Stuttgarter Leihradsystem kommt nach Heilbronn
Noch vor der Bundesgartenschau bekommt Heilbronn ein fertiges Fahrradverleihsystem, das in Stuttgart bereits etabliert ist. Die Stadt Neckarsulm wird möglicherweise nachziehen.

Ab Februar kann für vier Euro pro Stunde ein Pedelec, für deutlich weniger ein normales Fahrrad ausgeliehen und an einer beliebigen anderen Station wieder abgegeben werden.
Der Bauausschuss des Gemeinderats bejahte einstimmig den Antrag, der erst vor Wochen von der SPD eingebracht worden war.
Betreiber ist eine Bahn-Tochter
Die Stadt schließt sich damit dem Stuttgarter System an, das seit Mai dieses Jahres in Betrieb ist und zu dem bereits zahlreiche weitere Städte in der Region Stuttgart gehören. Auf bis zu 80 Kommunen könnte der Verbund anwachsen.
Betreiber ist die Deutsche-Bahn-Tochter DB Connect, die mit Call-a-bike bereits Erfahrung in diesem Sektor gesammelt hat. Für das Stuttgarter System wurden die Räder eigens auf die Anforderungen hin produziert.
Zur Buga könnten weitere Räder genutzt werden
70 Fahrräder und 30 Pedelecs sollen im ersten Schritt an 20 Stationen verteilt werden. Dafür bezahlt die Stadt 1,12 Millionen Euro. Der Vertrag läuft bis 2026. Die Flexibilität sei groß, erklärte Ralf Maier-Geißer, Leiter der Abteilung "Nachhaltig mobil" im Stuttgarter Rathaus und verantwortlich für das Projekt auf städtischer Seite.
Würden etwa für die Zeit der Buga kurzfristig mehr Räder benötigt werden, könnten sie unter Umständen von anderen Kommunen vorübergehend übernommen werden, wenn es dort Überkapazitäten gibt.
Reservierung für 45 Minuten
Dabei ist das Verleihsystem nicht nur auf Touristen ausgelegt. Vor allem für Pendler und für kurzfristige Fahrten durch die Stadt soll es eine bequeme Alternative und auch eine Ergänzung zum ÖPNV sein. "Die Ausleihe ist für geübte Nutzer eine Sache von fünf Sekunden", versicherte Maier-Geißer.
Per App oder auch telefonisch könne ein Rad für 45 Minuten reserviert werden. Am Rad muss man dann nur noch die fünfstellige Nummer des Fahrrads in die App eintippen oder telefonisch durchgeben, dann kann es durch Knopfdruck entsperrt werden.
Noch einfacher geht es per Polygo-Card. Die muss nur an das Display gehalten werden, dann öffnet sich das Schloss auf Knopfdruck. Die Rückgabe erfolgt an einer beliebigen Station im gesamten Verbund-Gebiet. Die Stadt kaufe ein System, das erprobt sei und funktioniere, so Maier-Geißer.
Diese Form ist günstiger als ein Alleingang

Christiane Ehrhardt, Leiterin des Amts für Straßenwesen in Heilbronn, erklärte dazu: "Es ist die einzige Möglichkeit, so etwas noch vor der Buga zu installieren." Dazu sei es wesentlich günstiger als ein Alleingang der Stadt. Mindestens eineinhalb Jahre Vorlaufzeit müsste man rechnen, schätzt Maier-Geißer. Allein die Beratung vor der Ausschreibung habe einen sechsstelligen Betrag gekostet. Diesen Betrag hat die Stadt Stuttgart bereits voll übernommen.
Für die Stadt Heilbronn hat die schnelle Entscheidung noch einen weiteren Vorteil. Denn für Verträge, die vor dem 31. Oktober 2018 abgeschlossen werden, gelten noch die günstigen Start-Bedingungen.
Die Stadt Neckarsulm beschäftigt sich ebenfalls mit dem Thema, könnte sich aber frühestens im Lauf des nächsten Jahres anschließen. Dann wäre für viele Pendler ein Stadtgrenzen überschreitender Radverkehr möglich. Ob das System für weitere Landkreis-Kommunen offen ist, steht noch nicht fest.
Kleine Jahreszahlung ist fällig
Für Nutzer des Verleihsystems gibt es keine Aufnahme- und keine Jahresgebühr. Allerdings muss sich jeder Teilnehmer registrieren, auch um die Zahlungsmodalität zu klären, und dann eine Jahreszahlung von drei Euro leisten, die als Guthaben besteht. "Somit wollen wir die Menschen dazu animieren, auch die Pedelecs auszuprobieren", erklärte Maier-Geißer.
Bei den einfachen Fahrrädern ist es theoretisch möglich, sie kostenlos zu nutzen. Mit der Polygo-Karte muss für die erste halbe Stunde Nutzung nichts bezahlt werden, und ausdrücklich ist sogar eine Kettennutzung möglich. Maier-Geißer dazu: "Wenn der Schwabe das so nutzen will, soll er das tun."
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Kein neuer Name für das System
"Diesen Zahn muss ich Ihnen ziehen", erklärte der Projektverantwortliche Ralf Maier-Geißer auf die Frage von Stadtrat Gottfried Friz (FDP), ob das RegioRadStuttgart nicht auch in RegioRadHeilbronn umbenannt werden könne. "Das Kind heißt so, es wird nirgendwo anders heißen." RegioRad-Stuttgart signalisiere, dass die gesamte Region Stuttgart dazugehört. Zudem wird das System unter dem Namen von der Bahn beworben.
Auch ungeübte können das Pedelec nutzen
Das Pedelec ist so konzipiert, dass auch ungeübte Fahrer damit zurechtkommen. "Da ich auch privat ein Pedelec fahre, würde ich mir persönlich eine etwas sportlichere Unterstützung wünschen", so Maier-Geißer. Doch auf diese Weise könnten auch ältere Menschen ohne Bedenken das E-Bike nutzen.
Pedelecs werden automatisch geladen
Geladen wird das Pedelec automatisch an den festen Stationen. Dort sind in der Regel Terminals installiert, wo Informationen abgerufen werden können. Um neue Standorte auszuprobieren, ist auch die Einrichtung von "virtuellen Stationen" möglich. Dort wird nur eine Funkstation aufgestellt, so dass die Räder auf einer aufgezeichneten Fläche zurückgegeben werden können. Pedelecs werden dort aber nicht aufgeladen.
Kommentar von Christian Gleichauf: Plötzlich flexibel
Beim Thema Mobilität ist zu spüren, wie schwer sich Politik und Verwaltungen tun, die richtigen Weichen zu stellen. Infrastruktur lässt sich nicht von heute auf morgen umbauen. Künftige Entwicklungen lassen sich kaum vorhersagen. Und Verkehrsteilnehmer sind allesamt selbstständig entscheidende Individuen, die sich nicht wie bei einem Brettspiel von einem Feld ins andere verschieben lassen.
Obendrein geht es in der Regel um viel Geld. Umso überraschender ist es dann, wenn plötzlich in größter Einmütigkeit ein Projekt umgesetzt wird, das wahrlich zukunftsweisend ist.
Um aufkeimende Euphorie gleich wieder zu bremsen: 100 Räder − ob mit oder ohne elektrischen Antrieb − werden am stockenden Verkehr in und um Heilbronn wenig ändern. Auf die Tausenden Pendler bezogen ist es nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Doch für einzelne Nutzer kann sich mit dem Angebot der gesamte Weg zur Arbeit verändern. Einfach von A nach B fahren, mit Bus oder Bahn, und dann mit dem Rad bis vor die Tür. Das ist eine Flexibilität, die zuvor nur mit dem Taxi möglich war.
Für manchen erledigt sich damit die typische Argumentation von "hätte" − "wäre" − "müsste". Es ist ein entscheidender Baustein für eine Großstadt-Mobilität, die für viele in der jüngeren Generation nicht mehr wegzudenken ist.
Den touristischen Zusatznutzen gibt es quasi kostenlos dazu. Dass Heilbronn künftig problemlos mit dem Fahrrad zu erkunden sein wird, ist ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt, bei Einheimischen wie bei Besuchern. Wenn es funktioniert, sollte es nicht bei 100 Rädern bleiben.