Wie Menschen in der Region Energie sparen
Jeder vierte Haushalt in Deutschland gibt mehr als zehn Prozent seines Einkommens für Energie aus. Das geht aus einer neuen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft hervor. Wie gehen Menschen in der Region mit den Preissteigerungen um?

Jeder vierte Haushalt in Deutschland gibt mehr als zehn Prozent seines Einkommens für Energie aus. Das geht aus einer neuen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft hervor. Demnach sind immer mehr von "Energiearmut" bedroht. Sie geraten in eine finanzielle Schieflage, weil sie sich Tanken, Heizen und Strom nicht mehr leisten können. Wie gehen Menschen in der Region mit den Preissteigerungen um?
Wir haben uns umgehört und insbesondere in den Branchen nachgefragt, die wie die Landwirtschaft energieintensiv sind. Etwas langsamer Auto fahren, die Heizung runterdrehen, sparsamer Kochen: Die Rezepte gegen explodierende Energiepreise sind unterschiedlich, und häufig macht sich Ratlosigkeit breit. Unternehmern bleibt wenig anderes übrig, als steigende Ausgaben auf die Preise ihrer Produkte umzulegen. Das sind schlechte Nachrichten für die von der Teuerung geplagten Verbraucher.
Rentner Kurt Bluhm Neckarsulm

Kurt Bluhm blickt mit großen Sorgen auf die Entwicklung bei den Energiepreisen. "Die Steigerungen übersteigen das, was man einsparen kann", sagt der 78 Jahre alte Neckarsulmer, der sich beim VdK-Ortsverband in seiner Heimatstadt im Vorstand als Kassierer engagiert. Größere Investitionen könne man sich nur leisten, wenn man auch Rücklagen habe. Das hätten aber nur wenige Rentner, sagt Kurt Bluhm.
"Beim Tanken sind die Preissteigerungen groß", erzählt der Neckarsulmer aus seinem Alltag. Um dort die Kosten in den Griff zu bekommen, habe er seinen Fahrstil deutlich geändert. Das Ziel sei, mit maximal sechs Litern auf eine Distanz von 100 Kilometern zu kommen. Zuvor habe sein Durchschnitt zwischen sechs und sieben Litern gelegen. Das schafft er, in dem er nicht schneller als 100 Stundenkilometer fährt. Außerdem zieht er Landstraßen den Autobahnen vor: Damit komme er bei solchen Überlandfahrten auf einen Verbrauch von fünfeinhalb Litern, auf der Autobahn seien es sechs Liter.
Auch Zuhause achtet Kurt Bluhm auf Möglichkeiten, zu sparen. "Licht aus", das mache er jetzt ganz bewusst. Fürs Duschen werde weniger Wasser benötigt. Im Sommer ist die Heizung aus, die Nebenkosten haben sich in der Mietwohnung nicht erhöht. "Das dicke Ende kommt noch", befürchtet er. Die Heizkosten im Haus teilt sich Familie Bluhm mit dem Vermieter, der im Stock darüber wohnt. Alle würden aber darauf achten, nicht übermäßig zu heizen. Bei Kurt Bluhm seien es zwischen 21 und 22 Grad. "Unter 20 Grad wird es unangenehm."
Serina Hirschmann, Mathias Eichler, Annika, Brackenheim-Meimsheim

Die gestiegenen Energiepreise merken Serina Hirschmann und Mathias Eichler vor allem an der höheren Nebenkostenabrechnung. "Es ist schon auffällig, wie die Abschläge seit dem Frühjahr gestiegen sind", sagt Mathias Eichler. Die finanzielle Mehrbelastung kann das Paar zumindest gut abfedern. "Für uns ergeben sich keine Einschränkungen", sagt Eichler. Ein Privileg, dessen sich das Paar vollauf bewusst ist. "Wir sind insofern auf der Sonnenseite, dass wir nicht darüber nachdenken müssen, ob wir die Heizung auslassen oder nicht, und dass wir unseren Alltag weiterleben können, weil wir genug verdienen. Uns ist klar, dass nicht alle Familien in dieser Luxuslage sind", sagt Serina Hirschmann. Mit den höheren Energiekosten habe sich das Bewusstsein der 36-Jährigen, die im Kulturamt der Stadt Güglingen arbeitet, noch einmal verschärft.
Das Paar mit der gemeinsamen 23 Monate alten Tochter ist ohnehin ökologisch sparsam unterwegs. "Wir versuchen, viel mit der Bahn oder dem Rad zu erledigen oder zu verbinden", sagt Mathias Eichler. Die Preissteigerungen empfindet er als einen zusätzlichen Anreiz, das Auto noch öfter stehen zu lassen und so viel wie möglich mit dem Fahrrad zu erledigen. Bei gutem Wetter, von Frühjahr bis Sommer, falle das natürlich leichter, sagt der 36-Jährige. Durch die gestiegenen Energiepreise nehmen sich Serina Hirschmann und Mathias Eichler vor, ihr ökologisches Verhalten noch mehr in ihren Alltag zu integrieren.
Gärtner Steffen Michelfelder Ilsfeld

"Wir sind mit unserem Betrieb abhängig vom Ölpreis. Ganz ohne Heizen wächst eben nichts. Nach dem Setzen brauchen unsere Pflanzen Temperaturen von 14 bis 16 Grad", sagt Steffen Michelfelder. Und genau das bereitet dem Inhaber der Gärtnerei Michelfelder in Ilsfeld-Wüstenhausen angesichts der aktuellen Entwicklung Sorgen. "Das Öl ist derzeit zwei- bis dreimal so teuer wie bisher − und das macht sich für uns nicht nur beim Heizen der Gewächshäuser überdeutlich bemerkbar, sondern auch bei den Ausgaben für Düngemittel und Plastik, für deren Herstellung ja auch Erdöl verwendet wird." Um die rund 4000 Quadratmeter unter Glas im Winter für Geranien und Co. auf die richtige Temperatur zu bringen, braucht er rund 40 000 Liter Heizöl im Jahr.
Das könne man ja immerhin vorlagern. Und so hat er für die diesjährige Saison mehr oder weniger vorgesorgt. "Aber jetzt müssen wir halt schauen, wie wir künftig zuheizen. Etwas können wir ja mit den Temperaturen spielen." Eine Umstellung auf eine andere Energiequelle lohne sich für einen Betrieb dieser Größe dagegen nicht oder sei nicht effektiv, sagt Michelfelder, so reiche beispielsweise eine Wärmepumpe technisch nicht aus. "Ich bin aber gerade dabei, mich mit dem Einsatz von Photovoltaik zu beschäftigen, um wenigstens über diesen Weg etwas Energiekosten einsparen zu können." In diesem Jahr sei er "gerade noch einmal so durchgeschlittert" und musste daher die Endpreise für seine Waren nur moderat anheben. "Ich habe aber große Bedenken, dass Blumen bald zum Luxusprodukt werden."
Student Josias Richter Schwäbisch Hall

Josias Richter studiert an der Hochschule Heilbronn Management und Personalwesen. "Man hört aus dem Freundeskreis immer wieder, dass es bei einigen sehr eng wird im Geldbeutel", sagt der 23-Jährige, der auch Präsident der Studierendenschaft der Hochschule Heilbronn ist. Sparpotenzial sieht der gebürtige Waiblinger vor allem bei den Wohngemeinschaften. "In einer WG sollte man zum Energiesparen sehr viel gemeinschaftlich erledigen. Zum Beispiel das Kochen oder auch die Fahrt zum Supermarkt können in einer Gemeinschaft aus mehreren Personen gleich viel billiger werden." Anschließend sollten die WG-Bewohner die Kosten unter sich aufteilen. Richter empfiehlt auch das klassische Herunterdrehen der Heizung in der kälteren Jahreszeit.
"An den Wochenenden fahren viele Studenten regelmäßig zurück in ihre Heimat. Da kann man die Heizung entsprechend abdrehen, oder die Zimmertemperatur auf 16 Grad herunterregeln." Richter rechnet für den Winter allerdings mit einer Erhöhung der Mietpreise für Studentenwohnheime. "Gerade die Studentenwerke in Deutschland finanzieren sich zu einem großen Teil aus selbsterwirtschafteten Umsätzen. Landeszuschüsse, oder Aufwandserstattungen aus der Auszahlung von Bafög werden vielleicht nicht ausreichen, um für die Studentenwerke die steigenden Energiekosten zu decken", erklärt er. Erschwerend komme noch hinzu, dass während der Pandemie die Mensen oft geschlossen waren. Das habe die Studentenwerke zusätzlich finanziell unter Druck gesetzt.
Landwirt Timo Bentz Kirchardt

"Als Landwirt bin ich es gewohnt, ressourcenschonend und effizient zu arbeiten", sagt Timo Bentz vom gleichnamigen Putenhof in Kirchardt. Energie einzusparen sei für einen tierhaltenden Betrieb aber nicht uneingeschränkt möglich. "Die Küken unserer Puten brauchen eine Mindeswärme." Auch die Zufuhr von Frischluft zähle zum Tierwohl. Dank mehrerer Photovoltaikanlagen, die der Betrieb seit 2010 auf den Ställen und der Maschinenhalle installiert hat, erzeugen die Kirchardter Strom für den Eigenverbrauch und zur Einspeisung. Der Betrieb verfügt zudem über eine Heizanlage, die mit Holzhackschnitzeln arbeitet. "Wir planen, künftig das Stroh und die Spindeln der Maispflanzen, die wir anbauen, in die Anlage einzuspeisen", sagt der 39-Jährige.
"Die Spindeln des Körnermaises hat man früher schon als Heizmaterial verwendet, daran wollen wir anknüpfen." Bentz berichtet von Zielkonflikten zwischen Politik und Landwirtschaft, was das Energiesparen angeht. So konnten die Betriebe bisher mit Hilfe von Glyphosat die Böden in einem Arbeitsdurchgang für die Aussaat vorbereiten. In Zukunft müssten die Bauern den Boden mechanisch von Beikräutern befreien. Das bedeute mehrmalige Überfahrten und damit mehr Dieselverbrauch und stärkere Bodenverdichtung. "Wir fahren seit drei Jahren ein E-Auto und sind sehr zufrieden damit", so Bentz weiter. Beim Versuch, einen elektrischen Kühlbus zur Auslieferung der Fleischwaren anzuschaffen, sei die Familie dagegen an technischen Gründen und am Preis gescheitert.

Konditor Ulf Kretschmer Öhringen
Der aus Öhringen stammende Ulf Kretschmer ist Konditormeister und nicht der Meinung, dass man in seiner Branche nennenswert Energie einsparen kann. "Man muss die Preissteigerungen im Grunde hinnehmen", sagt er. Das Problem liege seiner Ansicht nach an den vielen energiehungrigen Geräten, die zur Aufrechterhaltung der Produktion in einer Bäckerei oder Konditorei zwingend notwendig seien. Hierzu zählen zum Beispiel der Backofen oder die Kühlräume für die verschiedenen Backzutaten und die Getränke. "Man kann natürlich nicht einfach mit dem Backen und dem Kühlen der Lebensmittel aufhören."
Eine effizientere Tagesnutzung des Ofens sieht er als einzige Möglichkeit, Energie einzusparen. "Es wäre möglich, die Produktionsauslastung eines Bäckereiofens zu verbessern, indem man mehrere Produkte gleichzeitig bearbeitet", erklärt er dazu. Im Herbst möchte Kretschmer eine neue Konditorei und Schokolaterie in der Öhringer Marktstraße eröffnen, die den Namen "Nussknacker 1964" erhalten soll. Momentan steckt der 51-Jährige mitten in den notwendigen Umbauarbeiten.
Zuvor leitete Kretschmer für sieben Jahre das ehemalige Schlosscafé "Nussknacker" am Öhringer Marktplatz. Auch für sein neues Geschäft ist es Kretschmer nicht möglich, auf alternative Energiequellen auszuweichen. Viele in seinem Handwerk seien gezwungen, die gestiegenen Energiekosten in die Preise ihrer Produkte mit einfließen zu lassen. Noch schlimmer würde es eventuell diejenigen treffen, die ihren Backofen mit Gas betreiben.

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