Warum Behörden vom Bad im Neckar abraten
Es wird Hochsommer, für viele fällt der Urlaub flach, die Freibäder laufen im eingeschränkten Corona-Betrieb. Da könnte vielen das Bad im Neckar als erfrischende Alternative erscheinen. Verboten ist das in der Regel nicht, trotzdem raten Behörden eindringlich davon ab.

Der Neckar ist genauso wenig ein Badegewässer wie alle anderen Flüsse in Baden-Württemberg. Darauf weist das Landesgesundheitsministerium ausdrücklich hin.
Das undatierte Archivbild zeigt pure Sommer-Freude: Drei Jungs stehen auf einer Rampe, einer setzt zum Sprung an, im Hintergrund ragt der Heilbronner Bollwerksturm auf. Schon damals wird niemand auf die Idee gekommen sein, einen herzhaften Schluck aus dem Neckar zu nehmen. Heute ist das nicht anders.
"Auch wenn sich der Neckar in den vergangenen Jahren ökologisch erholt hat, heißt das längst nicht, dass er auch Badewasserqualität hat", teilt das Landratsamt Rhein-Neckar dieser Tage mit - eine Einschätzung, der sich die Heilbronner Kreisbehörde auf Nachfrage anschließt.
Gespeist vom Wasser aus Kläranlagen
Der Fluss ist ein sogenannter Vorfluter, gespeist von dem, was fast 500 Kläranlagen ablassen. Je nach Jahreszeit besteht der Strom oberhalb von Stuttgart aus bis zu 37 Prozent Klärwasser, wie das Gesundheitsministerium zuletzt 2019 auf eine Anfrage im Landtag antwortete. Die mechanisch-biologische Reinigung filtert einen Großteil kritischer Keime heraus. Krankheitserreger wie Fäkalkeime, Salmonellen, Viren oder Pilze gelangen trotzdem in den Neckar, wie die Behörden betonen. Amtlich kontrolliert wird das nicht, eben weil Flüsse keine Badegewässer sind.
Erlaubt ist theoretisch einiges auf Bundeswasserstraßen, eine solche ist der Neckar zwischen Plochingen und der Mündung in den Rhein. Im Zuge des "Gemeingebrauchs" regelt das entsprechende Gesetz etwa, dass jeder im Rahmen des Schifffahrtsrechts den Fluss mit Wasserfahrzeugen befahren darf. Ausnahmen gibt es etwa bei Wehren, Schleusen und Kraftwerken. So teilen sich häufig Transportschiffe, Kanuten, Ruderer oder Standup-Paddler die Wasserfläche. "Die Sportler sind nicht das Problem, waren es nie und werden es nie sein", ist Walter Braun überzeugt. "Sie kennen ihre Fähigkeiten."
Der Leiter des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts Neckar (WSA) ist sich da bei Schwimmern nicht so sicher. "Da sehe ich gewisse Gefahrenpotenziale." Die Transportschiffe werfen Wellen über eine Distanz von bis zu einem Kilometer ans Ufer. "Die sind nicht als Badestellen ausgebaut."
Gefahr droht durch Frachtschiffe
Das "Worst-Case-Szenario" skizziert Braun: Ein Kleinkind steht am Ufer, wird von einer Welle erfasst, hochgehoben und in die Flussmitte gezogen. Schiffe dürfen bis zu 16 Stundenkilometer schnell sein, Tempo zehn sind es meist in der Realität. Auf einem hundert Meter langen Schiff kann der Kapitän auch auf eine weite Distanz vor dem Bug nicht erkennen, ob da ein Kopf aus dem Wasser ragt.
WSA-Chef Braun will den Kontakt mit den Kommunen suchen, damit sie über die Gefahren aufklären. "Die Bevölkerung sensibilisieren", sagt er. Dafür, dass nicht alles, was erlaubt ist, eine gute Idee sein muss. Stuttgart hat das Bad im Neckar ausdrücklich per Verordnung untersagt. In anderen Kommunen ist das laut Braun nicht der Fall.
Peter Bartsch hat eine klare Meinung: "Ich bin grundsätzlich gegen das Schwimmen im Neckar", betont der Vorsitzende im Bezirk Heilbronn der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Die Strömungen im Fluss seien beim Baden zu unberechenbar und zu gefährlich. Das gelte schon im recht beschaulichen Heilbronner Altarm, warnt Bartsch: "Wenn jemand versucht, vom Freibad Neckarhalde auf die andere Seite zu schwimmen, kommt er bestimmt nicht direkt gegenüber an." Die Strömung trägt Schwimmer davon.
Springen von Brücken ist ausdrücklich verboten
Aber ist die Anziehungskraft des Neckars als Freizeitbad überhaupt so groß? Jochen Wieland ist eher der gegenteiligen Ansicht. "Das hat extrem abgenommen", beobachtet der Chef der Heilbronner Kaffeebucht, die mit einem eigenen Sandstrand am Altneckar aufwartet. Der Trend sei eher, mit dem SUP, also dem Stand-Up Paddling-Brett, stehend in See zu stechen.
Walter Braun vom Schifffahrtsamt erwartet gleichwohl einen besonderen Sommer. Mehr Menschen blieben zu Hause, statt in den Urlaub zu fahren. Da könnte der eine oder andere versucht sein, in den Fluss zu hüpfen. Zustände, wie sie Braun aus dem Ruhrgebiet kennt, sind hier aber nicht zu erwarten. Dort gilt der Rhein-Herne-Kanal als Ruhrpott-Riviera. Von Brücken in den Kanal zu hüpfen, gilt bei Jugendlichen als beliebte Freizeitbeschäftigung. Davon ist in Heilbronn nicht nur abzuraten, in diesem Fall ist es explizit verboten. "Das Springen von Brücken in den Neckar und in den Kanalhafen ist untersagt", heißt es in der Polizeiverordnung der Stadt.