Warum ein offenes Ohr Suizidgefährdeten in der Region so sehr hilft
Caroline Hornberger ist neue Leiterin des Arbeitskreises Leben in Heilbronn und Diakonisse im Mutterhaus Aidlingen. Die Sozialpädagogin und Diakonin hilft in ihrem neuen Job mit Gesprächen und Weitervermittlung Menschen in größter psychischer Not.

Fragen Sie ruhig weiter, ich bin relativ multitaskingfähig." Caroline Hornberger, bestens gelaunt, sucht die Information, die ihr für die letzte Antwort fehlt, auf dem Handy. Wenn sie lacht, und das tut sie gern, leuchten ihre Augen und vermitteln Lebensfreude, auch wenn sich ihre neue Aufgabe um das genaue Gegenteil dreht. Menschen in größter Not und Verzweiflung beistehen: Das will die neue Leiterin des Arbeitskreises Leben (AKL) für Menschen in Lebenskrisen und bei Selbsttötungsgefahr.
Das junge Erwachsenenalter ist ein Krisenschwerpunkt
Krisenschwerpunkte, so die studierte Sozialpädagogin, sind das junge Erwachsenenalter bis Mitte 20, wenn der Berufseinstieg misslingt und erste Lebensentwürfe scheitern, wenn mit Mitte 50 die Kinder aus dem Haus sind und Beziehungen in die Brüche gehen oder im Alter das Alleinsein unerträglich wird. "Einsamkeit führt oft zu Suizidgedanken", sagt die 43-Jährige.
Schwester Caroline trägt in Heilbronn keine Tracht
T-Shirt, schwarze Strickjacke, die Haare im Nacken locker mit einem Scrunchie zusammengefasst. In Heilbronn arbeitet die gebürtige Heidelbergerin, die auf dem Dobel im Schwarzwald aufgewachsen ist, die Hälfte der Woche in Zivil. Sobald sie wieder ins Diakonissenmutterhaus Aidlingen im Landkreis Böblingen zurückkehrt, tauscht Schwester Caroline ihre Jeans gegen das graue Kleid mit weißer Schürze. Ihre Haube verdeckt einen Teil der Haare.
Sie möchte Offenheit signalisieren
Beim Arbeitskreis Leben lässt die Diakonisse, "das ist eine evangelische Nonne", wie sie erklärt, die Tracht im Schrank, um niemanden vor den Kopf zu stoßen. "Die Menschen, die zu mir kommen, haben unter Umständen ganz verschiedene Erfahrungen mit der Kirche gemacht," erklärt sie ihre Beweggründe. Wenn sie die Tracht anlege, interpretiere jeder etwas hinein. Mit der Alltagskleidung möchte sie ihre Offenheit hinsichtlich verschiedener Weltanschauungen auch nach außen hin klar signalisieren.
Dass sich jemand Zeit nimmt, hat einen positiven Effekt auf die Seele
Oftmals gebe es in einer sowieso schwierigen Lage einen Auslöser, der Betroffene in Verzweiflung stürze. Zuhören, nicht vorverurteilen, Verständnis zeigen: "Dass sich jemand Zeit nimmt für die Probleme seines Gegenübers, das hat einen Effekt auf die Seele eines Menschen. Das weckt Mut", sagt sie. Und versucht, gemeinsam mit Betroffenen verschüttete Kraftquellen zu finden und nächste Schritte festzulegen. Der Termin beim Arzt, bei der Beratungsstelle, der Treff bei der Selbsthilfegruppe. Nachbarn, Freunde, das alles könne ein Anker in der Not sein. "Wenn jemand Suizidgedanken hat, verengt sich der Blick ganz stark, und er sieht keine anderen Optionen mehr", weiß sie.
Vernetzen, weitervermitteln, auch ins Zentrum für Psychiatrie in Weinsberg, das gehört zu ihrer Arbeit dazu. Trotz professioneller Distanz scheint die Schwere manchmal übermächtig. "Dann hilft mir beten", sagt Hornberger, die im Vorbereitungsjahr auf die Schwesternschaft im Krankenhaus gearbeitet hat. "Ich vertraue die Situation Gott an. Das hilft mir loszulassen."
Oft hilft ihr ein Spaziergang
Supervision, Sport, Tanzen, auch gern allein, oder ein Spaziergang in der Stadt, und sei es nur zum Drogeriemarkt, zeigen ihr: Das Leben besteht nicht nur aus Last. "Die Seele braucht Zeit, um das Erlebte zu verarbeiten." In Aidlingen lebt sie mit zwei Diakonissen in einer WG. Die Gebetszeit oder Andacht in der Gemeinschaft, das morgendliche Lesen in der Bibel, das Essen im Speisesaal mit den Schwestern, insgesamt sind es 209, Pressearbeit und Homepage-Pflege gehören hier zu ihrem Rhythmus.
Caroline Hornberger hat über den Sportverein zum Glauben gefunden
Ohne christliche Vorprägung seitens der Familie ist sich Caroline Hornberger, die über den Sportverein zum Glauben gefunden hat, ihres Weges sicher. Er begann damit, dass sie sich als junge Übungsleiterin um ein Kind mit Entwicklungsverzögerung kümmerte.
Bin ich fromm genug? Bilde ich mir alles nur ein? Viele Auseinandersetzungsprozesse habe sie hinter sich gebracht, sagt sie und wird ernst. Dazu gehört auch, dass der Wunsch nach Familie und eigenen Kindern plötzlich verschwunden war.
Kontakt
Wer in der Gedankenspirale verhaftet ist, sich das Leben nehmen zu wollen, wendet sich an den Arbeitskreis Leben unter Telefon 07131 164251 oder an die Telefonseelsorge 07131 86566.
Diese Aufgaben übernehmen die Krisenbegleiter
Mitarbeiter des Arbeitskreises Leben (AKL) betreuen unter anderem Menschen nach Suizidversuchen im Krankenhaus. In diesem Bereich sind elf ehrenamtliche Krisenbegleiter im Einsatz. Es gibt eine Telefonbereitschaft und die Möglichkeit, Gespräche vor Ort zu führen. Innnerhalb von 24 Stunden gibt es eine Reaktion auf Nachrichten auf dem Anrufbeantworter, einen Termin möglichst innerhalb einer Woche. Ein großes Aufgabengebiet ist auch die Präventionsarbeit an Schulen. Zudem bietet der AKL eine Trauergruppe für Hinterbliebene an.Der Arbeitskreis Leben ist in ökumenischer Trägerschaft mit Vertretern der Diakonie und der Caritas.