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Wie eine 13 Jahre alte DSL-Kooperation den Ausbau von schnellerem Internet in Heilbronn behindert

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Vodafone und die Deutsche Telekom wollten 2008 gemeinsam neue Wege gehen, um die Internet-Abdeckung in der Stadt zu verbessern. Dann kam es zum Stillstand.

Wer in Heilbronn wohnt und über die Telefonleitung seinen Weg ins Internet findet, für den sind Geschwindigkeiten von mehr als 50 Mbit/s oft nur über Umwege möglich. Bekannt ist diese Problematik bereits länger, davon zeugen zahlreiche frustrierte Einträge in Service-Foren der Telekom. Doch wer etwa während der Pandemie zeitgleich mit mehreren Familienmitgliedern im Homeoffice lernen, arbeiten oder konferieren möchte, für den wird es bei Geschwindigkeiten um 50 Mbit/s eng.

Ursache für die verfahrene Lage ist ein 13 Jahre alter Kooperationsvertrag, den die Stadt Heilbronn „auch rückblickend“ als „positiv bewertet“. Man sehe sich gerade wegen dieser Kooperation „heute bereits vergleichsweise gut aufgestellt“.


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Pilotprojekt soll den Breitbandausbau vorantreiben

Eigentlich klang es bereits damals zu gut, um wahr zu sein: Zwei rivalisierende Telekommunikationsschwergewichte wollten zum Wohle der Verbraucher zusammenarbeiten. Die Deutsche Telekom und Vodafone hatten 2008 eine vermeintlich wegweisende Kooperation vereinbart: Im Rahmen zweier Pilotprojekte wollten die Konkurrenten in Heilbronn und Würzburg den Breitband-Ausbau vorantreiben und Infrastruktur gemeinsam nutzen. Schächte wurden ausgehoben, Kabelstränge verlegt, Technik installiert. Doch 13 Jahre später ist die Situation festgefahren und aus den Kooperationspartnern sind wieder Rivalen geworden.

Beim Heilbronner Pilotprojekt war 2008 beschlossen worden, dass Vodafone den Netzausbau koordinieren und die Telekom als Mitnutzer fungieren sollte. Über Kupferkabel und Telefonleitungen wurden entsprechende Anschlüsse eingerichtet. Mit fortschreitender Entwicklung der Technik gab es bald die Hoffnung, die vorhandenen Kupferkabel dahingehend zu optimieren, dass sie auch höhere Datenübertragungsraten möglich machen können (Vectoring). Beim Vectoring kann die vorhandene Technik nur von einem Anbieter umgerüstet werden. Was normalerweise kaum Probleme bereitet, hat sich in der Pilotprojekt-Stadt Heilbronn inzwischen jedoch zu einem ebensolchen entwickelt.

Vodafone setzt zukünftig verstärkt auf sein Kabelnetz

Denn einer der beiden Kooperationspartner müsste zurückstecken und die Umrüstung durch den jeweils anderen freigeben. Obwohl in den grauen Schaltschränken am Straßenrand Technik beider Anbieter verbaut worden ist, müssten sich die Parteien einigen, wer das Netz übernimmt und betreibt. Der Betreiber wäre nach einer Umrüstung zudem verpflichtet, auch anderen Unternehmen Zugang zu seinen Anschlüssen zu gewähren - um Monopolisierungseffekte zu verhindern, wie die Bundesnetzagentur mitteilt.

„Bei der Kooperation war Vodafone damals federführend. Insofern liegt die Initiative zu einer Änderung des Status quo für die gemeinsam genutzten Verteilerkästen beim federführenden Akteur“, erklärt ein Sprecher der Deutschen Telekom AG. Dort, wo Vectoring technisch möglich sei, habe man es ausgebaut. Auch die Stadt bestätigt entsprechende Umrüstungen. Vodafone wird als Koordinator des Heilbronner Netzes den Vectoring-Prozess nicht mehr mit aller Kraft vorantreiben. „Ein weiterer Ausbau unseres DSL-Netzes oder Aufrüstung auf Super-Vectoring ist derzeit nicht geplant“, teilt ein Vodafone-Sprecher mit und verweist auf das vorhandene Kabelnetz. Beim Kabelnetz ist das Unternehmen von den Verzweigungsstellen unabhängig und nutzt die im Wohnhaus vorhandene Kabeldose, um einen Internetzugang zu ermöglichen. Damit umgeht der Konzern eine Einigung mit dem ehemaligen Kooperationspartner, vermeidet Investitionen in teilweise überholte Technik und spart zugleich Kosten.

Bundesnetzagentur sieht keine Eingriffsmöglichkeiten

Den gordischen Knoten lockern könnte der Ausbau des Glasfasernetzes, der in Kirchhausen und Biberach bereits durch die Zeag vorangetrieben wurde. Die Stadt möchte in Zusammenarbeit mit der NetCom BW GmbH die übrigen unterversorgten Gebiete, die momentan über weniger als 30 Mbit/s verfügen, bis Mitte nächsten Jahres mit Glasfaserverbindungen erschließen. „Wir wollen in den nächsten zwölf Monaten rund 30 Kilometer Glasfaserkabel verlegen“, bestätigt zudem Vodafones Chef vom Dienst, Volker Petendorf. Auch bei der Regulierungsbehörde in Bonn weiß man vom Heilbronner Kooperationsvertrag, aber „ein regulatorischer Eingriff ist seitens der Bundesnetzagentur nicht möglich“, betont ein Sprecher der Behörde und verweist auf die erforderliche Einigung zwischen Vodafone und der Deutschen Telekom.

 

Geschwindigkeit und Netzabdeckung

Die Geschwindigkeit einer Internetverbindung richtet sich nach der Schnelligkeit der Datenübermittlung und wird in Megabit pro Sekunde (Mbit/s) angegeben. Je höher der Wert, desto mehr Daten können pro Sekunde übermittelt werden und desto schneller ist die Verbindung. 50 Mbit/s gelten als Voraussetzung für Online-Spiele und die flüssige Wiedergabe von Full-HD-Videos.

Der Breitband-Atlas des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur bietet eine grafische Übersicht über verfügbare Geschwindigkeiten und Techniken für die digitale Datenübertragung: www.bmvi.de/goto?id= 289136. Mannheim und Göppingen sind mit Blick auf die Netzabdeckung zwei Positiv-Beispiele im Land.

Beim Heilbronner Parallelprojekt in Würzburg waren die Rollen vertauscht: Dort koordinierte die Telekom den Netzausbau, während Vodafone als Mitnutzer agierte. Wie sich die Situation dort inzwischen darstellt, könne man zeitnah nicht beantworten, hieß es aus der Pressestelle der Stadt. Die Telekom plant nach eigener Auskunft aber einen großflächigen „Highspeed-Ausbau“.

In Heilbronn sind solche Ausbaustufen ebenfalls geplant: In Sontheim (zwischen Lauffener Straße und Herrmann-Wolf-Straße), in der Kernstadt (zwischen Happelstraße und Schmollerstraße), in Böckingen (zwischen Hans-Sachs-Straße und der SLK-Klinik am Gesundbrunnen) sowie im Neckarbogen könnte in Zukunft mit Glasfasergeschwindigkeit gesurft werden.

 

 

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