Stiller Hilferuf am Laptop für Opfer häuslicher Gewalt
Die kanadische Frauenorganisation "Canadian Women's Foundation" hat eine Geste erfunden, mit der Opfer häuslicher Gewalt sich unauffällig in Videokonferenzen zu erkennen geben können.
Noch gibt es im Bereich der häuslichen Gewalt noch keine verlässlichen Zahlen für das Jahr 2020, die Pandemie wird aber voraussichtlich für einen Anstieg sorgen. Bereits von 2015 bis 2019 stieg die Anzahl der Opfer um 11,2 Prozent auf über 141.000. 2019 waren 81 Prozent der Opfer laut der Kriminalstatistischen Auswertung des Bundeskriminalamtes weiblich. Die Pandemie verbannt die Menschen schon Längerem durch den Lockdown in die eigenen vier Wände. Schon Ende Oktober vermeldete der Weiße Ring zehn Prozent mehr Fälle, die Nummer gegen Kummer hatte bis September 2020 einen Zulauf von 59 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
In drei Schritten zur Geste
Weil die soziale Isolation es Opfern schwerer macht, auf sich aufmerksam zu machen hat die "Canadian Women's Foundation" sich eine Geste überlegt, die auf das Thema häusliche Gewalt aufmerksam machen soll. Seit April 2020 können Betroffene, selbst wenn der Partner im Raum ist, in Videoanrufen still um Hilfe rufen. Dazu müssen sie nur eine Hand mit offener Handfläche in die Kamera halten, den Daumen nach innen spreizen, sodass er in der Handinnenfläche liegt und dann mit den anderen Fingern den Daumen umklammern. In einem Video erklärt die Organisation, wie die Geste ausgeführt wird.
Die kanadische Frauenorganisation schlägt beim Sehen des Zeichens vor, Fragen zu stellen, die mit Ja oder Nein beantwortet werden können. Das soll das Risiko minimieren, falls noch jemand anderes im Raum ist. Dabei sei jedoch wichtig, dass der andere Kopfhörer trage, um das Mithören des eventuellen Täters im Raum zu verhindern. Neben der Frage, ob der Notruf gerufen werden soll, biete es sich an, den Betroffenen mit anderen Kommunikationsmitteln zu kontaktieren, die kein Mitlesen oder Mithören ermöglichen und ihn so zu fragen, wie man ihm helfen kann.
Die Geste hat keine besondere Bedeutung, schreibt die kanadische Organisation auf ihrer Internetseite, auch nicht in der Zeichensprache. Trotzdem sollte der Kontext der Geste beachtet werden und gegebenenfalls nachgefragt werden, ob man die Geste richtig interpretiert habe.
Die Geste soll es Opfern erleichtern, Hilfe zu rufen
Die Women's Foundation will mit dem Zeichen ein Angebot für Opfer schaffen, weiß aber auch, dass diese manchmal vom Täter überwacht werden oder dass diese die Bedeutung der Geste kennen könnten.Mittlerweile haben schon mehr als 40 Organisationen in den USA und in Kanada dieses Zeichen übernommen und empfehlen es weiter. Neben der Geste, die einen Notruf ermöglichen kann, gibt es in Deutschland auch zwei Telefonnummern für Opfer häuslicher Gewalt. Für Frauen ist die Nummer 08000 116 016 zu jeder Uhrzeit kostenlos erreichbar. Für Männer die Rufnummer 0800 123 9900.
Die Women's Foundation wurde 1991 von der kanadischen Senatorin Nancy Ruth und ihrer Freundin Susan Woods gegründet. Sie setzt sich für Frauen jeglichen Geschlechts ein, fördert sie ökonomisch, unterstützt Opfer von Gewalt und befähigt sie für Leitungsaufgaben.