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Viele Heilbronner retten das, was Supermärkte wegwerfen wollen

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Astrid Wagner holt Lebensmittel ab, die Supermärkte aussortieren. Als Öko-Romantiker wollen die Lebensmittelretter aber nicht abgestempelt werden.

Von Christoph Donauer
Astrid Wagner engagiert sich bei Foodsharing, einem Verein, der Lebensmittel vor der Mülltonne rettet.
Foto: privat
Astrid Wagner engagiert sich bei Foodsharing, einem Verein, der Lebensmittel vor der Mülltonne rettet. Foto: privat  Foto: Privat

In Kisten liegen Äpfel, Tomaten, Kartoffeln und Salat bereit zum Abholen. Die Lebensmittel stehen in einem Supermarkt, jeden Tag. Eigentlich wären sie im Müll gelandet, weil sie zum Verkaufen nicht mehr schön genug sind. "Jeder ist geschockt, der diese Mengen sieht", sagt Astrid Wagner.

Sie engagiert sich bei Foodsharing, einem Verein, der Lebensmittel vor der Mülltonne rettet. Zusammen mit 300 anderen Lebensmittelrettern holt Wagner das ab, was Supermärkte sonst wegwerfen würden. Was sie selbst nicht verbrauchen kann, gibt sie an Nachbarn, Freunde und Bekannte weiter. Zum Beispiel an ihren Gemeindepfarrer, der regelmäßig gerettetes Essen abnimmt.

34 Betriebe in Heilbronn machen mit

Bei fast jeder Abholung stoßen Wagner und ihre Kollegen im Supermarkt auf Kisten voller Obst, Gemüse, Brot und Backwaren, die noch vollkommen in Ordnung sind. In Heilbronn machen 34 Betriebe mit, 17 davon regelmäßig. Doch das Thema ist heikel. Über das Wegwerfen spricht man nicht gerne. Nicht jeder macht mit, oft haben Marktleiter rechtliche Bedenken und entsorgen die Waren lieber, statt sie kostenlos abzugeben. Andere arbeiten mit den Tafeln zusammen.

Weiterlesen: Wie viel die Deutschen pro Jahr wegwerfen

Dennoch wirft der deutsche Einzelhandel jedes Jahr rund 2,6 Millionen Tonnen Lebensmittel weg. Die Lebensmittelretter möchten diese Menge reduzieren. Wagner, die seit Sommer 2017 dabei ist, hat bereits rund 8000 Kilo Lebensmittel vor der Tonne gerettet. "Oft sind Dinge dabei, die ich so nicht gekauft hätte", sagt die 37-Jährige. Für sie und ihre Familie bringe das Abwechslung in die Küche.

Die Lebensmittelretter sind deutschlandweit unterwegs

Foodsharing hat sich seit seiner Gründung im Jahr 2012 zu einer bundesweiten Bewegung entwickelt. Allein in Heilbronn waren die Lebensmittelretter bisher 4198 Mal im Einsatz und haben dabei rund 134.000 Kilogramm Lebensmittel gerettet. Zur Tafel will sich Foodsharing aber klar abgrenzen, erklärt Wagner: "Der Unterschied ist: Uns geht es nicht um Bedürftigkeit. Dazu ist Foodsharing nicht planbar genug." Denn welche Lebensmittel in welchen Mengen anfallen, weiß im Vorhinein niemand. "Wenn eine Firma ihr Logo ändert, hat man plötzlich eine ganze Palette Senf."

Brot sei fast immer dabei, aus dem Astrid Wagner gerne Bruschetta oder Knödel macht. "Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass niemand einzelne Bananen kauft und die deshalb aussortiert werden. Das ist scheinbar eine Kopfsache, dass Bananen immer im Bündel gekauft werden." Durch ihr Engagement hat sich ihr Blick auf Konsum verändert, sagt sie.

"Wir sind keine grünen Öko-Sozialromantiker"

Es gibt jedoch klare Regeln. Nicht jeder darf Lebensmittel abholen, und nicht jeder darf Supermärkte fragen, ob sie ihre aussortierten Lebensmittel an Foodsharing spenden wollen. Und auch mit dem sogenannten "Containern", bei dem Menschen unerlaubt Produkte aus den Mülltonnen von Supermärkten holen, habe Foodsharing nichts zu tun: "Wir wollen uns von diesem leicht kriminellen Image abheben. Wir sind keine grünen Öko-Sozialromantiker. Wir sind der Querschnitt der Gesellschaft", sagt Astrid Wagner.

Denn Lebensmittelverschwendung betreffe jeden, findet sie: "Gerade wenn ich mit Menschen spreche, die selbst schon einmal etwas angebaut haben und wissen, wie viel Arbeit hinter ein paar Blättern Ackersalat steckt, sagen die: Ist denn die Arbeit all dieser Menschen so wenig wert, dass das Endprodukt weggeworfen wird?"

 
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