Stadt, Land, Klimaschutz: Wo lässt sich Umweltaktivismus besser umsetzen?
Wo finden sich bessere Voraussetzungen - in dichten Zentren oder in dörflichen Kleinidyllen? Und welche Herausforderungen müssen sich Aktivisten stellen? Die Wissenschaft hat eine eindeutige Antwort.

Wenn Aktivisten am 23. September beim globalen Klimastreik auf die Straßen gehen, um für mehr Umwelt- und Klimaschutz zu demonstrieren, gehen wieder Fotos von beeindruckenden Menschenmassen in den Metropolen um die Welt. Dabei gerät in den Hintergrund, dass sich auch in kleinen, ländlichen Kommunen Klimaschützer engagieren, viele davon in den Ortsgruppen der Fridays for Future-Bewegung.
Wo haben Klimaschutz und -aktivismus bessere Voraussetzungen - in einer Großstadt wie Heilbronn oder im rund 8000 Einwohner großen Möckmühl?
Persönlicher Fußabdruck
Nach wissenschaftlicher Einschätzung hängt der CO2-Fußabdruck zumindest nicht vom Wohnort, sondern vom persönlichen Lebensstil ab, sagt Ingenieur Michael Rau von Scientists for Future Heilbronn. Von Faktoren wie der Wohnsituation, der Ernährung, welches Auto man fährt, und so weiter. "Wer seine CO2-Emissionen mindern möchte, muss zunächst sein eigenes Verhalten überdenken", sagt Rau.
Ländliche wie städtische Strukturen vereint die Stadt Brackenheim mit ihren acht Ortsteilen. Bei Land wie Stadt gebe es unterschiedliche Startvoraussetzungen, sagt der städtische Klimaschutzmanager Jonathan Wein: "Es ist leicht zu sagen, dass in der Stadt die Mobilitätswende mit Angeboten wie dem E-Carsharing begünstigt wird. Dafür gibt es dort einen hohen Flächenverbrauch." Und wenngleich es auf dem Land mehr regionales Bewusstsein und einen direkten Bezug zur Natur gebe, sei man mehr auf den Individualverkehr angewiesen.
Für Klimaaktivisten bietet der ländliche Raum sowohl Vor- als auch Nachteile. Die Möckmühler Ortsgruppe steht vor allem vor personellen Engpässen. Wie viele aktive Mitglieder die Gruppe hat, können Ida Neubeck und Helena Schübel schwer sagen. Nur soviel: Die Mitglieder sind zwischen 15 und 20 Jahre alt. Die erste Demo hat Helena Schübel als Mitgründerin der Ortsgruppe im März 2019 parallel zum globalen Klimastreik mitorganisiert. "Wir wollten etwas Eigenes in Möckmühl machen, denn zu den Streiks in Heilbronn ist es schließlich eine halbe Stunde Fahrtzeit", sagt die 19-Jährige. Zum ersten Klimastreik in Möckmühl kamen 200 Menschen. "Das war krass", sagt Schübel.
Aktivisten ziehen zum Studium oder zur Ausbildung weg
Die Zahl der Mitdemonstrierenden ist inzwischen auf 50 bis 70 geschrumpft. Zumal der örtliche Schulleiter den Schülern nachsitzen angedroht habe, wenn sie wegen der Freitagsdemos nicht in die Schule gehen. Das habe viele eingeschüchtert, sagt Helena Schübel. Auch aus den Reihen der Organisatoren und Mitglieder der Möckmühler Fridays for Future schwinden Aktivisten. Viele von ihnen ziehen weg zum Studieren und für eine Ausbildung, auch Helena Schübel oder Ida Neubeck. Die Organisationsarbeit haben sie abgegeben und hoffen, dass Nachfolger gefunden werden.
Personell sind Fridays for Future Heilbronn klar im Vorteil, findet Ida Neubeck: "Dort engagieren sich deutlich mehr junge Leute." Sie befürchtet, dass die Möckmühler Gruppe inaktiv wird. "Die letzte Demo haben wir nur zu viert organisiert." In größeren Städten wie in Heilbronn sei man auch materiell mit Megafonen und Bühne besser aufgestellt, sagt sie. "Der Gedanke ist immer: Lohnt sich das für uns überhaupt." Man müsse die Menschen stark motivieren, sagen Schübel und Neubeck. "Man braucht genug Leute, die das wollen", sagt Schübel, die sich auch in Heidenheim, wo sie ein Jahr lang wohnte, in der Ortsgruppe engagierte. Dort gab es ein lebendiges Netzwerk und wöchentliche Treffen, die Organisation übernahmen acht aktive Leute, "die richtig Bock hatten".
Die Landwirtschaft ist ein Thema
Auch inhaltlich unterscheiden sich die Forderungen der Aktivisten auf dem Land und in der Stadt. "Landwirtschaft, Energie und die Mobilitätswende sind für Möckmühl relevant", sagt Schübel. Auf dem Land käme man besser ins Gespräch, sei besser vernetzt, auch mit Betroffenen wie den Landwirten.