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Winzer verärgert über Hürden für Wohnmobil-Stellplätze an Weingütern

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Wohnmobile sind seit der Corona-Pandemie besonders im Kommen. In der Region Heilbronn würden viele Winzer Stellplätze anbieten, doch das Baurecht bremst sie im Außenbereich aus. Das sorgt für Ärger. Ist eine Lösung in Sicht?

In den Weinbergen zu übernachten, kann eine idyllische Angelegenheit sein.
In den Weinbergen zu übernachten, kann eine idyllische Angelegenheit sein.  Foto: TG Heilbronner Land

Campingplätze kennt jedes Kind, Wohnmobilplätze jedes zweite, zumindest heutzutage. Als 1983, also vor genau 40 Jahren, im ostbayerischen Viechtach der erste Stellplatz für einige wenige Mobile an den Start ging, wurden die Macher von Touristikern noch belächelt.

Inzwischen hat sich der Nischen- zum Boommarkt entwickelt, bundesweit gibt es heute weit über 4000. Zuletzt erlebten sie in den Corona-Jahren einen Schub, weiß Louisa Marenholz von der Touristikgemeinschaft (TG) Heilbronner Land. Neben sechs größeren öffentlichen Campingplätzen gibt es im Stadt- und Landkreis inzwischen 50 solcher kleinen Stellplätze für Wohnmobile, hinzu kommt ein gutes Dutzend in Hohenlohe. Über die Hälfte befindet sich an Weingütern, Kellereien oder Genossenschaften.


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"Es könnten viel mehr sein", weiß die Touristikexpertin. Das Interesse von Winzern sei wegen der großen Besucher-Nachfrage sprunghaft gestiegen. Doch Betriebe im Außenbereich scheitern hier oft an den hohen Hürden des Baurechts.

Große Verärgerung

"Die Genehmigungspraxis hängt stark vom jeweiligen Landratsamt ab, das sorgt bei Kollegen für große Verärgerung", weiß Hermann Hohl als Präsident des Weinbauverbandes Württemberg (WVW). "Die einen kriegen es genehmigt, andere nicht. Bei manchen geht es schnell, bei anderen baut man lauter bürokratische Hürden auf, und es dauert ewig." Dabei ließe sich ein solcher Stellplatz für eine Handvoll Fahrzeuge doch ohne großen Aufwand anlegen.

"Man baut ja kein Gebäude, schottert höchstens etwas ein, pflanzt Bäume. Strom, Wasser und das Klo gibt es um die Ecke auf den Höfen ja sowieso schon." Gleichzeitig machten sich Baubehörden hier "unnötig viel Geschäft". Der Landkreis Heilbronn trete auf die Bremse, der Rems-Murr-Kreis sei aufgeschlossener. Deshalb will Hohl das Thema im baden-württembergischen Wirtschaftsministerium, aber auch bei einem turnusmäßigen Treffen seines Verbandes mit Landräten auf den Tisch bringen.

Kritik an Politik

Hohl erkennt dahinter ein Grundsatzproblem: "Alle reden immer von der Förderung des Weintourismus, und wenn jemand was machen will, bekommt er Steine in den Weg gelegt." Dabei profitierten von Gästen nicht nur Winzer, sondern viele: vom Bäcker über den Metzger bis zur Gastronomie. "Tourismus könnte auch bei uns ein viel größerer Wirtschaftsfaktor sein, die potenzielle Wertschöpfung ist enorm."

Potenzial für die Region

"Sehr gute Erfahrungen" mit seinen Stellplätzen macht Bio-Winzer Christian Seybold aus Lauffen - obwohl er sich damit nach eigenen Angaben "in der Grauzone bewegt". Bis zu drei Plätze, die man aber kostenfrei und nur für eine Nacht zur Verfügung stelle, würden toleriert. Gerne würde Seybold aber erweitern und alles auf eine baurechtlich feste und gestalterisch ansprechende Basis stellen. Doch sein Bauantrag sei bisher nicht positiv beschieden worden. Ferienwohnungen dürfe er in den Aussiedlerhof einbauen, weil sie für die landwirtschaftliche Direktvermarktung relevant seien, Stellplätze seien dies laut Behörde jedoch nicht.

"Das ist doch absurd. Da sträuben sich mir die Haare", schimpft Seybold und berichtet von "sehr guter Kundschaft", die er für seinen Hofladen gewinnen konnte. "Unsere Region verschenkt Potenzial, weil sie den Tourismus nicht ernst nimmt."

Baurecht wird wohl reformiert

"Das Landratsamt Heilbronn prüft Bauanträge auf Grundlage des geltenden Rechts", gibt Pressesprecherin Lea Mosthaf zu verstehen. Im Außenbereich, also außerhalb von Bebauungsplänen und Innerortslagen, seien Wohnmobilstellplätze immer baurechtlich genehmigungspflichtig, im Innenbereich ab einer Fläche von 50 Quadratmetern. Wohnmobilstellplätze an Weingütern stellten rechtlich im Außenbereich keine sogenannte "privilegierte Nutzung" dar, da es sich um ein Gewerbe handle, argumentiert die Kreisbehörde. Man lasse maximal drei Stellplätze gleichwohl in der Regel zu, wenn sie als Teil eines landwirtschaftlichen Betriebs angesehen werden könnten. "Mehr als drei stellen rechtlich gesehen einen Campingplatz dar und benötigen einen Bebauungsplan, der ein Sondergebiet ausweist", erläutert Lea Mosthaf.

Doch inzwischen bewegt sich etwas. Der Bund hat die Problematik offensichtlich erkannt und will reagieren. Noch für dieses Jahr rechnen Beobachter mit einer Änderung des Baugesetzbuchs. Dabei sind laut Landratsamt auch Regelungen zu Erleichterungen hinsichtlich der Zulässigkeit von Wohnmobilen auf landwirtschaftlichen Hofstellen geplant. Über konkrete Inhalte sei aber noch nichts bekannt.

Und was sagt der Landrat?

Landrat Norbert Heuser bedauert auf Anfrage, "dass die derzeitigen Gesetze mit dem verständlichen Wunsch der Weinbaubetriebe kollidieren". Daher begrüße er die angekündigte Änderung des Baugesetzbuchs ausdrücklich: "Weil mir sowohl die Zukunft der Weinbaubetriebe als auch der Ausbau des touristischen Angebots im Heilbronner Land am Herzen liegen."

Fahrrad und Wein als Trümpfe

Die im Landratsamt angesiedelte TG Heilbronner Land äußert sich diplomatisch. "Wir würden weitere Plätze natürlich begrüßen", sagt Mitarbeiterin Louisa Marenholz vorsichtig. Neben dem Fahrrad bilde der Weintourismus einen Schwerpunkt der TG. "Und übers Wohnmobil lässt sich beides gut verbinden." Güter und Genossenschaften seien dazu eine ideale Drehscheibe für weitere Aktivitäten: vom Weinkauf und den direkten Kontakt zum Winzer bis zu Führungen, Festen, Ausflügen.

Gerade in den Corona-Jahren, als es Reisebeschränkungen gab, hätten viele erkannt, wie schön es in der Weinregion ist. "Abseits vom Massentourismus und Mainstream gibt es hier viel zu entdecken." Wegen der starken Nachfrage habe man zusammen mit anderen TGs in Nord-Württemberg, also auch mit der Tourismusgemeinschaft Hohenlohe, einen Faltplan mit Standorten plus Zusatz-Infos aufgelegt und das Ganze auch auf die Homepage gestellt.


Winzeratlas für Wohnmobile

Der in Bergkirchen angesiedelte Dolde-Medien-Verlag legt seit einigen Jahren regelmäßig unter dem Titel Winzeratlas (228 Seiten, 29,90 Euro) einen Stellplatzführer speziell für Weingüter, Kellereien und Genossenschaften vor. Rund 200 Betriebe aus Deutschland, Österreich, Südtirol, Ungarn und dem Elsass werden in der aktuellen Ausgabe 2023 mit Basisinfos aufgeführt, inklusive GPS-Koordinaten und Angeboten, etwa zu Weinen, Gastronomie, Spezialitäten oder Führungen. Auch gut zwei Dutzend Stellplätze in Württemberg sind in dem Din-A5-Band aufgeführt. Neben allgemeinen Infos zur Weinkultur und zu den Anbaugebieten sind auch Tipps für Ausflugsziele enthalten.


Stellplatzkarte und Zusatz-Infos unter www.heilbronnerland.de und www.hohenlohe.de

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