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Vom schlechten Schüler zum Geschäftsführer: Wie Gerald Bürkert der Weg nach oben gelingt

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Gerald Bürkerts Schulzeit ist schwierig: Mit vier Jahren verliert er seinen Vater, der Junge hat andere Sorgen als Klassenarbeiten schreiben. Doch er arbeitet sich hoch und schafft es vom Hauptschüler zum Einser-Kandidat an der Hochschule.

Gerald Bürkert war ein schlechter Schüler, heute hat er vier Studienabschlüsse vorzuweisen mit besten Noten.
Gerald Bürkert war ein schlechter Schüler, heute hat er vier Studienabschlüsse vorzuweisen mit besten Noten.  Foto: Seidel, Ralf

Er hat alles mitgebracht, die Grundschulzeugnisse, mit den Dreiern, Werken, Schrift, Sachkunde. Das Hauptschul- und das Realschulabschlusszeugnis, eine Vier neben der anderen. Und dann: Die Studienabschlüsse. Strahlende Beweisstücke des Erfolgs. Diplom- und Masterarbeiten, viele Seiten dick und gebunden. Noten wie aus dem Bilderbuch, 1,6, 1,3, 1,3, 1,0.

Gerald Bürkert lächelt, wie er es häufig tut. Der 43-Jährige hat es geschafft. Und er möchte erzählen, dass das gelingen kann mit dem Lernen und den Prüfungen, auch wenn der Start holprig und teils erniedrigend ist und die Lehrer keinen Pfifferling auf einen wetten. Er möchte Kindern Mut machen, nicht den Glauben an sich zu verlieren, auch wenn die Zeichen mal nicht gut stehen.

Früher, in der Grundschule, ist er derjenige, den der Lehrer an die Tafel holt, ihn, den schlechtesten, gemeinsam mit dem besten Schüler. Dessen Note er stolz verkündet. Um dann fortzufahren: "Und dann haben wir noch unseren Gerald: Das war halt wieder eine Vier." Oder wahlweise auch eine Fünf.

In der Schule hat der Junge andere Sorgen

Der Junge schluckt es. Er hat andere Sorgen. Der Vater stirbt, als er vier Jahre alt ist, und danach gibt es nie wieder einen Mann im Haus, sagt er. Aber die Vorstellung, dass der Vater "beim lieben Gott" ist, gibt ihm Halt, deswegen interessiert ihn Religion, deswegen ist seine Note hier top. Immer. Genau wie im Verhalten. Denn mit Menschen hat er gern zu tun und von jeher ein gutes Gespür für sein Umfeld. "Wenn ich den Gerald anschaue, dann weiß ich gleich, wie es der Klasse geht", das sagt damals eine Lehrerin zu ihm. Auch Musik stabilisiert ihn, ist für ihn ein Ausdruck für Emotion.


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Hauptschüler sollten unter sich bleiben

Später dann, in Weinsberg, besucht er die Hauptschule "oben" am Hang, das Gymnasium ist "unten". "Dass wir Hauptschüler oben bleiben, war ein ungeschriebenes Gesetz", erinnert er sich. ",Unten" waren wir nicht willkommen." Wie ein Stigma fühlt es sich an, Hauptschüler zu sein. "Wir hatten das Gefühl, die Gymnasiasten sind bessere Menschen, schlauer, bekommen mehr Anerkennung."

Das evangelische Jugendwerk gibt ihm Halt

Als Heranwachsender findet er in der Jugendarbeit beim evangelischen Jugendwerk einen Anker, leitet drei Gruppen und einen Chor. "Da wurden wir nicht danach beurteilt, auf welche Schule wir gehen. Das hat mir als Teenie die Bestätigung gegeben: ,Du bist trotzdem was wert"". Weil er geschickt ist und schon als Zwölfjähriger einen Ölwechsel hinbekommt, beginnt er eine Schreinerlehre. "Da habe ich zum ersten Mal die Verknüpfung von Theorie und Praxis verstanden."

Gott und Religion, das ist ein Thema, das ihn interessiert

Vieles macht er als junger Mann mit sich selbst aus. Beim Zivildienst merkt er, wie gut es ihm tut, anderen Menschen zu helfen. "Das war eine starke Motivation, dieses Gefühl, ich muss in die soziale Arbeit reinkommen." Also stemmt er nach einem Jahr Berufskolleg den Fachhochschulabschluss, studiert zunächst gegen sein Bauchgefühl Bauingenieurswesen und sattelt bald um: auf Sozial- und Religionspädagogik. "Gott und Religion, das ist war für mich ein großes Thema", sagt der Diakon der Landeskirche, der in den Semesterferien jobbt und nach der Uni das Bafög zurückzahlt.

Mit 27 Jahren hat er die erste Leitungsfunktion

Mit 27 Jahren in der ersten Leitungsfunktion, absolviert der Ellhofener berufsbegleitend den Master zu Beratung und Leitung, übernimmt an der Hochschule Ludwigsburg einen Lehrauftrag. Eine zentrale Erkenntnis ist für ihn: "Dass überall nur mit Wasser gekocht wird" und viele Türen offenstehen.

Als der Vater dreier Kinder, jetzt acht, zehn und zwölf Jahre alt, von der Bereichsleitung einer Behindertenhilfeeinrichtung zu einer größeren Diakoniestation wechselt und sich schwertut mit den wirtschaftlichen Zusammenhängen, hängt er ein BWL-Fernstudium dran.

Nachts an der Nordsee im Camper Kaffee zu kochen, um draußen Controlling zu pauken, auch das ist eine Realität, an die sich der Mann, der in einer Band Gitarre spielt, erinnert. Dankbar ist der Geschäftsführer der Aufbaugilde Heilbronn-Franken auch für seine Frau, die ihn stärkt. "Die Frage ist immer, was bleibt. Und das ist die Familie."

 
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