Viel Frust, viel Verständnis: Reaktionen zum Ablassen des Breitenauer Sees
Wir haben uns umgehört am Breitenauer See: Was halten die Besucher davon, dass das Wasser abgelassen wird? Die Bandbreite an Reaktionen ist groß.

Unmut, aber auch Verständnis: Die Bandbreite an Reaktionen auf die Tatsache, dass der Breitenauer See demnächst abgelassen wird, ist bei einer Umfrage vor Ort am Samstagnachmittag groß. Wie berichtet, steht eine umfassende Sicherheitsüberprüfung an, so dass im kommenden Sommer und wohl auch 2022 an Baden nicht zu denken ist.
Kind, Hund, Fahrrad, Walkingstöcke: Alles wird ausgeführt an diesem klar-kalten Spätherbstnachmittag. Der Parkplatz 1 ist recht gut gefüllt. Natürlich nicht so wie im Sommer, als das Gewässer gesperrt wurde, weil die Standortkommunen Obersulm und Löwenstein befürchteten, dass der See - eigentlich ein Hochwasserrückhaltebecken - zum Corona-Hotspot wird. Bekanntlich hagelte es Kritik.
Inzwischen ist es zwar viel kälter, die Stimmung aber scheint milder. "Ich finde es gut", sagt eine 26 Jahre alte Frau aus Stuttgart, die sich zum Spazierengehen mit einem Freund aus Brackenheim am Breitenauer See trifft. Sie hat nichts dagegen, dass in ein paar Tagen der Stöpsel gezogen und der Grund in ein paar Monaten trocken gelegt sein wird, denn sie hofft darauf, "dass das Wasser hinterher sauberer sein wird". Klar, "es ist Natur - aber es riecht schon ein bisschen, wenn man drinnen war", findet sie. Gerade jetzt sei es "nicht tragisch", den See abzulassen. "Jetzt ist eh' Corona."
Imke und Ulrich Seybold wussten bis eben noch nichts davon, dass die zwei Millionen Kubikmeter Wasser der 38 Hektar große Dauerstaufläche bald kontrolliert in die Sulm abfließen. "Das ist aber schade - gerade in dieser Zeit, in der man so auf Naherholung angewiesen ist", sagt die Frau aus Weil der Stadt. "Bei uns in der Gegend haben wir eine Not an Seen. Deshalb sind wir hier." Das Ehepaar überlegt kurz. "Aber gut - wenn man es machen muss...?"
Dass es keine Alternative zum Ablassen gebe, hat der Weinsberger Bürgermeister Stefan Thoma in seiner Funktion als Vorsitzender des Wasserverbandes Sulm bereits deutlich gemacht. Ulrich Seybold lacht und sagt: "Am besten, man macht einen Aufruf, dass alle Besucher nach der Sicherheitsüberprüfung einen Eimer Wasser mitbringen müssen, damit es mit dem Auffüllen schneller geht." 2023, so die Schätzung, dürfte der See den üblichen Pegelstand wieder erreicht haben.
Schwimmen im sieben Grad kalten Wasser
Sieben Grad kalt ist das Wasser - na und? Roland Schweizer aus Löwenstein schwimmt eine halbe Stunde lang drin. Das macht er jeden Tag. Für den Fotokünstler, der den Breitenauer schon in jeder erdenklichen Stimmung und zu jeder Jahreszeit verewigt hat, ist das, was kommt "eine pure Katastrophe. Das hier ist mein Wohnzimmer, Schwimmen ist mein Lebenselixier." Es sei so wichtig, weil es das Immunsystem stärke. Und was das Technische betrifft: "Klar muss man Sicherheitsüberprüfungen machen - aber ich stelle schon in Frage, dass man dafür das gesamte Wasser ablassen muss. Und das im Land der Ingenieure!"
Auch Michael Knipp aus Aspach bedauert als hartgesottener Dauerschwimmer, dass ihm sein Element abhanden kommt. Andererseits ist er gespannt. "Es ist eine einmalige Gelegenheit: Wie die Talmulde wohl ohne Wasser aussieht?" Roland Schweizer denkt zurück an das Ablassen 1995 und winkt ab: "Es ist eine völlig trostlose Fläche. Man bekommt eine Depression."
Als es den See noch gar nicht gab
Otto Schlepp aus Lehrensteinsfeld erinnert sich an die Zeit, als es den Breitenauer See noch gar nicht gab. Vor 1980 war das. Heute sitzt der Rentner mit seinem zehn Jahre alten Enkel Jakob an der Kiesbucht und angelt. "Beim letzten Mal haben wir zwei Barsche gefangen", berichtet Jakob. Schlepp hat Verständnis für die Revision des Wasserverbandes. "Aus Sicherheitsgründen" sei es notwendig, das Wasser abzulassen. "Es ist halt in erster Linie ein Hochwasserrückhaltebecken", sagt das Mitglied des Fischereivereins Breitenauer See. Otto Schlepp weiß noch, wie viel Mühe es vor 25 Jahren war, die Fische aus dem Gewässer zu holen und umzusetzen. Dieses Mal ist er zu alt, um mitzuhelfen. "Das kann ich nicht mehr."
Corina Reiner aus Brackenheim-Hausen und ihre Schwester Cornelia Petri äußern Bedauern und Verständnis zugleich. "Es ist eine wunderschöne Gegend, und ich würde den See gerne nutzen. Andererseits macht man das alles ja nicht zum Spaß. Es geht um Hochwasserschutz", sagt Corina Reiner. Die Schwester findet: In so einem Fall sei es auch Aufgabe "der Politiker, alternative Freizeitangebote zu machen".
Die wichtigsten Daten und Fakten
Der Breitenauer See ist mit einer Wasserfläche von rund 40 Hektar der größte See in Nordwürttemberg. Er ging 1980 in Betrieb und ist als Dauerstaubecken Teil eines umfassenden Hochwasserschutzkonzeptes mit insgesamt 17 Becken. Die beiden letzten Anlagen sind derzeit im Bau: Amorbach und Hängelbach. Sie liegen oberhalb von Audi in Neckarsulm und sollen in diesem Dezember fertiggestellt werden.
Der See ist bis zu 16 Meter tief, der Damm knapp 22 Meter hoch. Die Gesamtlänge des Ufers beträgt 3,6 Kilometer. Das Becken kann 3,2 Millionen Kubikmeter Wasser fassen (zwei Millionen Kubikmeter Dauerstau plus Hochwasserkapazität).
Die Kosten für die nun anstehenden Arbeiten werden auf rund 400.000 Euro geschätzt. Voraussichtlich bis Mai 2021 ist der See vollständig abgelassen. Dann beginnen die Bau- und Sanierungsarbeiten am Damm und am Ufer. Sie dauern wohl zwei bis drei Monate. Voraussichtlich ab dem Spätsommer 2021 wird das Wasser wieder aufgestaut. Wie schnell das Becken vollläuft, hängt auch davon ab, wie viel es regnet.