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Neue Zahlen zu Vorsorgeuntersuchungen: Große Defizite in Heilbronn-Franken

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Hautkrebs-Screening, Blutbild, Gesundheits-Checks-ups: Was das Engagement bei der Vorsorge betrifft, schneidet die Region Heilbronn-Franken schlecht ab. Besonders die Bewohner eines der hiesigen Landkreise haben Nachholbedarf.

von Götz Greiner und Julia Haaga
Viele Vorsorgeuntersuchungen lassen sich beim Hausarzt durchführen.
Viele Vorsorgeuntersuchungen lassen sich beim Hausarzt durchführen.  Foto: Bernd Weissbrod (dpa)

Brigitte Bort-Sterle ist dankbar. Die Vorsorgeuntersuchungen haben ihr Leben gerettet, ist sich die Öhringerin sicher, die von sich sagt, dass sie "schon immer alle Untersuchungen mitmacht".

Ihre frühere Frauenärztin habe ihr geraten, die Brustkrebs-Untersuchung jährlich zu machen – denn bei ihr sei die Erkennung schwierig, habe die Ärztin gesagt. Als sie mal ein Jahr nicht zur Vorsorge ging, habe sie ein schlechtes Gefühl gehabt. Für wen welche Vorsorgeuntersuchung sinnvoll ist, zeigt der Vorsorgekalender.

Diagnose Brustkrebs: Frühe Behandlung durch Vorsorgeuntersuchungen

Vor vier Jahren wurde bei Bort-Sterle dann Brustkrebs entdeckt. "Es war ein ganz schlimmer, aber noch klein", sagt die mittlerweile 64-Jährige. In dem frühen Stadium sei er behandelbar gewesen. "Er hatte noch nicht gestreut und konnte ganz entfernt werden." Sie hat mit einer Chemotherapie begonnen, die sofort angeschlagen habe.

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Aber auch trotz der frühen Behandlung hat sich ihr Leben dauerhaft verändert: Seit der Krebserkrankung ist sie arbeitsunfähig. "Ich würde es auch gar nicht mehr schaffen, zu arbeiten." Zu den Vorsorgeuntersuchungen geht sie weiterhin: "Man sagt, nach fünf Jahren kommt der Krebs zurück." 

Zahlen der AOK zu Vorsorgeuntersuchungen: Teils große Defizite in der Region

Der Blick auf aktuelle Zahlen der AOK Gesundheitskasse Baden-Württemberg zeigt allerdings: Vorsorgeuntersuchungen sind für viele Menschen in der Region Heilbronn-Franken ein Fremdwort. Anlass der Befragung ist der bundesweite "Health Report 2023". Aus dem geht hervor, dass lediglich 47 Prozent der Menschen ein Hautkrebs-Screening in Anspruch nehmen. 64 Prozent haben schon einmal ein Blutbild machen lassen. 20 Prozent aller Frauen nehmen keine routinemäßigen gynäkologischen Check-up-Untersuchen wahr. Gerade einmal 17 Prozent der Männer gingen zu Hodenkrebs-Untersuchungen, wie die vom Pharmahersteller Stada in Auftrag gegebene Studie aufzeigt.

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32.000 Probanden aus 16 europäischen Ländern hatten teilgenommen. Der Report zeigte europaweit auf, dass neun von zehn Europäern keine ausreichende Gesundheitsvorsorge haben - Gesundheitsmaßnahmen würden nicht gut angenommen, so die Bilanz der Autoren.

Vorsorgeuntersuchungen: Hohenlohekreis schneidet besonders schlecht ab

Wie steht es konkret um das Vorsorge-Bewusstsein in der Region? Laut Angaben der AOK gehen landesweit 8,9 Prozent der Versicherten zu Gesundheits-Check-Ups. Die Stadt Heilbronn liegt weit darüber, der Landkreis Heilbronn und der Hohenlohekreis darunter. In allen drei Kreisen liegt der Anteil der Männer, die zur Vorsorge gehen, bis zu einem Prozentpunkt unter dem der Frauen. "Frauen nehmen Vorsorgeangebote eher wahr als Männer", sagt der Heilbronner Ärztesprecher Martin Uellner.

Als Hausarzt berät er seine Patienten regelmäßig zu den Vorsorgeoptionen. Warum im ländlichen Raum die Vorsorge geringer ausfällt – darüber ließe sich lediglich spekulieren. Obwohl die hausärztliche Versorgung von Stadt- und Landkreis Heilbronn auf dem gleichen Niveau ist, sei die Landbevölkerung generell etwas nachlässiger, meint der Ärztesprecher.

Hintergründe von Vorsorgeuntersuchungen ist vielen Patienten oft unbekannt

Aufklärung sei das A und O, betont Uellner. "Ich erkläre meinen Patienten regelmäßig, dass ein Dickdarmkrebs durch Polypenentfernung verhindert werden kann - wenn man nur zur Darmspiegelung geht." Viele Patienten wüssten zwar, dass sie zur Darmspiegelung gehen sollten, doch wüssten sie keineswegs die Hintergründe. Was das Prozedere betrifft, gibt Uellner Entwarnung: "Die Untersuchung dauert etwa 15 Minuten." Ein leicht verträgliches Narkosemittel wird injiziert. "Viele Patienten öffnen danach die Augen und fragen: ,Wann geht es denn los?" Unwissend, dass die Darmspiegelung schon erledigt ist."

Die Vorsorgeuntersuchung für Darmkrebs ist deutschlandweit "ausbaufähig", fasst das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (ZI) das Ergebnis einer Studie aus den Jahren 2009 bis 2018 zusammen: Nur 2,6 Prozent der Frauen und 2,5 Prozent der Männer zwischen 55 und 64 nahmen jährlich eine Darmspiegelung in Anspruch. Die Rate der wahrgenommenen Stuhluntersuchungen sank in dem Zeitraum um 15 Prozent bei Frauen und 21 Prozent bei Männern. Empfohlen werde die "präventive Darmspiegelung alle zehn Jahre ab dem Alter von 50 Jahren oder ein Stuhltest alle zwei Jahre", so das ZI. Bundesweit nehmen laut der Studie 7,4 Prozent der gesetzlich Versicherten eine Darmkrebsfrüherkennung in Anspruch. Heilbronn und Hohenlohe liegen darunter: In der Stadt sind es 6,4, im Landkreis Heilbronn 6,1, im Hohenlohekreis sogar nur 4,9 Prozent.

Darmkrebs ist häufige Krebserkrankung: Vorsorge kann Leben retten

"Darmkrebs gehört zu den häufigsten Krebserkrankungen", erklärt Professor Jürgen Riemann, Vorstandsvorsitzender der Früherkennung Darmkrebs, und führe unbehandelt "unweigerlich zum Tod". Über gutartige Vorstufen wachse der Krebs langsam. Vorstufen könnten entfernt werden, damit dieser gar nicht entsteht. "Es besteht die großartige Chance zur lebensrettenden Vorsorge", betont Riemann, der mit der Stiftung Lebensblicke seit 25 Jahren bundesweit unermüdlich Aufklärung betreibt. "Mit dem Stuhl-Bluttest und der Darmspiegelung stehen ab dem 50. Lebensjahr zwei sehr gute Instrumente zur Verfügung."

Der Heilbronner Apotheker Klaus Kußel hat in der Apotheke am Stadtgarten bereits vorgesorgt - mit Zusatzsäften für die kalte Jahreszeit. Er sieht sich als Lotse und Bindeglied zu den Hausärzten. "Um Krankheiten vorzubeugen", sagt Kußel, "sollte man sich entsprechend verhalten." Vorbeugen bedeutet für ihn mehr als Gesundheits-Check-ups und Screenings: "Eine Frage der gesunden Lebensführung mit ausreichend Bewegung und ausgewogener Ernährung." In der kalten Jahreszeit seien Impfungen ratsam, "um sich und andere zu schützen".

 

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