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Wenn kein Geld fürs Übungsheft bleibt

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Der Schulbesuch ist unentgeltlich in Baden-Württemberg, genau wie Bücher und Arbeitshefte. Mancherorts werden Eltern trotzdem zur Kasse gebeten und fühlen sich unter Druck: Wenn sie nicht zahlen, fürchten sie, stigmatisiert zu werden.

 Foto: Bits and Splits/stock.adobe.com

Mütter oder Väter kennen das Szenario von den Elternabenden an den Schulen ihrer Kinder. Geld einsammeln, für zusätzliches Lernmaterial etwa, gehört bei vielen solcher Veranstaltungen genauso dazu wie das Sitzen auf zu kleinen Stühlen.

In Heilbronn ist das Schulbudget vor allem auf Lehr- und Lernmittel ausgelegt

Diese Handhabe hatte der Heilbronner Gesamtelternbeirat (GEB) in der Gemeinderatssitzung vor den Sommerferien angeprangert und eine Erhöhung des Schulbudgets gefordert. Zuvor hatte der Beirat Budgets der Schulen einiger Landkreis-Kommunen mit denen der Neckarstadt verglichen. Fazit: Heilbronn liegt abgeschlagen auf dem letzten Platz.


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Karin Schüttler, Leiterin des Heilbronner Schul-, Kultur- und Sportamts, bezeichnet die Zahlen zwar als "mathematisch korrekt". Gleichzeitig warnt sie: "Wir können hier nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Es kommt immer darauf an, was im Budget enthalten ist, was die Schule selbst entscheiden kann und was der Schulträger." In Heilbronn sei das Geld, das der Schule zugeteilt ist, schwerpunktmäßig nur auf Lehr- und Lernmittel ausgelegt.

Bittbriefe der Lehrer, damit Eltern etwa Arbeitshefte bezahlen, sind seitens des Schulamts nicht erwünscht. Darauf hat sie selbst in einem Schreiben hingewiesen. "Ich gehe jedem dieser Briefe nach, wenn ich einen zugeschickt bekomme, und rufe auch bei den Schulen an." Das Schulamt nehme die Signale des Gesamtelternbeirats ernst. "Wir haben in diesem Kalenderjahr die Schulbudgets erhöht, je nach Schulgröße." Jetzt wolle man Erfahrungen sammeln, wie die Bildungseinrichtungen damit zurechtkämen.

Schulen können einen finanziellen Nachschlag beantragen

In Heilbronn hat sich die Lage entspannt, das beobachten Viviane Kalisch und Steffen Kircher vom GEB. "Das Schulamt ist sensibilisiert", sagt Kircher. Und Schulamtsleiterin Schüttler nimmt Kritikern und Unverbesserlichen, die immer noch entsprechende Schreiben verfassen, den Wind aus den Segeln: "Wenn es nicht reicht, habe ich angeboten, dass sich die Schulen melden sollen, um Geld nachzufassen. Dann schießen wir noch einmal zu." Das Ziel: "Wir wollen, dass die Schulen auskömmlich versorgt sind."

Mangel herrscht indes nicht. Es sei üblich, dass Haushaltsreste von bis zu 10.000 Euro aus dem Bildungstopf nicht abgerufen und ins nächste Jahr übertragen würden. Aber ob die Möglichkeit, zusätzlichen Bedarf anzumelden, auch überall bekannt ist?

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Am Justinus-Kerner-Gymnasium beispielsweise nicht. Dort hat erst seit kurzem die Schulleitung gewechselt. "Weil wir als Gymnasium dem Regierungspräsidium unterstehen, bekommen wir in der Regel keine Briefe vom Schulamt", sagt der stellvertretende Chef Bernhard Ehlert, der aktuell die Geschäfte führt.

Eltern sollen aus Verbundenheit zahlen

Träger ist jedoch auch hier die Stadt, von ihr erhalten auch die Gymnasien ihr Budget. Die ehemalige Schulleiterin hatte bereits vor ihrem Weggang und vor den Sommerferien die Eltern angeschrieben, dass sie Bittschreiben erhalten werden und aus Verbundenheit mit dem Gymnasium zahlen sollten, berichtet eine Mutter, die nicht mit Namen in der Zeitung stehen möchte.

Zwei derartige Briefe von Lehrern hat sie inzwischen schon bekommen, mit der Aufforderung, Hefte und Workbooks zu bestellen. "Das sind schnell 30, 40 Euro pro Kind." Gerade in der momentanen Situation findet sie Beträge im zweistelligen Bereich "unzumutbar", auch unter dem Aspekt der Chancengleichheit. "Und das, wo alle von der Bildungsstadt Heilbronn reden."

Bernhard Ehlert bestätigt das. "In dem Brief (der ehemaligen Schulleiterin) wird die Rechtslage dargestellt", teilt er schriftlich mit. Gleichzeitig werde ausgeführt, dass die freiwillige Beschaffung von Lernmitteln in den letzten Jahren der Schule immer wieder Spielräume eröffnet habe, aus dem Schuletat weitere Lernmittel zu finanzieren. "Sie tragen dazu bei, den Unterricht in den einzelnen Fächern insgesamt modern und attraktiv zu gestalten." Ein Angebot seitens der Stadt, bei Bedarf mehr Mittel zu beantragen, sei nicht bekannt.

Eltern fürchten Stigmatisierung

Die Mutter des Gymnasialkinds indes fürchtet Stigmatisierung: "Beim Elternabend wird einem quasi die Pistole auf die Brust gesetzt." Niemand traue sich, etwas gegen Zahlungen zu sagen.

Eine Erfahrung, die auch Ulla Schön aus Bad Friedrichshall gemacht hat. Das Thema ist schambesetzt, findet sie. "Auch wir sollen einen Sozialbeitrag zahlen, ich wüsste gern wofür?" Unterschwellig werde nachhakenden Eltern Bedürftigkeit unterstellt. "Sollten Sie sich nicht in der Lage sehen", heiße es dann. "Ich sehe mich schon in der Lage. Transparenz ist mir trotzdem wichtig."

Ein Workbook, das die Familien verpflichtend für den Unterricht bestellen mussten, wollte sie nicht finanzieren. "Mein Sohn hat dann Klarsichtfolien und einen Folienstift bekommen. Aber wie soll er so auf eine Arbeit lernen?"

Eins ihrer Kinder sei weinend heimgekommen, weil der Lehrer es vor der Klasse ansprach, dass sein Geld immer noch fehle. Sie hat nachgefragt und auch vom Regierungspräsidium die Aussage bekommen, dass Schüler mit finanziellen Dingen nicht behelligt werden dürfen, sondern nur die Eltern.

 
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