Hohe Unfallzahlen auf A6 und A81: Braucht es ein Tempolimit auf Autobahnen?
Eine Auswertung der Heilbronner Stimme zeigt: Auf den Autobahnen A6 und A81, die durch die Region führen, sind die Unfallzahlen hoch, obwohl es seltener kracht als früher. Woran das liegt und was ein Tempolimit bringen würde.

Zwei Autobahnen ziehen sich wie ein Kreuz durch die Region. Die A6 führt im Westen nach Hessen und Rheinland-Pfalz, im Osten nach Bayern. Die A81 durchschneidet die Region in Nord-Süd-Richtung und bringt Autofahrer in Richtung Würzburg oder Stuttgart.
Stimme-Datenanalystin Ana-Maria Stefan hat für beide Strecken die amtlichen Unfallzahlen der Polizei für die Jahre 2016 bis 2022 ausgewertet. Die Daten geben Aufschluss darüber, wie sich Unfälle auf den Autobahnen in der Region entwickelt haben, wann es am häufigsten kracht und woran das liegt. Die Zahlen ordnet Markus Egelhaaf ein, Unfallforscher bei der Dekra in Stuttgart.
Zeichnet man die Unfälle, bei denen Autofahrer schwer verletzt oder getötet wurden, auf einer Karte ein, zeigt sich ein gleichmäßiges Bild.
Zu sehen ist, dass schwere Unfälle auf den beiden Autobahnen überall passieren können und es keine auffälligen Problemstellen gibt. Lediglich auf der A81 gibt es Abschnitte vor Würzburg und rund um Neuenstadt, auf denen in den vergangenen Jahren fast keine schweren Unfälle passiert sind.
Allerdings passieren in der Realität noch deutlich mehr Unfälle. Unfälle, bei denen Autofahrer nur leicht verletzt worden sind oder bei denen nur ein Sachschaden entstanden ist, sind für eine bessere Übersichtlichkeit nicht auf der Karte zu sehen.
Für Unfallforscher Markus Egelhaaf sticht die A6 etwas heraus. Dort gebe es "schon viele Unfälle", denn jeder Verkehrstote sei einer zu viel.
Verkehrsexperte: Im langjährigen Vergleich sind die Unfallzahlen auf Autobahnen rückläufig
Betrachtet man die Zahlen relativ, also im Verhältnis zu den Kilometern, die Autofahrer auf der jeweiligen Autobahn zurücklegen, seien die Zahlen aber im Normalbereich. Im langjährigen Vergleich seien die Unfallzahlen auf Autobahnen rückläufig, erklärt Egelhaaf.
Fächert man die Unfälle nach Jahren auf, zeigt sich ein Knick durch die Corona-Pandemie. Während auf beiden Autobahnen vor 2019 noch mehr Unfälle passierten, sanken die Unfallzahlen in den Corona-Jahren 2020 und 2021.
Das ist nicht verwunderlich: Wegen Homeoffice, abgesagter Reisen, Besuchsverboten und Ausgangssperren waren in diesen Jahren in ganz Deutschland weniger Menschen unterwegs, wodurch Unfälle weniger vorkamen. Im Jahr 2022 gab es wieder mehr Unfälle auf beiden Strecken, wenn auch weniger als vor der Corona-Zeit.
Unfälle auf A6 und A81: Wann es am häufigsten kracht
Betrachtet man die Unfalldaten nach Monaten, ergeben sich keine eindeutigen Trends. Am häufigsten krachte es auf A6 und A81 im September und Oktober.
Interessanter ist die Auswertung nach Wochentagen. Hier ist Freitag auf beiden Strecken der unfallträchtigste Tag, während die Unfallzahlen an den anderen Tagen konstant sind. Am Wochenende passieren weniger Unfälle.
Egelhaaf erklärt das mit Berufspendlern. "Freitagnachmittags findet der Pendlerverkehr statt, da möchte jeder auf die Autobahn." Bei der Rückreise am Sonntag oder Montagmorgen verteile sich der Verkehr besser.
Wieder etwas diffuser wird das Bild, wenn man die Unfälle nach Uhrzeit aufschlüsselt. Auf der A81 steigen die Unfallzahlen ab 5 Uhr sprunghaft an, sinken ab 9 Uhr aber wieder deutlich. Ab 12 Uhr knallt es dann wieder stündlich öfter bis etwa 17 Uhr. Danach sinken die Unfallzahlen.
Auf der A6 ist das anders. Hier verunglücken Autofahrer zwischen 7 Uhr und 18 Uhr am häufigsten, die Zahlen sind über den ganzen Tag verteilt vergleichsweise hoch. Die unfallträchtigste Stunde ist 17 Uhr mit 193 Unfällen zwischen 2016 und 2022.
Auffahrunfälle kommen auf den Autobahnen am häufigsten vor
Ein Blick auf die Unfallarten zeigt wenig Überraschendes. Die Polizei teilt die Unfälle in verschiedene Kategorien ein (ein Klick auf die Balken zeigt die Beschreibung). Der mit Abstand häufigste Unfall ist der Zusammenstoß mit einem vorausfahrenden oder wartenden Auto. Auf der A6 passierte das im betrachteten Zeitraum 1332 Mal, auf der A81 829 Mal.
Zweithäufigste Unfallart sind seitliche Zusammenstöße mit Fahrzeugen, die in die gleiche Richtung fahren. Gemeint ist hiermit vor allem der Spurwechsel. Solche Unfälle beobachten Unfallforscher besonders oft an Ein- und Ausfahrten. Zwar hätten viele Autos inzwischen einen Totwinkelassistenten, der auch "eine gewisse Wirkung" zeigt, so Egelhaaf. "Solche Systeme brauchen aber eine lange Zeit, bis sie sich durchsetzen."
Danach folgen das Abkommen von der Autobahn nach rechts und nach links (in die Leitplanke) und Zusammenstöße mit langsamer werdenden oder anfahrenden Fahrzeugen. Die beiden Autobahnen unterscheiden sich hier kaum, außer dass auf der A81 generell etwas weniger passiert.
Unfälle auf A6 und A81: Sichtverhältnisse und Wetter spielen untergeordnete Rolle
Weitere Daten zu den Rahmenbedingungen der Unfälle (Auswahlmenü in der Grafik oben links) zeigen, dass Sichtverhältnisse und das Wetter eine untergeordnete Rolle spielen. So krachte es auf beiden Autobahnen am häufigsten bei Tageslicht, im Dunklen gab es deutlich weniger Unfälle.
Auch verunglückten die meisten Autofahrer bei trockener Fahrbahn. Rund 450 Unfälle geschahen auf A6 und A81 bei nasser oder feuchter Fahrbahn. Glatte Straßen sorgten nur in 56 Fällen für Unfälle. Für Egelhaaf liegt das daran, dass es immer seltener Tage gibt, an denen die Straßen wirklich glatt sind. Außerdem gebe es besonders auf Autobahnen einen effektiven Räumdienst. Und: "Die meisten Verkehrsteilnehmer passen ihre Fahrweise an."
Immer wieder wird über ein Tempolimit diskutiert, um die Sicherheit auf Autobahnen zu erhöhen. Könnte eine feste Höchstgeschwindigkeit auch auf A6 und A81 die Unfallzahlen eindämmen?
Unfallforscher hält digitale Anzeigetafeln für sinnvoller als festes Tempolimit
Bisher würden Tempolimits auf Autobahnen vor allem angeordnet, um für einen besseren Verkehrsluss zu sorgen, erklärt Markus Egelhaaf. "Weniger Unfälle sind eher ein positiver Nebeneffekt." Klar sei aber: "Mit einem Tempolimit kann man das Unfallgeschehen durchaus beeinflussen."
Statt einer festen Vorgabe hält der Unfallforscher allerdings digitale Anzeigetafeln für sinnvoller, wie es sie auf der A81 rund um Stuttgart gibt. Diese Systeme seien "äußerst effektiv", weil die Geschwindigkeit je nach Tageszeit, Verkehrsmenge oder Wetterbedingungen geregelt werden kann.
Manche Systeme seien aber zu träge oder liefern falsche Angaben, etwa wenn die Sensoren veraltet sind. Wenn bei trockener Fahrbahn ein Tempolimit wegen Nässe angezeigt wird, sorge das für Akzeptanzprobleme, sagt Egelhaaf.
Generell gelte für Autofahrer, Rücksicht zu nehmen, sich auf den Autobahnverkehr und seine unterschiedlichen Geschwindigkeiten einzustellen, wachsam zu bleiben und sich nicht ablenken zu lassen. "Es müssen immer alle aufpassen."
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