Wie Dänemark ein riesiges Netz aus Schnellradwegen baut
Erst im Jahr 2028 soll der erste Radschnellweg in der Region zwischen Bad Wimpfen und Heilbronn fertig sein. Doch wie machen es eigentlich die Dänen, deren Radnetz rund um die Hauptstadt Kopenhagen als vorbildlich gilt? Wir haben nachgefragt.
Beim Klimaschutz im Verkehrssektor hat Baden-Württemberg große Ziele: Bis 2030 soll jeder fünfte Weg zur Arbeit oder in der Freizeit mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Damit das funktioniert, sollen im ganzen Land extrabreite Radschnellwege entstehen. Auch zwischen Heilbronn und Bad Wimpfen ist ein solcher Schnellweg geplant, allerdings wird dieser wohl erst 2028 fertig sein.
Im Fahrradland Dänemark ist man da schon weiter. Acht Radschnellwege mit einer Länge von 168 Kilometern hat das Königreich seit 2011 rund um die Hauptstadt Kopenhagen geschaffen. Weitere sechs Schnellwege für Radfahrer sollen in den nächsten zwei Jahren fertig werden. Und bis 2045 soll das Netz aus 60 Routen von 850 Kilometern Länge bestehen.
Radwege bauen ist wie puzzeln
Wer mal rund um Kopenhagen unterwegs war, weiß: Die breiten Rad-Highways kommen gut an. Junge und alte Menschen sind dort gleichermaßen unterwegs, mit Rennrädern genauso wie mit Lastenrädern. Jeder kann sein eigenes Tempo wählen, da überholen gefahrlos möglich ist. Geradelt wird bei jedem Wetter, rund ums Jahr.
Die Pläne für die Super-Radwege (dänisch: Supercykelstier) landen auf dem Schreibtisch von Sidsel Birk Hjuler. Sie leitet das Büro, das den Ausbau der Radrouten koordiniert. "Wenn wir Radschnellwege ausbauen, ist das immer wie ein Puzzle", erklärt sie.

Denn während Straßen und Schienen geradewegs durch die Landschaft gebaut werden, müssen Fahrradwege in die bereits existierende Infrastruktur integriert werden. "Radwege führen durch die Städte und an den Straßen entlang. Wir schauen uns an, welche Infrastruktur es schon gibt, wo wir erweitern können, wo wir neu bauen müssen und wo es eine Brücke oder einen Tunnel braucht", erklärt Birk Hjuler.
Wenn man Land kaufen muss, dauert der Bau eines Radwegs lange
Dabei muss sie zwischen dem Staat und den 30 beteiligten Kommunen rund um die Hauptstadt vermitteln. Denn letztlich bauen die Kommunen ihren Teil des Schnellradwegs selbst. "Das macht es etwas heikel. Die Kommunen können jederzeit einen Rückzieher machen. Aber sie sind gewillt, für eine nachhaltige Fortbewegung zu sorgen."
Laut Birk Hjuler dauert es bis zu sieben Jahre von der Idee bis zum fertigen Radschnellweg. Je nachdem, ob bereits Infrastruktur vorhanden ist, kann es auch schneller gehen. Denn zur Wahrheit gehört, dass die Radwege rund um Kopenhagen bereits gut ausgebaut sind. Deshalb wurde auch keiner der Schnellwege komplett neu aus dem Boden gestampft. "Wenn man Land aufkaufen muss, dauert das verdammt lange."
Daten über das Radfahren sind in Dänemark unverzichtbar
Probleme bereitet oft auch die Diskussion, ob man einen Rad-Highway durch eine kleinere Stadt oder drumherum baut. "Diese Entscheidung ist oft sehr schwierig", sagt Birk Hjuler. Denn einerseits wollen die Kleinstädte von dem Radweg profitieren, wenn sie ihn schon bezahlen. Andererseits sei es kniffelig, die extrabreiten Asphaltstreifen durch kopfsteingepflasterte Stadtmitten zu bauen.
Bei der Argumentation helfen Sidsel Birk Hjuler und ihren vier Planer-Kollegen vor allem Daten. Überall, wo viel Rad gefahren wird, erheben die Dänen dazu Daten. Noch wichtiger sei das, nachdem ein Schnellweg fertig ist. "Diese Daten sind unabdingbar für unsere Arbeit. Sonst könnten wir niemandem sagen: Schau, da hat sich der Anteil der Radfahrer deutlich gesteigert."
Rad-Schnellwege erhöhen den Anteil von Radfahrern um 23 Prozent
Denn das ist das Ergebnis der Super-Radschnellwege: Überall, wo bereits existierende Strecken auf diese Kategorie ausgebaut wurden, hat sich der Anteil der Radfahrer um 23 Prozent erhöht. "14 Prozent der neuen Radfahrer waren vorher mit dem Auto unterwegs", rechnet die Expertin vor.

Wenn das Netz aus Rad-Schnellwegen fertig ausgebaut ist, sollen im Vergleich zu heute jedes Jahr sechs Millionen Wege mehr zur Arbeit oder in der Freizeit auf dem Rad zurückgelegt werden, eine Millionen davon wären eigentlich Autofahrten gewesen. So sollen 1500 Tonnen CO2 jährlich eingespart werden.
Radfahren reduziert Krankheitstage und nutzt damit der Gesellschaft
Abseits davon werten die Dänen aus, welchen volkswirtschaftlichen Nutzen Investitionen in Radwege einbringen. Die Rechnung geht so: Wer viel und lange Strecken mit dem Rad fährt, hält sich fit und trainiert das Immunsystem. Dadurch werden Krankheitstage reduziert, wovon die Wirtschaft profitiert und weniger Kosten für die Behandlung von Krankheiten anfallen. Diesen gesamtgesellschaftlichen Nutzen beziffert eine Analyse des Büros auf ein Plus von 615 Millionen Euro.
Aber was muss der Staat dafür ausgeben? Das variiere je nachdem, wie viel Infrastruktur vorhanden ist, sagt Birk Hjuler. Generell kalkuliere sie mit umgerechnet rund 537.000 Euro pro Kilometer Radweg. In der Regel würden sich Staat und Kommune diese Kosten teilen.
Den besten Schutz bieten baulich getrennte Radwege
Wie man außerhalb Dänemarks gute Radwege baut, weiß Lorenz Siegel, Projektleiter bei Copenhagenize Design Co. Das Unternehmen berät Städte und Gemeinden beim Thema Radverkehr. "Der beste Radweg ist der, der einfach und für jeden verständlich ist", sagt Siegel. Zu oft gebe es eine bunte Mischung aus Fahrradstraßen, Schutzstreifen, Haupt- und Nebenrouten.
Deshalb hat das Unternehmen eine Art Design-Handbuch entwickelt, in der nur vier Arten von Radwegen vorkommen. "Den besten Schutz bieten Radwege, die von der Straße komplett baulich getrennt sind, zum Beispiel durch einen Grünstreifen", erklärt Siegel. Da dafür viel Platz benötigt wird, böten sich Schneisen an, in denen Straßen liegen.
Schutzstreifen und Fahrradstraßen bieten den geringsten Schutz
Wo weniger Platz ist, seien Radwege, die mit einem Bordstein von der Straße abgetrennt sind, das beste Mittel. "Das ist günstiger umzusetzen und erlaubt hohe Geschwindigkeiten auch bei starkem Verkehrsaufkommen." Die nächstniedrigere Stufe seien aufgemalte Radstreifen. Bei diesen empfiehlt das Unternehmen jedoch, sie rechts von Autoparkplätzen zu platzieren, damit Unfälle durch aufgestoßene Autotüren vermieden werden.

Die niedrigste Kategorie sind für Lorenz Siegel Straßen, die sich Radfahrer und Autofahrer teilen. "Das geht aber nur mit verkehrsberuhigenden Maßnahmen wie Bremsschwellen, um Autofahrern klarzumachen, dass sie hier nur zu Gast sind."
Warum Radwege Teil eines Netzwerks sein sollten
In Hamburg war das Unternehmen an der Planung eines Radschnellweg-Netzes beteiligt. Bis das fertig ist, dauert es allerdings noch ein paar Jahre. Mit den extrabreiten Wegen erreiche man Menschen, die sonst nicht auf das Rad umsteigen würden, betont Siegel. "Ich muss für Menschen planen, die noch zögern, aufs Rad umzusteigen."
Wenn die Infrastruktur gut ist, werden zudem längere Distanzen auf dem Rad zurückgelegt, wie Daten aus Dänemark zeigen. "Die Leute wollen einfach nur nach Hause. Wenn das mit dem Auto schneller geht, wird eben Auto gefahren."
Es sei wichtig, Radwege als Teil eines Netzwerks auszubauen, sagt Siegel. Dieses Netzwerk müsse idealerweise eine gesamte Metropolregion umfassen und neben der Stadt auch Gemeinden im Umland vernetzen, etwa wenn dort wichtige Unternehmen sitzen. "Ziel sollte ein relativ lückenloses Netzwerk sein, das nicht einfach irgendwo aufhört. Nur dann kann ich den Menschen das Radfahren als Alternative zum Auto verkaufen."