"Pariser Harem" gerät in Turbulenzen bei den Freilichtspielen Neuenstadt
Die temporeiche Komödie "Boeing Boeing" feiert Premiere auf der Freilichtbühne in Neuenstadt. Wortwitz und Situationskomik bestimmen das Tempo im Stück und reißen das Publikum mit.

Wer mit der Freilichtspiele-Air ins Paris der 1960er Jahre fliegt, muss sich auf so einige Turbulenzen einstellen - vor allem für die Lachmuskeln. Gleich nach dem Check-in (Einlasskontrolle) und dem Shoppen im Duty-free-Bereich (Ausschank), können es sich die Fluggäste auf ihren Plätzen bequem machen, ihre Maske absetzen und die Reise genießen. In den folgenden 90 Minuten geht es auf und ab und hin und her, wenn man Bernard (Robin Hofheinz) - Protagonist der Komödie "Boeing, Boeing" - dabei zusieht, wie er immer mehr in die Bredouille gerät. Mit drei Stewardessen verlobt zu sein, ist eben ganz schön turbulent.
Jedenfalls ist es "kein Leben für ein anständiges Dienstmädchen", wie Berthe (Antje Leverenz-Bätz) immer wieder bekundet. Die stolze Haushälterin hilft ihrem "gnädigen Herrn" zwar nach Kräften dabei, dass sein Schwindel nicht auffliegt. Sie macht aber keinen Hehl daraus, was sie davon hält. Ein Blick, eine ironische Bemerkung von Antje Leverenz-Bätz reichen und das Publikum bricht in schallendes Gelächter aus. Die Rolle der Berthe scheint ihr wie auf den Leib geschrieben.
Flugpläne geraten durcheinander
Das raffinierte System, durch das Bernards "Pariser Harem" funktioniert, gerät allerdings nach und nach ins Wanken, als die Flugpläne seiner Verlobten durcheinander geraten. Bald ist vom großspurigen Mannsbild nur noch ein Nervenbündel übrig. Robin Hofheinz meistert diesen Wandel mit Bravour. Ohne Schulfreund Robert (Markus Krieger) wäre er allerdings schon nach kürzester Zeit aufgeflogen.
Mit vollem Körpereinsatz - Mimik und Gestik sind Markus Kriegers unbestrittene Stärken - stemmt sich der Freund immer wieder in Türrahmen, redet auf die Damen ein oder bugsiert sie unsanft in eines der Zimmer. Alles, um zu verhindern, dass sie sich begegnen. Urkomisch die Szene, in der Robert verzweifelt argumentiert, warum Bernard mit der Französin Jaqueline (Corina Deininger) unbedingt aufs Land fahren muss. Wohlwissend dass die Schweizerin Judith (Jana Keicher) früher als geplant nach Hause kam und gerade ein Bad nimmt. Dass Bernard so schwer von Begriff ist, bereitet ihm fast körperliche Schmerzen, die man auf den Zuschauerrängen mitfühlen kann.
Türen fliegen auf und zu

Immer wieder droht die Bombe zu platzen, wenn wieder einmal zwei oder sogar drei Damen gleichzeitig im Appartement sind oder eine Panam-, Swissair- oder Airfrance-Tasche auf dem Stuhl liegen bleibt und unangenehme Fragen aufwirft. Nicht nur Bernard, Berthe und Robert bleibt da manchmal die Luft weg. Die vier Türen auf der Bühne fliegen nur so auf und zu.
Amüsant auch zu verfolgen, wie Robert vom naiven Kerl aus der Provinz zum Schürzenjäger mutiert und gefragt oder ungefragt Küsschen an Judith und die Amerikanerin Janet (Johanna Effenberger) verteilt.

Regisseur Lars Tönnies hat es geschafft, für jede Stewardess einen eigenen Charakter herauszuarbeiten und die Schauspielerinnen setzen das gut um: die taffe Janet, die es faustdick hinter den Ohren hat und ebenfalls eine Dreiecksbeziehung führt, die heiratswillige Jaqueline - toujour in französischem Akzent - und die kesse Judith, die am Ende völlig schmerzfrei die Liebhaber wechselt.
Viele Unsicherheiten und kurze Probenzeit
Wortwitz und Situationskomik bestimmen das Tempo im Stück und reißen das Publikum oder vielmehr die Fluggäste mit - auch wenn coronabedingt viel Luft zum Vorder- und zum Nebenmann bleibt. Eine gelungene Premiere trotz widriger Umstände mit kurzer Probenzeit und vielen Unsicherheiten. Ohne die "eingeschworene Theatergemeinschaft" wäre das laut Bürgermeister Norbert Heuser nicht möglich gewesen. Dass die zudem die Muße hatte, sich ein Flughafen-Konzept rund um die Vorstellung zu überlegen und mit Liebe zum Detail zu gestalten, stieß bei den Premierengästen auf Begeisterung.
Kartenverkauf und Schnelltest-Pflicht
Derzeit halten die Verantwortlichen am Nachweis der drei Gs – geimpft, genesen, getestet – für die Theatervorstellungen fest, auch wenn es aufgrund der niedrigen Inzidenzzahlen im Landkreis Heilbronn nicht mehr vorgeschrieben wäre. „Wir wollen die Saison auf keinen Fall gefährden“, sagt Vorstandssprecher Andreas Großkopf. Testmöglichkeiten gibt es in direkter Nähe.