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Wie klimafreundlich sind Online-Handel und Shopping-Tour im Vergleich?

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Eine Bestellung im Netz muss kein Klimakiller sein. Laut Umweltbundesamt punktet sie, wenn das Lieferfahrzeug gut ausgelastet ist. Doch die deutschen Einzelhändler stehen beim Klimaschutz gut da. Was ist nachhaltiger?

Der Einzelhandel musste vergangene Woche zum zweiten Mal im Corona-Jahr schließen. Gleichzeitig wuchs die Zahl der Online-Bestellungen und der Pakete auf ein ungekanntes Maß an: Schon vor dem Weihnachtsgeschäft stellte die Deutsche Post DHL 1,6 Milliarden Pakete zu, mehr als im gesamten Jahr 2019. Geht damit auch eine verheerende CO2-Bilanz einher?

Dieser Frage geht das Umweltbundesamt in einer Studie nach und hat nun erste Zahlen veröffentlicht. Dabei wurden unterschiedliche Einkaufsvarianten verglichen. Das Ergebnis: Wer mit dem Auto fünf Kilometer in die Stadt fährt, verursacht zwischen 600 und 1100 Gramm CO2-Äquivalente. Bei einer Einkaufsfahrt von 15 Kilometern sind es sogar 1800 bis 3300 Gramm.

Wer die fünf Kilometer mit dem Bus zurücklegt, kommt auf 400 Gramm, wer die Stadtbahn nimmt, erreicht nur 290 Gramm. Die Internet-Bestellung schneidet am besten ab: Für sie verbucht das Umweltbundesamt auf der letzten Meile zwischen 150 und 270 Gramm. Gründe seien effiziente Lieferrouten, eine gute Auslastung der Lieferwagen und der zunehmende Anteil von Elektrofahrzeugen.

Letzte Meile fällt unterschiedlich stark ins Gewicht

Die Werte schwanken, weil die sogenannte letzte Meile, vom Zielpaketzentrum zum Kunden, sehr unterschiedlich zu Buche schlagen kann. In den zurate gezogenen Studien beträgt ihr Anteil an den Gesamtemissionen zwischen 14 und 60 Prozent, je nachdem, ob die Ware vorher per Containerschiff oder mit dem Lkw transportiert wurde.

Die Beurteilung sei damit von vielen Faktoren abhängig, mahnen die Autoren. Wer ein verbrauchsarmes Fahrzeug oder Bus und Bahn nutzt und seinen Einkauf mit dem Weg zur Arbeit oder anderen Wegstrecken verbindet, könne die schlechte Klimabilanz verbessern. Andersherum würden unnötige Verpackungen, der getrennte Versand mehrerer Pakete aus einer Bestellung und Retouren die Emissionen von Internet-Bestellungen deutlich verschlechtern.

Osiander liefert in der Heilbronner Innenstadt per Fahrradkurier

Wie es anders geht, zeigt die Tübinger Osiander-Buchhandlung, die zwei Filialen in Heilbronn und eine in Eppingen betreibt. Im kleinen Maßstab liefert sie ihre Bücher klimaneutral aus: In der Heilbronner Innenstadt werden alle Bestellungen von Privatkunden per Fahrradkurier ausgefahren.

Normalerweise sind zwei Fahrer im Einsatz, derzeit sei es nur einer, berichtet Benjamin Carozzi, Leiter des Osiander-Kundencenters. "In den belieferten Gebieten gehen 100 Prozent der Bestellungen an die Fahrradkuriere." Ausnahme seien Großbestellungen, etwa für Büchereien.

Jede fünfte Buchbestellung kommt per Fahrrad

Je nach Verfügbarkeit würden auch die Stadtteile Neckargartach, Kirchhausen, Frankenbach und Biberach sowie Böckingen beliefert. Die Bücher werden direkt in der Filiale an die Kuriere übergeben und bei jedem Wetter ausgeliefert. "Bei der Jahreszeit machen wir überhaupt keine Unterschiede", sagt Carozzi.

Gestartet ist der Dienst 2006 in Reutlingen, im vergangenen Jahr wurde jede fünfte Sendung per Fahrradkurier ausgeliefert. Lörrach und Rottenburg sollen als nächstes zu den zwölf Städten stoßen, in denen der Service angeboten wird.

Einzelhandel hat seine Emissionen mehr als halbiert

Auch insgesamt steht der Einzelhandel beim Klimaschutz gut da. Laut Bundesumweltministerium hat der Sektor Gewerbe, Handel und Dienstleistungen seine Treibhausgas-Emissionen bis 2018 mehr als halbiert und liegt mit 31,9 Millionen Tonnen etwa 51,1 Prozent unter dem Niveau von 1990. Nur die chemische Industrie und der Abfallsektor haben ihren Ausstoß stärker gesenkt. Zum Vergleich: Der US-Konzern Amazon beziffert seine CO2-Bilanz weltweit auf 51,2 Millionen Tonnen.

Wieso sollten Einzelhändler sich dann überhaupt um klimafreundliches Handeln bemühen? Das weiß Jelena Nikolic, die beim Handelsverband Deutschland (HDE) das Projekt "Klimaschutzoffensive" leitet. "Bis zu 20 Prozent Energieeinsparung sind schon mit kleinen Handgriffen möglich", erklärt die gebürtige Heilbronnerin. Am meisten ließe sich bei der Elektronik einsparen.

Wechsel zu LED-Beleuchtung lohnt sich schnell

So sei es hilfreich, wenn Kühl- und Heizanlagen regelmäßig gewartet werden oder die Beleuchtung erst kurz vor Ladenöffnung eingeschaltet werde. Wer auf LED umsteigen möchte, findet dazu einen Investitionsrechner auf der Website des Verbandes. "Ein Wechsel zu einer LED-Beleuchtung hat sich in ein bis zwei Jahren oft amortisiert", berichtet Nikolic. Außerdem könne es helfen, Geräte in den Standy-Modus zu schicken oder auszuschalten.

Viele Händler könnten das Tageslicht besser für ihren Verkaufsraum nutzen, statt ihn zu beleuchten, erklärt Nikolic. Noch größere Einsparungen seien durch energetische Sanierungen möglich.

Stationärer Handel hat soziale Funktion

Oft würden Händler bei Informationsveranstaltungen des HDE berichten, dass sie durch solche Maßnahmen viel Geld gespart haben. "Das zeigt: Klimaschutz lohnt sich wirtschaftlich. Das ist eine Erzählweise, die bei anderen Händlern gut ankommt", so Nikolic. Nur hätten große Unternehmen wie die Schwarz-Gruppe oder Aldi dafür eigene Fachleute, mittelständische Betriebe seien auf Expertenwissen von außen angewiesen. "Wir versuchen, für diese Händler praxisnahe Informationen anzubieten."

Kunden würden zunehmend erwarten, dass Unternehmen sich klimafreundlich verhalten. Der Handel könne diese Aufgabe nicht alleine erfüllen, es brauche die Zusammenarbeit mit Städten, Gastronomie und Kulturvertretern. "Der stationäre Handel hat auch eine soziale Funktion, Geschäfte sind Orte der Begegnung. Eine Verödung der Innenstädte ist in Niemandes Interesse."

 

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