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Was beim Hexentanz genau passierte, bleibt im Dunkeln

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Das Verfahren im Hexenkessel-Prozess wird gegen eine Zahlung von 6000 Euro eingestellt. Der Angeklagte bleibt ohne Verurteilung und ohne Vorstrafe. Das heißt auch: Wie es dazu kam, dass eine junge Frau in einem Kübel mit siedendem Wasser schwer verbrüht wurde, wird wohl nie aufgeklärt.

Beim ersten Prozess zum Hexenkessel-Unfall in Heilbronn hält der Angeklagte eine Faschingsmaske hoch.
Foto: dpa
Beim ersten Prozess zum Hexenkessel-Unfall in Heilbronn hält der Angeklagte eine Faschingsmaske hoch. Foto: dpa  Foto: Schmidt

Der Angeklagte im Hexenkessel-Prozess bleibt ohne Verurteilung und ohne Vorstrafe, das Verfahren wird gegen Zahlung von 6000 Euro eingestellt. Wie es beim Eppinger Faschingsumzug 2018 dazu kam, dass eine junge Frau in einem Kübel mit siedendem Wasser schwer verbrüht wurde, wird wohl nie aufgeklärt.

Der Fall beschäftigte drei Gerichte

Mehr als zwei Jahre sind vergangen, der Zwischenfall stieß auf internationales Medienecho, beschäftigte drei Gerichte, die mehrere Dutzend Zeugen hörten. Der letzte Akt im Hexentanz kam am Freitag als nüchterne Pressemitteilung des Heilbronner Landgerichts. Eingestellt. Das erstinstanzliche Urteil des Amtstgerichts Heilbronn wegen fahrlässiger Körperverletzung ist damit hinfällig. Über die Gründe, die Verfahrensbeteiligten schriftlich zugingen, hatte unsere Zeitung bereits Anfang der Woche berichtet.

Wer war jene Hexe?

Wer war jene maskierte Hexe, die eine 18-Jährige so über den Kessel hielt, dass die junge Frau dem Griff entglitt und mit den Beinen im Wasser landete? War es jener 34-Jährige als Mitglied einer Hexengruppe aus Kraichtal (Landkreis Karlsruhe), die den Bottich beim Umzug im Februar 2018 dabei hatte? Zeugen wollten eine Hexe mit pelzbesetztem Mantel erkannt haben, wie sie der Angeklagte beim Umzug trug. Zu wenig war das für die Kammer im Berufungsverfahren.

"Nicht nachgewiesen"

Klar sei nur, dass mindestens zwei Verkleidete die junge Frau angehoben und im Scherz zum Kessel gebracht hätten. Ob der Angeklagte dabei war? "Nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen", so schreibt das Gericht. Eine "strafrechtliche Verantwortlichkeit" freilich erkannte das Gericht sowohl beim Angeklagten als auch bei allen anderen Mitgliedern der Hexenmeute, die beim Prozess beharrlich schwiegen.

Für alle Beteiligten sei das "Gefahrenpotenzial" des Kessels ersichtlich gewesen. Den Angeklagten trifft laut Gericht ein "Unterlassungsverschulden", weil er nicht auf den Kessel aufgepasst hat. Eine Verurteilung betrachtet die Kammer aber als nicht erforderlich.

6000 Euro Geldstrafe 

Die 6000 Euro gehen an eine gemeinnützige Einrichtung. So groß scheint der Unterschied zur Geldstrafe von 6600 Euro aus der ersten Instanz nicht. Doch es gibt einen wichtigen Unterschied: Der 34-Jährige hat keine eingetragene Vorstrafe. Eine solche hätte für ihn beruflich gravierende Folgen gehabt, wie sein Anwalt Manfred Zipper am ersten Verhandlungstag ausgeführt hatte.

In einem separaten Zivilprozess waren dem Opfer 50 000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen worden. Verurteilt wurde neben dem im Strafprozess Angeklagten der von der Stadt Eppingen getragene Verkehrsverein. Den für den Umzug Verantwortlichen wurde vorgeworfen, "Verkehrssicherungspflichten in mehrfacher Hinsicht verletzt" zu haben. Die 50 000 Euro hat die Versicherung der Stadt komplett beglichen. Ob sie versucht, Regress zu nehmen, ist nicht bekannt.

Kommentar von Alexander Hettich: Trauerspiel

Jedem zur Freude und niemand zum Leid": Das Faschingsmotto ist beim Eppinger Nachtumzug 2018 ad absurdum geführt worden. Eine junge Frau musste einiges erleiden, weil ein dummer Scherz entgleiste. Sie erlitt Verbrennungen, war wochenlang im Krankenhaus und wird ihr Leben lang von Narben an diese Februarnacht erinnert. Geschehen ist das, weil es manche lustig finden, einen Kübel mit siedendem, stinkenden Wasser durch eine dichte Menschenmenge zu karren. Eine Dummheit freilich, zu der man hätte stehen können. Nie ging es um den Vorwurf, die junge Frau sei vorsätzlich in den Kessel "gestellt" worden, wie es zum Teil in unverantwortlicher Übertreibung zu lesen war.

Aber keiner wollte für den schief gelaufenen Faschingsspaß Verantwortung übernehmen. Zwei Gerichtsprozesse gerieten zum Trauerspiel, als sich Zeugen darin überboten, Gedächtnislücken geltend zu machen. Beobachter hatten den Eindruck, als sei niemand für den Kessel verantwortlich gewesen oder hätte ihn nur gesehen. Eine Farce, die den Richter verständlicherweise in Rage brachte. Er sprach von einer "Mauer des Schweigens" und kritisierte die Feigheit der Hexen.

Feigheit siegt in diesem Fall. Das Opfer hat zumindest Schmerzensgeld bekommen, weil die Stadt Eppingen als Träger des Verkehrsvereins ihren Teil der Verantwortung akzeptiert hat. Den Nachtumzug gibt es nicht mehr. Auf den Faschingstrubel ist ein Schatten gefallen. In diesem Fall: Allen zum Leid.

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alexander.hettich@stimme.de

 


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