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Bio-Produkte landen weiter im Einkaufswagen - aber Unverpacktläden haben es schwer

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Verbraucher greifen angesichts der allgemeinen Preissteigerungen aktuell eher zu ökologischen Handels- statt zu Herstellermarken. Die kaufen sie in Supermärkten und Discountern - das stürzt kleine Geschäfte wie Unverpacktläden in die Krise.

Trotz Inflation greifen Verbraucher weiterhin zu Bio-Produkten. Gefragt sind allerdings die Eigenmarken der Händler anstatt Ware im Fachhandel.
Trotz Inflation greifen Verbraucher weiterhin zu Bio-Produkten. Gefragt sind allerdings die Eigenmarken der Händler anstatt Ware im Fachhandel.  Foto: Martin Schutt

Die Auswirkungen der Ukraine-Krise, der Inflation und genereller Preissteigerungen sind längst im Supermarktregal angekommen: Lebensmittel sind teurer geworden. Im traditionellen Lebensmitteleinzelhandel kam es deshalb in den vergangenen Monaten zu rückläufigen Umsätzen und Absatzmengen.

"Wir erleben derzeit, dass die Menschen tendenziell weniger Geld ausgeben wollen", bestätigt Steffen Ueltzhöfer, Inhaber zahlreicher Edeka-Märkte in der Region. Eine Besonderheit stellt allerdings das Bio-Segment dar. Hier verzeichne man keine besonderen Rückgänge bei den Umsätzen, sagt Ueltzhöfer.


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Im Naturkostfachhandel sieht es dagegen anders aus. Hier sind die Umsätze im ersten Halbjahr 2022 durchschnittlich um 15 Prozent gegenüber der Vorjahreshälfte zurückgegangen, teilt Hans Kaufmann, Leiter Kommunikation beim Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) mit. Der Sprecher für den Naturkostfachhandel betont aber: "Wir liegen jetzt noch oberhalb der Umsatzentwicklung von 2019."

Trotz höherer Preise werden weiterhin Bio-Produkte gekauft - allerdings verstärkt in den Supermärkten und Discountern als im Fachhandel. Schließlich achten Kunden beim Lebensmitteleinkauf aktuell verstärkt auf den Preis. "Die Verbraucher sparen an den Lebensmitteln, denn hier haben sie die Möglichkeit, ihre Ausgaben zu regulieren", sagt Hans Kaufmann.

Unverpackt in der Krise

In den Supermärkten wählen die Menschen deshalb auch mehr die Bio-Eigenmarken der Händler. Dieses Segment "gewinnt derzeit deutlich", stellt Steffen Ueltzhöfer fest. Marken- und konventionelle Produkte haben es wegen der gestiegenen Kosten bei Transport, Verpackungen und Energie aktuell schwerer, dazu kommen die Kostensteigerungen für chemisch-synthetische Pestizide und künstliche Dünger. Die Folge: Schon jetzt sind manche konventionellen Produkte, etwa Milch und Butter, teurer als die Bio-Alternative. Hier sind die Preise "weitgehend stabil geblieben, weil Hersteller, Händler und Erzeuger langfristige und partnerschaftliche Geschäftsbeziehungen pflegen", sagt Hans Kaufmann.

Lieber wieder in den Supermarkt als in den Fachhandel: Das geänderte Kaufverhalten durch die gestiegenen Lebensmittelpreise bringt mittelständische, regional vernetzte Unternehmen derzeit in große Bedrängnis. Nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie stecken inhabergeführte Läden in der Krise, nun bleibt zusätzlich Kundschaft aus.


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"Wir merken, dass die Leute sparen und mehr zum Discounter gehen", sagt Linda Tiedemann vom Heilbronner Unverpackt-Laden Liva. "Viele Unverpackt-Läden kämpfen derzeit ums Überleben", bestätigt auch Dorothee Reinwald vom gleichnamigen Geschäft in Schwaigern-Stetten. Erst die Pandemie, dann die Preissteigerungen - "das sind viele Schicksalsschläge", sagt Linda Tiedemann ehrlich. Etwa 98 Prozent des Liva-Sortiments sind Bio-Lebensmittel. Wegen der gestiegenen Preise, unter anderem bei Benzin und Papier, verlangen die Großhändler mittlerweile höhere Mindestbestellwerte. Das führe dazu, dass manche Produkte gar nicht erst geordert werden könnten. "Wir erreichen den Mindestbestellwert manchmal nicht", sagt Linda Tiedemann.

Preissteigerungen beobachtet Dorothee Reinwald vor allem beim Öl, aber auch bei Bambus-Taschentüchern wurde aufgeschlagen. Bei Sonnenblumenöl beispielsweise bietet Reinwald ihren Kunden Alternativen in Bio-Qualität an. "Alles andere würde zu teuer kommen", sagt sie. "Die Kunden zahlen nicht, weil das Öl Bio, sondern weil es teurer ist. Sie entscheiden aus dem Geldbeutel heraus."

Erster Schock der Preisentwicklung überwunden

Die Nachfrage nach ökologischen Lebensmitteln ist ein regelrechter Trend geworden. Während der Corona-Lockdowns griffen die Menschen zusätzlich verstärkt zu Bio-Produkten - Restaurants und Kantinen waren schließlich geschlossen, gekocht wurde zu Hause, man setzte sich intensiver mit den Lebensmitteln auseinander, sagt Hans Kaufmann. Das führte die Kunden auch stärker in den Biofachhandel. Nun, da die Corona-Maßnahmen weitgehend aufgehoben sind, relativiere sich dieser Effekt, sagt Kaufmann. Bio sei aber weiterhin vom Verbraucher als auch von der Politik gewollt. Schon jetzt fiel der Umsatz im Juni deutlich besser aus als im Mai. "Wir glauben, dass der erste Schock der Preisentwicklung überwunden wird, und gehen davon aus, dass sich die Situation für den Biohandel stabilisiert."

 

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