Was sich das Heilbronner Theater in der neuen Spielzeit vorgenommen hat
"Wi(e)der Sprechen!" lautet das Motto der Spielzeit 2021/22. Intendant Axel Vornam und sein Team planen insgesamt 23 Premieren, inklusive vier Uraufführungen und mehreren Gastspielen. Das Stück "Hawaii" nach Cihan Acars Debütroman soll die neue Saison eröffnen.

Planen, umplanen, neu planen: Die Corona-Pandemie hatte die Programmmacher am Heilbronner Theater in den vergangenen beiden Spielzeiten vor große Herausforderungen gestellt. Wochen-, ja monatelang durften während der beiden Lockdowns sogar überhaupt keine Aufführungen stattfinden. Dass die kommende Saison 2021/22 so, wie Intendant Axel Vornam und sein Team sie am Freitag im Foyer des Komödienhauses vorstellen, tatsächlich auch stattfindet, ist darum der bescheidene Wunsch der Verantwortlichen.
"Es ist eine Entwicklung entstanden, die es relativ schwer gemacht hat, mit Sachargumenten durchzudringen", stellt Axel Vornam mit Blick auf die hinter jedermann liegenden Monate fest. "Wi(e)der Sprechen!" lautet darum das doppeldeutige Motto, das über den insgesamt 23 Premieren, inklusive vier eigenen Uraufführungen und Gastspielen, im Großen Haus, Komödienhaus und in der Boxx steht. Es nimmt einerseits darauf Bezug, dass Publikum und Theatermacher endlich wieder live miteinander sprechen können. Und es animiert andererseits dazu, einander auch zu widersprechen. Ist also Aufforderung zum Streit. Wohlgemerkt zum produktiven Streit, der kontroverse Meinungen aushält und nicht ausgrenzt. "Theater ist nicht für Konsens und Beschwichtigung da, sondern Theater ist dafür da, Konflikte und Widersprüche erlebbar zu machen und durchzuspielen", so Vornam.
"Hawaii" kommt mit Musik- und Videodesign-Elementen auf die Bühne

Wenn im Großen Haus am 24. und 25. September "Hawaii" Doppelpremiere feiert, läutet damit eine Uraufführung die neue Spielzeit ein. Regisseur Nurkan Erpulat und Chefdramaturg Andreas Frane haben den preisgekrönten Roman des Heilbronner Autors Cihan Acar für die Bühne bearbeitet. Andreas Frane verspricht "eine sehr sinnliche Umsetzung" der mit Musik- und Videodesign-Elementen angereicherten Geschichte um Ex-Fußballprofi Kemal, der in seiner Heimatstadt Heilbronn wieder Fuß zu fassen versucht.
Die übrigen der im Großen Haus angekündigten Premieren standen in den vorherigen Spielzeiten auf dem Plan, kamen coronabedingt aber nicht zur Aufführung: das nicht immer lustige Lustspiel "Amphitryon" von Heinrich von Kleist, Otfried Preußlers Märchen "Der Räuber Hotzenplotz" zur Weihnachtszeit, Oscar Wildes Satire "Bunbury" zum Jahreswechsel, Ewald Palmetshofers Neubearbeitung von Gerhart Hauptmanns sozialem Drama "Vor Sonnenaufgang", Max Frischs Lehrstück ohne Lehre "Biedermann und die Brandstifter" sowie William Shakespeares weltberühmte Liebestragödie "Romeo und Julia". Die Revue "Born to be wild?", als Wiederaufnahme gelistet, war im Herbst in einer coronabedingt umgearbeiteten Fassung nur einmal zu sehen, nun soll sie in ihrer Original-Gestalt aufgeführt werden, weswegen Chefdramaturg Andreas Frane sie als fünfte Uraufführung der neuen Saison anpreist.
Was im Komödienhaus und in der Boxx zu sehen sein wird
Die Komödie "How to date a feminist" von Samantha Ellis wiederum wurde zwar vor wenigen Tagen bereits im Komödienhaus aufgeführt, im Programm der neuen Saison ist sie dennoch für den 15. Oktober als Premiere verzeichnet. Im zweiten Anlauf auf die Bühne des Komödienhauses sollen es nach der Corona-Zwangspause außerdem folgende Stücke schaffen: das Comedy-Musical "Männer" nach Doris Dörries Filmhit aus den 80ern, die Uraufführung von Brian Bells Version von "Die Zeitmaschine" nach dem Science-Fiction-Klassiker von H. G. Wells, die französische Komödie "Weinprobe für Anfänger" von Ivan Calbérac sowie die Uraufführung der Komödie "Monsieur Pierre geht online" nach dem Film von Stéphane Robelin.
Das Junge Theater hat sich in der Boxx drei Premieren vorgenommen. Aus den vergangenen Spielzeiten in die neue geschoben wurden "Petty Einweg - Die fantastische Reise einer Flasche bis ans Ende der Welt" von Jens Raschke sowie Sibylle Bergs Stück "Mein ziemlich seltsamer Freund Walter". Neu angekündigt ist außerdem das dystopische Stück "Corpus delicti", 2007 von Juli Zeh geschrieben, aber laut Nicole Buhr, designierte Leiterin des Jungen Theaters, "erschreckend nah dran an unserer Realität".
Die Programmverantwortlichen gehen davon aus, dass die Hygienevorschriften auch noch kommenden Herbst gelten. Darum werden die Abonnements ab September unter veränderten Bedingungen wieder aufgenommen. Es gibt ein Platzierungssystem mit Festplätzen und kleineren Abo-Serien. Dafür werden mehrere Vorstellungen gespielt. Eine Rückkehr zum bisherigen Abo-System ist geplant, sobald sich die Situation normalisiert. Spieltermine sind vorerst bis Dezember 2021 veröffentlicht, die Terminplanung ab Januar folgt. Der Kartenvorverkauf im Freiverkauf beginnt am 1. September.
Fünf Festivals, zahlreiche Gastspiele und Kabarett ergänzen das Programm
Gleich fünf Festivals finden während der Spielzeit 2021/2022 am Theater Heilbronn statt. Den Auftakt macht vom 21. Oktober bis 7. November das deutschlandweite Theaterprojekt "Kein Schlussstrich!", das sich zehn Jahre nach der Selbstenttarnung mit dem Komplex des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) und speziell in Heilbronn mit dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter auseinandersetzt. Am 22. Oktober ist die Uraufführung des Dokumentartheaterstücks "Verschlusssache" in der Boxx geplant. Außerdem gibt es ein Rahmenprogramm mit Filmabenden im Arthaus Kino und Podiumsdiskussionen.
Vom 7. bis 27. November steht die zweite Ausgabe des Festivals "Science & Theatre" in Kooperation mit der Experimenta an. Im Zuge dessen kommt es auch zur Uraufführung von "Schwarze Schwäne" von Christina Kettering, dem Gewinnerstück des Autorenwettbewerbs aus der ersten Ausgabe des Festivals. Premiere ist am 17. November. Das Internationale Figurentheaterfestival "Imaginale" wird vom 3. bis zum 13. Februar wieder in Heilbronn ausgerichtet, die nächste Ausgabe von "Tanz! Heilbronn" ist für Mai 2022 geplant. Und auch die 25. Baden-Württembergischen Theatertage unter dem Motto "Weit Blick" sind im kommenden Jahr, vom 1. bis zum 10. Juli, in Heilbronn zu Gast. Geplant sind Aufführungen in den drei Theaterspielstätten und in der Stadt.
Auch in der kommenden Spielzeit sind zahlreiche Gastspiele geplant. Die beiden Opern "Die Italienerin in Algier" von Gioacchino Rossini (Pfalztheater Kaiserslautern, Premiere 5. Februar) und "Lulu" (Theater und Orchester Heidelberg, 17. Februar), Franz Lehárs Operette "Die lustige Witwe" (Theater und Orchester Heidelberg, 22. April), die Musical-Gala "The show must go on" des Theaters Krefeld-Mönchengladbach (Premiere am 12. Oktober) sowie die beiden Tanzabende "Next paradise", ein Gastspiel des Nationaltheaters Mannheim Tanz (Premiere 10. März), und "Future world" (Saarländisches Staatsballett, 22. Juni).
Viel Kabarett bietet die Reihe "Theater Spezial". Unter anderem kommen Django Asül (26. September), Maxi Schafroth (30. September), Bodo Wartke (29. November), Suchtpotenzial (27. Januar), Luise Kinseher (16. Februar), Martin Frank (16. März), Martina Schwarzmann (31. März), Rolf Miller (12. April), Christoph Sieber (27. Mai), Helene Bockhorst (2. Juni) und Alfons (26. Juni) nach Heilbronn. Am 4. Dezember sind die beiden "Tatort"-Kommissare Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl mit "Eine Weihnachtsgeschichte" nach Charles Dickens zu Gast.