg-System mit Literflaschen: Württemberg. Ulrich-M. Breutner, Vorstandssprecher der Weinheimat Württemberg, schätzt, dass im viertgrößten deutschen Anbaugebiet 60 Prozent der jährlich rund 100 Millionen Liter Wein in Literflaschen gefüllt werden. "Vor 30 Jahren waren es sogar 80 Prozent, durch Corona gab es eine Delle wegen fehlender Feste und teils geschlossener Lokale." Dies lasse sich auch am genossenschaftlich getragenen, aber auch von Gütern und Kellereien genutzten Spülzentrum in Möglingen ablesen, wo in den Corona-Jahren 2020 und 2021 jeweils nur 24 Millionen Flaschen gespült worden seien gegenüber bis zu 40 Millionen in früheren Spitzenjahren.
Innerhalb das Landes funktioniere Mehrweg recht gut, weil Schwaben praktisch mit dem eingespielten Pfandsystem groß geworden sind. "Außerhalb der Region ist es schwieriger", weiß Breutner, "weil Händler den Mehraufwand für Lagerung und Transport scheuen", aber auch "weil dem Liter ein verstaubtes Image anhaftet". Genau hier wollen die Genossenschaften gegensteuern. Etwa mit speziellen Infos in ihrer neuen Online-Kampagne oder mit Literweinen, deren Recycling-Etiketten Signalwirkung haben. Vor dem Hintergrund der Klimadebatte kann sich Breutner sogar vorstellen, "dass unserer Opaflasche Kultstatus zuwächst. Rothaus hat das mit Tannenzäpfle-Bier auch geschafft". Verbrauchern rät er, sich am bundesweit einheitlichen grün-blauen Logo "Mehrweg für die Umwelt" zu orientieren. "Das garantiert die Wiederverwendung", im Gegensatz zu bloßen Pfand-Logos, die nur für die Rücknahme der Flaschen stünden.
Vorbild Weingut Drautz aus Heilbronn

Eines der wenigen Güter, das neben dem Litergebinde auch mit 0,75-Liter-Flaschen in der Bordeaux-Form ein Mehrwegsystem etabliert hat, ist das Heilbronner Weingut Drautz- Neckartal. "Der Umweltgedanke gehört zu unserer Betriebsphilosophie, ich kenne es gar nicht anders", gibt der 33-jährige Juniorchef Tobias Drautz zu verstehen. Beim Liter habe man einen Rücklauf von 100 Prozent, bei 0,75 von 80 bis 85 Prozent, wobei der "Fremdflaschenanteil" nur zwei, drei Prozent betrage: dank treuer Kunden, die die Flaschen auch ohne Pfand zurückbringe, aber auch dank aufgeschlossener Gastronomen, die für ihren Mehraufwand fünf Cent bekommen.
"Durch unsere Spühlanlage sparen wir Fahrten und bei bis zu 50 Umläufen das Geld für ständig neue Flaschen." Deren Preis habe bei den letzten Bestellungen noch bei 20 bis 25 Cent gelegen, inzwischen aber gehe er wegen der gestiegenen Energiekosten "durch die Decke".
Deutsche tun sich schwer mit Bag-in-Box
Und alternative Gebinde? "Tetrapack funktioniert zwar bei Saft und Milch, aber bei Wein wird er nur für billigste Tropfen aus dem Discounter verwendet", weiß Christian Prohart von der Winery Heilbronn, die über 3000 verschiedene Weine auf Lager hat, alle in Flaschen. Dosen würden bestenfalls für Schorle oder andere Wein-Mixgetränke verwendet. Mitunter "ganz gute Sachen" gebe es in der fünf Liter fassenden Bag-in-Box, in der der Wein nach dem Öffnen bis zu vier Wochen genießbar bleibt. "Wir haben das mal angeboten, sind aber drauf sitzen geblieben", berichtet der Händler, der weiß, dass diese Gebinde beim Campen ganz praktisch sind. Aber auch in anderen Ländern - von Frankreich bis Skandinavien - täten sich die Verbraucher damit weniger schwer als in Deutschland.