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Diese Heilbronner Familien kommen auch ohne eigenes Auto zurecht

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Immer mehr Stadtbewohner bleiben selbst nach der Familiengründung dabei, ohne ein eigenes Auto zu leben. Wie es mit Bus, Bahn und Rad geht, erzählen zwei Familien aus Heilbronn.

von Milva-Katharina Klöppel
Familie Bücker ist hoch mobil: Mit dem Fahrrad geht's zum Carsharing-Angebot in der Heilbronner Turmstraße. Hier steht der praktische Neunsitzer. Foto: Ralf Seidel
Familie Bücker ist hoch mobil: Mit dem Fahrrad geht's zum Carsharing-Angebot in der Heilbronner Turmstraße. Hier steht der praktische Neunsitzer. Foto: Ralf Seidel  Foto: Seidel, Ralf

Stoßstange an Stoßstange parken Autos in der Wohnsiedlung von Familie Bücker in Heilbronn. Abends einen freien Parkplatz zu finden, ist nahezu unmöglich. Doch das ist der fünfköpfigen Familie egal. Sie besitzt kein Auto. "Wir brauchen es nicht", erklärt Martin Bücker. "Es geht problemlos ohne." In ihrem Bekanntenkreis sind die Bückers eine Ausnahme. Viele Familien würden sogar zwei Autos besitzen.

"Jeder fährt dann ganz allein mit seinem Wagen zur Arbeit", sagt Cornelia Bücker. Sie klingt dennoch nicht wie jemand, der anderen daraus einen Vorwurf machen würde. Schließlich hätten sie sich nicht aus politischen oder ökologischen Gründen gegen eine Familienkutsche entschieden.

Je mehr Kinder desto größer das Auto

Mit dem ersten Kind wird häufig der Kleinwagen angeschafft, mit dem zweiten Kind muss es ein Kombi sein, ab dem dritten Kind braucht man dann mindestens einen Minivan - so denken viele deutsche Familien. 95 Prozent der Paare mit Kindern besitzen in Deutschland laut Statistischem Bundesamt mindestens einen Pkw.

Wer einen Wagen besitzt, begründet das häufig mit der Anzahl seiner Kinder und der Familiengründung. Der Nachwuchs muss zum Sportverein, zum Kindergarten, manchmal sogar zur Schule gekarrt werden. Selbst Familien, die das alles auch gut ohne Pkw hinbekommen, verzichten trotzdem in der Regel ungern auf ein Auto, da sie es für den Familieneinkauf, den Baumarktbesuch oder den Ausflug am Wochenende nutzen. Eben weil es mit Kindern häufig doch in vielen Situationen komfortabler ist.

Wahl der Alternative: Fahrrad, ÖPNV oder Carsharing?

Bei Familie Bücker war es genau anders herum. "Wir hatten ein Jahr lang ein Auto und spielten mit dem Gedanken, es abzuschaffen", erinnert sich die 37-Jährige. "Nach einer Panne auf der Autobahn war dann klar: Das Auto kommt weg." Damals hatten sie einen Sohn. Auch nach der Geburt des zweiten Sohns und der Tochter vermisste das Paar keinen eigenen Pkw. "Man muss sich allerdings mit den Alternativen beschäftigen", sagt der 38 Jahre alte Familienvater. Das sind im Fall von Familie Bücker das Fahrrad, der öffentliche Nahverkehr sowie Carsharing. "So haben wir die Wahl zwischen mehr als 13 Autos", sagt Martin Bücker, der mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt.

Hurra, da kommt der Bus! Jan (links) und Hendrik sind wie ihre Eltern begeisterte ÖPNV-Fahrer. Auch am Wochenende unternimmt die Familie viele Ausflüge mit der Stadtbahn. Foto: Ralf Seidel
Hurra, da kommt der Bus! Jan (links) und Hendrik sind wie ihre Eltern begeisterte ÖPNV-Fahrer. Auch am Wochenende unternimmt die Familie viele Ausflüge mit der Stadtbahn. Foto: Ralf Seidel  Foto: Seidel, Ralf

Für die Kinder sei es jedes Mal ein großer Spaß, eines der Carsharing-Modelle auszusuchen. In der Heilbronner Turmstraße stehe zum Beispiel mit einem Opel Vivaro ein Neunsitzer zur Verfügung. "Ideal für unsere große Familie", so Cornelia Bücker. "Würden wir uns jetzt wieder ein Auto anschaffen, stelle sich die Frage, wie groß es sein muss - mit dem Carsharing haben wir die perfekte Auswahl für jeden Anlass." Ein Kindersitz sei in jedem Carsharing-Modell enthalten. Eingeschränkt fühlt sich die Familie so ohne Auto keineswegs. "Wir gewinnen so viel Lebensqualität und sparen jede Menge Geld", sagt Martin Bücker. "Wir könnten uns durch die eingesparten Kosten sogar ab und zu eine Taxifahrt leisten."

Wer mit dem Fahrrad einkauft, schont den Geldbeutel

Das kann Wiebke Rohrer bestätigen. Die 43 Jahre alte zweifache Mutter besaß noch nie ein Auto. Dabei habe sie, wie ihre Klassenkameraden, gleich mit 18 Jahren den Führerschein gemacht. "Später in Freiburg und Marburg haben wir in der Stadt gewohnt und so kein Auto gebraucht", so die Lektorin und Korrektorin. Finden die Kinder es nicht blöd, dass sie immer Fahrrad fahren müssen, auch bei Regen?

Kopfschütteln bei dem zehnjährigen Hendrik. "Uns ist der Umweltschutz wichtiger", sagt der Schüler. Und schließlich gebe es auch Regenklamotten. Enthusiastische Fahrradfahrer seien sie allerdings nicht, gesteht Wiebke Rohrer. Dennoch hätte sie sich als eine der Ersten bereits vor sieben Jahren ein E-Bike mit Anhänger gekauft. Damit ist die sportliche Frau bis heute täglich unterwegs. Selbst beim Einkaufen vermisst sie keinen Pkw. "Das meiste kaufe ich auf dem Wochenmarkt ein", so Rohrer.

Schöner Nebeneffekt: Die eingekaufte Menge bleibt überschaubar, es wird nicht zu viel gekauft. Man wählt eher lokale, in der Nähe liegende Geschäfte, wo man gerne auch unter der Woche auf dem Heimweg von der Arbeit Kleinigkeiten für den Tagesbedarf auf dem Fahrrad mitnimmt - anstelle des Großeinkaufs am Samstag.

Kinder kennen sich mit den Buslinien aus

Familienvater Bastian Hornbostel fährt die acht Kilometer zwischen Wohnort und Arbeitsstelle mit dem Fahrrad - sein tägliches Fitnessprogramm. Und lässt sich bei geschäftlichen Terminen von Kollegen im Auto mitnehmen. Ganz ohne Pkw muss die vierköpfige Familie von Wiebke Rohrer und Bastian Hornbostel allerdings ebenfalls nicht auskommen. Sie nutzen wie die Bückers das Carsharing-Angebot und können bei Bedarf auf das Auto der Nachbarn zurückgreifen.

Im Sommer, wenn die Großeltern mit dem Wohnmobil unterwegs sind, können sie deren Auto benutzen. Ansonsten setzt die Familie auf Bus und Bahn. "Es ist großartig zu sehen, wie gut sich die Kinder mit den Buslinien auskennen", so Wiebke Rohrer. Ohne Auto Freunde im Freibad in Untergruppenbach treffen? Auch für Heilbronner kein Problem, sagt Rohrer: "Es fährt ein Bus bis direkt vor den Eingang des Schwimmbads."


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