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Taugen Fitness-Apps für Anfänger?

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Können Apps Sportanfängern wirklich helfen? Wir haben dem Bad Friedrichshaller Sportmediziner Carlo Bussi einige Apps vorgestellt und ihn gefragt, was er davon hält.

Alle Jahre wieder gehört "mehr Sport treiben" zu den beliebtesten Neujahrsvorsätzen. Oft scheitert der Plan relativ rasch. Und was momentan schon Sportbegeisterten schwerfällt, ist für Sportneulinge noch viel schwerer: Sich zu motivieren und durchzuhalten, trotz Ausgangssperre und geschlossenen Sportstudios sowie Vereinen. Dabei wäre gerade in Zeiten von Homeoffice Bewegung umso wichtiger. Doch wie fängt man genau jetzt am besten damit an, sich mehr zu bewegen? Viele greifen auf die zahlreichen Apps zurück, die es, oft kostenlos, auf dem Markt gibt. Doch können Apps Sportanfängern wirklich helfen? Wir haben dem Bad Friedrichshaller Sportmediziner Carlo Bussi einige Apps vorgestellt und ihn gefragt, was er davon hält.

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    Die Spaßigen

    Es muss nicht immer ernst zugehen. Für Liebhaber von Horror-Geschichten oder -Games gibt es einige spaßige Apps. Etwa die Lauf-App "Zombies, Run". Einfach Kopfhörer auf und schon steckt man mitten in einer Zombieapokalypse, absolviert Missionen, rettet eine Siedlung und findet heraus, was es mit dieser Apokalypse auf sich hat. Die Untoten, die einen verfolgen, passen sich dabei dem jeweiligen Lauftempo an, unterwegs kann man zufällig auf Gegenstände stoßen, die eingesammelt werden, etwa um die Siedlung auszubauen. Erwischt einen doch mal ein Zombie, verliert man diese Dinge wieder. Die App gibt es allerdings nur auf Englisch.

    Sportmediziner Carlo Bussi sieht das Problem jedoch wo ganz anders: "Gerade Anfänger sollten nur nach Körpergefühl laufen. Es gilt, sich an die Bewegungen zu gewöhnen und Probleme frühzeitig zu spüren." Dabei sei sogar Musik fehl am Platz. Stattdessen würde Bussi etwas ganz anderes mitnehmen: "Am besten nimmt man eine andere Person mit und unterhält sich während dem Laufen. So lange man reden kann, ist alles gut, wenn das nicht mehr geht, sollte man seine Geschwindigkeit drosseln."

    Auch sollten sich Anfänger beim Laufen nicht überfordern. "Die Laufstrecke sollte relativ eben sein", so der Tipp des Orthopäden. "Am Besten setzt man sich kein bestimmtes Ziel, sondern sagt sich, dass man erst mal versucht, eine halbe Stunde schneller zu gehen und steigert das dann irgendwann."

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    Die Harten

    Viele Apps drehen sich um Kraftsport und Workouts. Meist werden einzelne Übungen, wie etwa Liegestütze, Planks oder Squats, in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden vorgegeben. Videos sollen die einzelnen Übungen erklären. So macht das auch die kostenlose App "Seven", deren Name Programm ist: Sieben Minuten pro Tag, sieben Monate lang. Wer drei Tage im Monat nicht trainiert, wird "bestraft", indem alles wieder auf Ausgang zurückgesetzt wird.

    Carlo Bussi stört dabei nicht nur die Kürze der Zeit, "in sieben Minuten ist man noch nicht mal warm", sondern vor allem die Art der Übungen. "Liegestützen für einen Untrainierten, das ist absolut ungeeignet. Kein Anfänger würde in ein Sportstudio gehen und beim Bankdrücken 60 oder 70 Kilo drücken, aber unser Körpergewicht sollen wir stemmen können? Dafür muss man bereits trainiert sein", sagt Bussi.

    "Wir sollten dringend weg von der Turnvater- Jahn-Idee. Dieses ,keine Schmerzen, kein Fortschritt" ist quatsch, erst recht für Anfänger", findet der Sportmediziner. Ein weiteres Problem sieht er in der Fehlerquote bei solchen Apps. "Wenn ich schon seit Jahren Workouts mache, die Übungen kenne und sie sauber sitzen, dann kann das funktionieren", sagt Bussi. "Aber für Anfänger kann das ein echtes Problem werden, denn wenn die Übungen nicht korrekt ausgeführt werden, können sich von Beginn an Fehler in den Bewegungsabläufen einschleichen", so seine Befürchtung, "und dann ist da niemand, der das kontrolliert und verbessert."

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    Die Vergleichenden

    Ganze soziale Netzwerke sind für Sportler auf dem Markt - mit dem Ziel, sich selbst zu tracken und seine Leistung mit anderen Mitgliedern zu vergleichen. So etwa "Strava", eine Community für Läufer, Radfahrer und Schwimmer. Neben detaillierten Auswertungen der eigenen Leistung steht hier der Vergleich mit anderen im Mittelpunkt. Etwa durch diverse Herausforderungen, etwa, dieselbe Strecke schneller zu laufen. "Eine Community ist natürlich erst mal gut", so Bussi, "aber auch das ist in der Regel eher etwas für Trainierte. Für einen Anfänger sollte noch kein Challenge-Gedanke dabei sein."

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    Die Kontrollierenden

    Die meisten Apps haben eines gemeinsam. Sie tracken einen: Welche Strecke bin ich gelaufen, wie war meine Geschwindigkeit, wie lang habe ich gebraucht? Manche Gadgets, wie Fitnessuhren, können dann noch den Puls messen. "Tracking-Apps finde ich gut, sofern die richtigen Parameter angeschaut werden", meint Bussi.

    Sein Tipp für Anfänger: Immer die gleiche Strecke laufen, dabei nicht nach der Zeit gehen, sondern nach der Herzfrequenz. "Nach einer gewissen Zeit geht die Frequenz bei derselben Strecke in der gleichen Zeit runter, das ist ein Erfolg, erst dann gilt es, die Geschwindigkeit zu steigern."

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    Die Chilligen

    Seit ein paar Jahren fluten auch Yoga-Apps den Markt. Sie machen, in verschiedenen Schwierigkeitsgraden, Yoga-Übungen vor. "Beim Yoga bin ich kein Experte", erklärt Bussi. Aus orthopädischer Sicht sei Yoga jedoch nicht die beste Art der Bewegung. "Manchmal kommen verzweifelte Menschen in meine Praxis, die keinen Schneidersitz können - aber ihre Hüftform gibt das auch gar nicht her." Bei Yoga-Apps müsse man vorsichtig sein, denn akrobatisches Yoga sei für Anfänger eher nicht geeignet, meditative Übungen können hingegen gut sein, dienen allerdings weniger dem Körper.

Ratschlag

Fitness-Apps können also Vorteile und Stärken haben - aber viele sind eher für bereits erfahrene Sportler gut. Was rät der Experte denn Anfängern, die genau jetzt beginnen möchten? "Naja, vielleicht ist momentan nicht der allerbeste Moment, um mit Sport zu beginnen", meint Bussi, "die besten Anfänger-Sportarten sind Schwimmen und Radfahren." Ersteres fällt coronabedingt weg, zweiteres geht nur, wenn das Wetter es zulässt. "Aber auch Walken ist gut. Vielleicht täglich 30 Minuten spazieren gehen und das dann steigern."

Der Hauptansporn, so Bussi, sollte immer sein, sich hinterher besser zu fühlen, körperlich und mental, "dann haben Sie alles richtig gemacht und entwickeln eine höhere Resilienz gegen die Lockdown-Situation".

Datenschutz

Egal, ob Profi oder Anfänger: Wer sich für die Nutzung einer Sport-App entscheidet, sollte sich bewusst sein, welche Daten diese sammelt. Gerade bei Fitnesstrackern werde viele sensible persönliche Gesundheitsdaten, vom Schlafrhythmus bis zur Kalorienzufur, gesammelt, zum Teil 24 Stunden lang. Oftmals ist unklar, was mit den Daten der Nutzer passiert.

Die Datenschutzverordnung (DSGVO) hat hierfür zwar Regeln, doch nicht jeder hält sich daran. Deshalb gilt: vorher genau über die App informieren, so wenige Daten wie möglich mit der App teilen, eine möglichst sichere Datenübertragung und vor allem sichere Passwörter wählen

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