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Vergewaltigt vom Chef: 29-jährige Frau will über Tabuthema sprechen

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Das Heilbronner Amtsgericht hatte einen Unternehmer aus Hohenlohe bereits im Juni verurteilt. Sein Opfer möchte das Thema aus der Tabuzone holen.

Am Amtsgericht Heilbronn kam es zur Gerichtsverhandlung.
Foto: Berger
Am Amtsgericht Heilbronn kam es zur Gerichtsverhandlung. Foto: Berger  Foto: Berger

Lange hatte Christin C. (Name von der Redaktion geändert) eigenen Angaben zufolge mit den Folgen einer oralen Vergewaltigung zu kämpfen. Das Heilbronner Amtsgericht hatte ihren ehemaligen Chef bereits im Juni dieses Jahres für seine Tat zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Ende 2020 hatte er einige Wochen in U-Haft gesessen. Für die 29-jährige Frau aus Obersulm ist die Sache nicht zu Ende.

Mittlerweile sei sie psychisch wieder so stabil, sagt C., dass sie sich dafür einsetzen möchte, dass mehr über das Tabuthema Vergewaltigung gesprochen werde. Die Tat ist nun eineinhalb Jahr her. C. möchte aus der Opferrolle hinausfinden und "nun auch endlich laut werden".

Fristlose Kündigung 

Ihr ehemaliger Chef, ebenfalls Ende 20, führe ein umsatzstarkes Unternehmen mit rund 50 Mitarbeitern. Christin C., ihr heutiger Ehemann und ihre Mutter - alle drei waren sie in besagtem Unternehmen angestellt. Doch weil ihre Mutter nach der oralen Vergewaltigung ihren Chef darauf ansprach und der damalige Verlobte von C. in der Folge nicht zur Arbeit erschien, kündigte der inzwischen verurteilte Täter allen drei Arbeitnehmern fristlos.


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Wie es im Gerichtsurteil heißt, litt C. nach der Tat unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, Schlafstörungen sowie Angstzuständen. Ihre psychische Situation habe sich auch dadurch verschlechtert, dass der Angeklagte die Abläufe anfänglich umgekehrt dargestellt und ihr eine Vergewaltigung an ihm unterstellt hatte. Dies wirkte sich später auch strafschärfend auf das Urteil aus. Erst kurz vor der Gerichtsverhandlung hatte sich der Angeklagte zu seiner Täterschaft bekannt. Der Mann sagt auf Anfrage unserer Zeitung dazu lediglich, dass es eine informelle Verfahrensabsprache gegeben habe und somit keine weitergehende Aufnahme von Beweisen stattfand. Weiter ausführen wollte er dies nicht.


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Gericht: Angeklagter hat Opfer zum Objekt degradiert

C. selbst sagte für das Gericht in einer Videovernehmung aus. Es sei ihr zu schlecht gegangen, um persönlich zu erscheinen, sagt sie. Sie habe Angst davor, ihrem Peiniger zu begegnen. "Ich will diesen Menschen nie wiedersehen." Der Täter hat in der Bewertung des Gerichts "besonders erniedrigende Handlungen" vorgenommen, strafbar als Vergewaltigung. Sein Handeln sei bewusst, gewollt und schuldhaft gewesen, heißt es. Dass Zwang zum Oralsex eine beischlafähnliche Handlung darstelle, sei in der Rechtsprechung unumstritten. Der Angeklagte habe C. zum Objekt degradiert. Tatort waren neue Geschäftsräume in einem Gewerbegebiet in Bad Rappenau.

Das Opfer hatte sich aus der Zwangslage befreien können. Die Strafe war vom Gericht zur Bewährung ausgesetzt worden, weil der Täter noch jung und möglicherweise noch entwicklungsfähig sei. Er habe eine erhebliche Verantwortung für seine Familie und für den Geschäftsbetrieb zu tragen. Insofern, so die Argumentation des Gerichts, lägen Umstände vor, dem Mann eine Bewährungschance zu geben.

Üblicherweise informiert das Heilbronner Amtsgericht die Presse in einer Prozessvorschau über Gerichtstermine, die für die Öffentlichkeit von Interesse sind. Dieser Fall allerdings wurde nicht angekündigt. Unter der Vielzahl der vor dem Amtsgericht zur Verhandlung auflaufenden Sexualstraftaten, habe sich dieser Fall nicht aufgedrängt, sagt Michael Reißer, Pressesprecher des Amtsgerichts. "Der Umstand, dass es sich bei dem Verurteilten um eine wohl örtlich prominente Person gehandelt hat, wurde übersehen."

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