Wenn quengelnde Kinder ihre Eltern in den Wahnsinn treiben
Wir haben ein genaues Bild davon, wie Kinder aufwachsen sollen. Deshalb wollen Eltern bei der Erziehung alles richtig machen. Doch was, wenn sie an ihre Grenzen kommen? Diplom-Sozialpädagogin Birgit Bunse-Weber vom Diakonischen Werk Heilbronn gibt Tipps.

Es gebe ein Idealbild davon, wie Kinder aufwachsen sollen, sagt Birgit Bunse-Weber vom Diakonischen Werk Heilbronn. Gewalt in der Erziehung ist für viele Menschen tabu. Was, wenn sie dennoch passiert?
Kinder können Eltern in den Wahnsinn treiben.
Birgit Bunse-Weber: Kinder haben ein Händchen dafür, Eltern an ihre Grenzen zu bringen. Ich stelle fest, dass es heute ein Idealbild von Eltern gibt. Es gibt unzählige Bücher dazu. Wir haben ein genaues Bild davon, wie ein Kind aufwachsen soll. Viele Eltern wollen alles richtig machen. Das Leben ist aber nie perfekt. Dies führt zu Frustrationen. In Eltern- oder Krabbelgruppen können sie sich zwanglos austauschen. Es hilft zu sehen, dass es anderen ähnlich geht.
Sie haben häufig mit schwierigeren Fällen zu tun.
Bunse-Weber: Wir werden von Jugendämtern beauftragt, in Familien zu gehen, die Probleme haben. Diese lesen selten Erziehungsratgeber. Oft haben sie selbst Gewalt in der Erziehung erfahren und es nicht anders gelernt. Wir haben es aber auch mit Familien zu tun, die reflektiert sind und sich fragen, was da passiert. Es hilft, sich bewusst zu machen: In welcher Situation komme ich an meine Grenze? Wie merke ich, dass die Lage mit meinem Kind zu eskalieren droht? Welche Ausstiegsmöglichkeiten gibt es für mich?
Welche Ausstiegsmöglichkeiten meinen Sie?
Bunse-Weber: Die Situation deeskalieren: Ich kann aus dem Raum gehen, oder ich sage dem Kind, es soll das Zimmer verlassen. Man kann sich selbst in die Handfläche zwicken. Eltern können sich an eine Vertrauensperson oder an die Beratungsstellen für Erziehungshilfen wenden. Es ist keine Schande, sich bei Überforderung fachliche Hilfe zu holen. Ich habe großen Respekt vor diesen Eltern.
Zur Person
Birgit Bunse-Weber ist 58 Jahre alt und Diplom- Sozialpädagogin sowie systemische Familientherapeutin von Beruf. Beim Diakonischen Werk für die Stadt und den Landkreis Heilbronn ist sie Abteilungsleiterin der Ambulanten Erzieherischen Hilfen und der Schulsozialarbeit.
Ein Klaps auf den Po schadet nicht, oder doch?
Bunse-Weber: Ein Klaps auf den Po kann leider vorkommen. Wichtig ist, sich zu fragen, wie man es das nächste Mal besser machen kann. Körperliche und seelische Gewalt gegen Kinder sind in Deutschland gesetzlich verboten. Kinder lernen aus eigenen Erfahrungen. Die Gefahr ist groß, dass sie das Verhalten ihrer Eltern an ihre eigenen Kinder weitergeben.
Was können Eltern tun, wenn das Kind quengelt?
Bunse-Weber: Wenn beispielsweise ein Säugling nicht schlafen kann, unruhig ist, dann kann ich ihn fest in den Arm nehmen oder wickle ihn in ein Tuch. So begrenze ich ihn und gebe ihm ein Gefühl der Sicherheit. Wenn ich meinem Partner sage, ich liebe dich, stelle ich mich ja auch nicht zwei Meter weit weg von ihm, sondern nehme ihn in den Arm. Wenn Kinder quengeln und kein Ende finden, möchten sie Aufmerksamkeit und ganz oft Grenzsetzungen. Grenzen sind wichtig, um das Kind zu schützen und um ihm zu zeigen, "du bist mir wichtig, ich nehme dich wahr".
Was tun, wenn das Kind nicht hören will?
Bunse-Weber: Kinder, die zum Beispiel ins Spiel vertieft sind, können sich schlecht lösen. Oft hilft das Zählen auf drei. Eins, zwei, drei. Dann haben die Kinder einen Zeitraum, in dem sie selbst bestimmen können. Natürlich muss anschließend eine Konsequenz folgen, wenn das Kind nicht reagiert. Oder man kann an der Supermarktkasse sagen, ich habe dir eine Brezel gekauft, das reicht. Sie sollten keine Angst vor den umstehenden Kunden haben. Sie leben mit ihren Kindern und sie müssen mit ihnen die Regeln aushandeln.