Was sich ändern muss, damit Familien aufs Auto verzichten können
Paare mit Kindern haben im Alltag mehr zu transportieren - und dazu meistens einen eng getakteten Zeitplan. Was muss sich ändern, dass auch Familien aufs Auto verzichten können? Ein Interview mit Uta Bauer vom Institut für Urbanistik in Berlin.

Mobil zu sein hat in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen - insbesondere das Auto ist ein fester Bestandteil des Alltags von Familien geworden. Im Interview mit Uta Bauer vom Institut für Urbanistik in Berlin geht es um Sicherheit im Straßenraum sowie die Zukunft der Mobilität.
Den Zahlen nach zu urteilen, gehört heute ein Auto wie der Fernseher zur Lebenswelt einer Familie dazu. Ist es utopisch zu denken, wir werden einmal weniger Autos haben?
Uta Bauer: Ich würde die Diskussion anders führen. Familien mit zwei, drei Kindern haben einen erheblichen Transportbedarf, einen eng getakteten Zeitplan und einfach einen höheren Mobilitätsbedarf als zum Beispiel Singles. Warum gerade die Gruppe auf ein Auto verzichten muss, kann man ja auch mal in Frage stellen. Wenn da vier, fünf Leute im Auto sitzen, ist es nicht so ineffektiv. Das kippt natürlich, wenn so ein Haushalt zwei oder drei Autos hat.
Für viele Eltern ist das Argument der Sicherheit ein Grund, ihre Kinder mit dem Auto zu transportieren. Was muss sich im Hinblick darauf ändern?
Bauer: Eltern, die ihre Kinder ständig fahren, tun ihnen keinen Gefallen. Sie verhindern, dass die Kinder sich eigenständig auf Wegen durch den Straßenverkehr bewegen und Gefahren erkennen. In fast allen Städten haben wir mit den sogenannten Eltern-Taxis das Problem, dass sich nichts tut, auch wenn wir an die Eltern appellieren. Es bleibt weitestgehend wirkungslos. Deshalb versucht man inzwischen, die Kinder anzusprechen, die es mitunter gar nicht wollen, bis vors Klassenzimmer gefahren zu werden. Es gibt Beispiele aus dem Ausland, wo Straßen vor Kindergärten und Schulen temporär gesperrt werden, um mehr oder weniger durch Zwang das Vorfahren der Eltern zu verhindern.
Müssten Kommunen konsequenter agieren?
Bauer: Es gibt Bundesländer, die sich sehr im schulischen Mobilitätsmanagement engagieren. Da werden systematisch die Schulwege der Kinder analysiert. Und es wird untersucht, was sich für Fuß- und Radwege sowie den ÖPNV ändern muss. Was in vielen Orten auch überhaupt nicht funktioniert, ist das Abschleppen oder das konsequente Ahnden von Falschparkern. Da wünsche ich mir ein härteres Durchgreifen.
Häufig ist ein Argument für das Auto auch die fehlende Zeit. Sehen Sie im Homeoffice eine Lösung?
Bauer: Es würde die Sache erheblich erleichtern, wenn es da mehr Flexibilität gäbe und Arbeitgeber gerade Eltern mit kleinen, betreuungspflichtigen Kindern mehr Spielräume einrichten würden. Das alles löst das Problem nicht ganz allein. Auch der öffentliche Nahverkehr sollte seine Zeiten darauf abstimmen. Gerade in nicht so dicht bebauten Regionen ist es ein Problem, dass Umsteigebeziehungen nicht richtig funktionieren. Und der Bus einfach ein paar Minuten zu spät ankommt, was zu entsprechenden Zwangssituationen führt.
Was könnte man beim ÖPNV noch verbessern?
Bauer: Es gibt so gut wie keine Familientarife. Es gibt zwar Schülertickets, aber wenn ich als Familie unterwegs sein muss oder will, dann kann ich mir unter Umständen mit Gruppentarifen behelfen, aber das ist auch nicht immer passend. Es gibt selten ein explizites Angebot für Familien. Wenn es sehr viel attraktiver ist, mit mehreren Personen ins Auto zu steigen, dann tut man das auch.
Was sollte in den nächsten zwei Jahren in Bezug auf Familienmobilität passieren?
Bauer: Die meisten Familien fordern den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur. Die sichere Fortbewegung mit dem Fahrrad im Straßenverkehr ist das entscheidende Thema der nächsten Jahre. Für viele Eltern wäre es eine zeitliche und emotionale Entlastung, wenn sie ihre Kinder nicht ständig begleiten müssten, wenn die Wege sicher wären. Ein großes Problem sind auch die Fahrradabstellmöglichkeiten. Es sollte genauso bequem sein, sich aufs Rad zu setzen oder aber in den Bus zu steigen, wie sich ins Auto vor der Haustür zu setzen.
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