Wenn manche Stühle einfach leer bleiben
In der beruflichen Ausbildung sind während der Corona-Pandemie die Zahlen in einigen Bereichen zurückgegangen, in anderen nicht. Schulleiter fordert neues Verständnis von Bildung.

Es sind zum Teil große Umbrüche, die sich derzeit in den Berufsschulen in Stadt und Landkreis Heilbronn ankündigen. Die Peter-Bruckmann-Schule verzeichnete zuletzt bei der beruflichen Ausbildung vor allem im Berufsfeld Ernährung und Hauswirtschaft einen spürbaren Rückgang von 20 Prozent bei den Berufsanfängern im Vergleich zum Schuljahr 2019/20. Damit liege man im Landestrend, so Schulleiter Christoph Franz. "Die Gründe liegen für unsere Schule in Pandemie-Problemen des Hotel- und Gaststättengewerbes (HOGA), einer teils geringere Ausbildungsbereitschaft der Betriebe und der Ungewissheit, welche Betriebe die Pandemie überleben werden."
Rückgang bei Berufsanfängern
Die berufliche Ausbildung im Nahrungsbereich, vor allem die an der PBS landesweite Beschulung der Fachkräfte für Lebensmitteltechnik, ging ebenfalls deutlich zurück. Waren es vor der Pandemie noch fast 90 Berufsanfänger, schrumpfte die Zahl im September 2021/22 auf knapp über 60. Auch im Bereich der Bäcker und der Fachverkäufer Bäckerei gab es Rückgänge. Die Ursachen lagen laut Christoph Franz in den coronabedingt mangelnden Praktika der Absolventen von allgemeinbildenden Schulen in den Unternehmen.
"Die Schnittstelle zwischen Zulieferschule und Betrieb war während Corona nicht vorhanden, und den Abschlussjahrgängen fehlte das Kennenlernen der Nahrungsberufe in der Praxis. Somit konnte auch keine Interesse für diese Berufe geweckt werden", so der PBS-Schulleiter. Im Gegensatz zu anderen Berufsschulen im Land habe es im Bereich der Pflege an der PBS keinen Rückgang der Bewerberzahlen gegeben. Die Berufsschulen müssen sich demnach ständig den sich verändernden Bedingungen anpassen.
Keine Auswirkungen bei Gärtnern
An der Christiane-Herzog-Schule in Heilbronn-Böckingen sieht Schulleiter Klaus Ulbrich im dualen Bereich bei den Gärtnerberufen keine Auswirkungen. Dagegen verzeichnet die Schule Rückgänge der Ausbildungszahlen bei den Winzern und Weintechnologen. "Hier gehen wir von mittel- bis unmittelbaren Auswirkungen durch Corona aus, da die Absatzzahlen bei Wein unmittelbar mit der Gastronomie in Verbindung stehen." Ob und wann sich die Zahlen erholen, lasse sich kaum abschätzen.
Ulbrich weist darauf hin, dass die beruflichen Schulen keinen Einfluss auf die Zahl der dualen Schüler haben. Diese werde durch die Zahl der Ausbildungsverhältnisse bestimmt.
Dieter Arweiler leitet die Andreas-Schneider-Schule in Heilbronn-Böckingen. Er stellt fest, dass sich die Schülerzahlen in der Pandemie geringfügig in Richtung Vollzeitschulen entwickelt haben. Berufliche Schulen mit einem starken Vollzeitangebot und kleiner Berufsschule hätten davon kurzfristig profitiert. "Der Trend zu einem Rückgang in der dualen Ausbildung hat sich aber auch schon vor der Pandemie gezeigt, in manchen Berufen in Handwerk und Gewerbe sogar sehr deutlich." Die Schülerschaft sieht Dieter Arweiler gut gerüstet für die Zukunft: "Diese Generation überzeugt mit einer deutlich besseren Resilienz und einer guten digitalen Kompetenz im Vergleich zu ihren Vorgängern."
Dieter Thumm, Leiter der Maybachschule Heilbronn, wirft den Blick auf ein Problem: "Leider sind viele Praktika in Betrieben, die im Rahmen der Berufsorientierung in den Haupt- und Werkrealschulen, der Gemeinschaftsschule, den Realschulen und den Gymnasien stattfinden, während der Pandemie entfallen." Dadurch fehle vielen Schülern der spannende Einblick in die betriebliche Realität und damit auch die Idee, mit einer dualen Berufsausbildung durchzustarten. Dies werde sich für den Produktions- und Dienstleistungsstandort Deutschland mittelfristig als größeres Problem darstellen.
Dynamischen Schub nutzen
Christoph Franz sieht die Herausforderungen differenziert: "Die große Aufgabe für Schulen nach der Pandemie wird es sein, den coronabedingten dynamischen Schub in der Digitalisierung der Schulen weiterzuführen." Die Ausstattung der Schulen mit entsprechenden Geräten, Netzwerkstruktur, Software und IT-Support sei die Grundvoraussetzung, um weltweit mithalten zu können. Immerhin sei man in Deutschland von einigen Ländern (Fernost, Skandinavien) überholt worden. Wenn jeder Schüler am ersten Schultag sein digitales Endgerät bekomme, habe man den ersten Schritt getan. Entscheidender sei allerdings etwas anderes: "Der größere zweite Schritt muss ein anderes Verständnis von Bildung sein. Weg von der starken Konzentration auf die Wissensvermittlung und eine Konzentrierung auf deutlich weniger, wesentliche Lerninhalte." Der Schulleiter fordert: "Die Bildungspläne müssen radikal entrümpelt werden." Schüler sollten stärker auf vorhandenes Wissen zugreifen und dieses verstehen und anwenden. Die Schule müsse dafür Werkzeuge und Methoden vermitteln, "damit junge Menschen dem dynamischen Wandel der nächsten Jahrzehnte gewachsen sind".
Corona habe gezeigt, wie schnell man sich auf die digitale Welt einstellen könne. Es sei den Schulen aber auch vor Augen geführt worden, wo es noch Nachholbedarf gibt. Einen Nachteil durch die geringere Wissensvermittlung in der Pandemie stellt Christoph Franz nicht. "Dem fehlenden Wissen während Corona steht der Zuwachs an Methoden- und Medienkompetenz gegenüber. Corona hat daher auch gezeigt, was im Bildungssektor der Zukunft erforderlich ist."
Klaus Ulbrich sieht Fortschritte vor allem in einem Bereich: "Für die Digitalisierung der Bildung war Corona ein Impulsgeber, der Investitionen ermöglichte, wie sie in den zehn Jahren zuvor nicht annähernd umsetzbar waren." Die technische Ausstattung der Schulen sei sowohl materiell als auch zeitlich enorm vorangetrieben worden. Die Anbindung ans Netz sei revolutioniert, die Netzwerkstruktur und die Zahl der Endgeräte sehr schnell und effektiv vorangebracht worden. Dies habe die Schule beim Fernunterricht seit dem Jahr 2020 enorm unterstützt.