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Tafeln in der Region haben zu wenig Ware für zu viele Bedürftige

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Tafelläden leiden unter reduzierten Spenden: Mangel herrscht besonders bei Obst und Gemüse. Das trübt die Freude über einen neuen Tafelladen in Heilbronn.

Mitarbeiterin Alessa Parusel sortiert Produkte im neuen Heilbronner Tafelladen. Draußen warten die Menschen bis zu mehreren Stunden auf Einlass.
Mitarbeiterin Alessa Parusel sortiert Produkte im neuen Heilbronner Tafelladen. Draußen warten die Menschen bis zu mehreren Stunden auf Einlass.  Foto: Veigel, Andreas

Weniger Waren bei stark erhöhter Nachfrage, auch durch ukrainische Flüchtlinge. Die örtlichen Tafeln kämpfen. In den vergangenen zwei Jahren musste das Diakonische Werk, dem sie angehören, jeweils mehr als 100.000 Euro zuschießen, sagt Matthias Weiler, Leiter der Tafeln in der Region. "Wenn das so bleibt, müssen wir uns fragen, ob wir das Angebot aufrechterhalten können."

Die Freude über den neuen Laden in der Goppeltstraße ist groß

Deshalb sind in Heilbronn in der Goppeltstraße die Gefühle zwiespältig. Einerseits herrscht Freude über den nagelneuen Laden, den die Tafel jüngst bezogen hat. Andererseits prüft die ehrenamtliche Helferin Johanna Schöpp ganz genau die Einkäufe der Kunden, die an der Kasse stehen. "Sie dürfen nur eine Milch nehmen, nicht zwei. Andere möchten auch noch etwas haben", ermahnt sie eine Kundin. Weil die Lebensmittel derzeit knapp sind, ist der Verkauf streng reglementiert. "Ich verstehe die Leute ja", sagt sie. "Schauen Sie, die Frau da vorne hat neun Kinder."

Mangel herrscht insbesondere bei Obst und Gemüse, bei Mehl oder Öl. "Unser Kundenkreis hat häufig eine andere Familienstruktur. Oft bleibt die Frau zu Hause und kocht", sagt Weiler. 90 Prozent der Menschen hätten Migrationshintergrund, meist stammten sie aus dem arabischen Raum.

Maultaschen mit Schweinefleisch finden kaum Abnehmer

Das führt dazu, dass manches, was die Tafel gespendet bekommt, kaum Abnehmer findet. Maultaschen mit Schweinefleisch etwa. Oder Yoghurt mit Gelatine. Auch Fertigprodukte sind wenig gefragt.


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Dazu kommt, dass Discounter Produkte, die sie früher gespendet hätten, nun häufig selbst verwerten. Nachhaltigkeit mittels "Retter-Tüten" zum reduzierten Preis sind im Trend. Und ein weiterer Trend macht den Tafeln zu schaffen: Food Sharing. "Vor zwei Jahren hatten wir das Monopol darauf, Lebensmittel vor der Vernichtung zu bewahren", sagt Weiler. Das habe sich verändert. "Die sehr aktive Food-Sharing-Gruppe in Heilbronn müssen wir als Wettbewerber betrachten."

Während dieses Angebot jedem zur Verfügung stehe, konzentrierten sich die Tafeln auf diejenigen, die in Not seien. "Wir unterliegen zudem dem Lebensmittelrecht, müssen die Kühlkette einhalten und haben hohe Kosten."

Food Sharing sieht sich als Partner

Rund 20 Prozent weniger Ware lande deshalb bei der Tafel, schätzt er. Eine Zahl, die Astrid Wagner von Food Sharing in Heilbronn "sehr hoch" vorkommt. Sie verweist auf den bundesweiten Kooperationsvertrag, in dem vereinbart ist, dass Bedürftigkeit Nachhaltigkeit sticht. "Ich sehe uns als Partner, die sich ergänzen. Im Zweifel ordnen wir uns unter." Ziel sei nicht, möglichst viele Lebensmittel einzusammeln.

Tatsächlich kommt bei den Tafeln weniger an, aber die Nachfrage steigt. Auch an diesem Tag sind 20 Ukrainerinnen unter den rund 70 Kunden und warten auf Einlass. "Die Lage hat sich verschärft," sagt der stellvertretende Tafel-Chef Marco Schönberger. Die Tafel in Neckarsulm verzeichne zwei Drittel mehr Kunden, am Tafelmobil stünden 20, 30 Menschen mehr.

Auch Anna Osadcha, die mit Kind aus Kiew geflüchtet ist, kauft in Heilbronn ein. Sie ist traurig, weil ihr Mann noch in der Ukraine ist. "Gleichzeitig bin ich so dankbar, dass ich in Deutschland sicher bin, und mein Kind keine Bombeneinschläge mehr hört", sagt sie auf Englisch. Die Tafel hält sie für eine tolle Einrichtung. "Das hilft uns viel."

 

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