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SLK-Krankenschwester: "Hier im Krankenhaus bin ich wie im Krieg"

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Krankenschwester Petra Strauch schildert, wie sie und ihre Kollegen seit Monaten auf der Intensivstation der SLK-Klinik in Heilbronn gegen die Folgen der Corona-Infektion kämpfen. Sie erwartet von der Bevölkerung Solidarität.

Mal schnell zur Toilette gehen? Nicht mit Schutzanzug und zweifachen Handschuhen. Foto: Heike Kinkopf
Mal schnell zur Toilette gehen? Nicht mit Schutzanzug und zweifachen Handschuhen. Foto: Heike Kinkopf  Foto: Kinkopf, Heike

Die Gegensätze sind groß. In Berlin geht die Polizei gegen Corona-Demonstranten vor, von denen viele leugnen, dass es die Pandemie überhaupt gibt. In der SLK-Klinik am Gesundbrunnen in Heilbronn wissen Mitarbeiter vor lauter Arbeit oft nicht, wo ihnen der Kopf steht. Petra Strauch arbeitet seit 32 Jahren auf der Intensivstation. Sie hat das Virus zunächst unterschätzt, erzählt die 57-jährige Krankenschwester, die Covid-19-Patienten auf der Intensivstation versorgt. Nachdem sie erlebt, was Corona-Infizierte erleiden, verändert sich ihr Blick auf die Pandemie.

 

Seit Jahrzehnten arbeiten Sie auf der Intensivstation, wo es täglich um Leben und Tod geht. Wie gehen Sie damit um?

Petra Strauch: Mit Professionalität und Fachkompetenz. Wichtig ist auch ein gutes Team. Der Tod gehört zum Leben. Wir Pflegekräfte sind Menschen mit Gefühlen, die muss man zulassen, aber man sollte sie nicht zu arg an sich heranlassen. Je älter ich werde, desto mehr beschäftige ich mich mit dem eigenen Tod oder dem von Familienangehörigen. Eine große emotionale Belastung für uns auf der Intensivstation ist es, wenn junge Menschen sterben. Man muss einen Teil dieser Emotionen auch zulassen.

 

Was bedeutet das?

Strauch: Ich habe schon am Patientenbett mitgeheult oder hatte einen Kloß im Hals, wenn man tagelang um das Leben eines Patienten kämpft und verliert. Manche Fälle sind auch nach vielen Jahren noch präsent. Ich bin im Laufe der Jahre in dem Beruf nicht abgestumpft, aber ich habe meinen Weg gefunden, damit umzugehen.

 


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Seit einigen Monaten haben Sie es mit Covid-19-Patienten zu tun. Nach dem vergleichsweise ruhigen Sommer steigen nun die Infektionszahlen. Wie empfinden Sie die momentane Situation?

Strauch: Sie ist anders als im Frühjahr. Da haben wir in relativ kurzer Zeit viele Patienten aufgenommen, jeden Tag kamen neue dazu. Die Pandemie fühlte sich an wie ein Sprint, jetzt habe ich den Eindruck, es handelt sich um einen Marathon und wir stehen ganz am Anfang. Corona wird uns noch sehr lange begleiten. Auch ich habe zunächst das Virus unterschätzt.

 

Inwiefern?

Strauch: Ich dachte zunächst, es wird wie eine Grippe sein. Als ich vom Virus hörte, wir aber noch keinen Patienten hatten, dachte ich, hoffentlich erwischt es mich schnell, damit ich es hinter mir habe. Als wir dann die Patienten auf der Station hatten, merkte ich, dass die Krankheitsverläufe völlig neu für mich sind, obwohl ich schon seit mehr als 30 Jahren auf Intensivstation arbeite, ein alter Hase bin und Routine habe. Jetzt denke ich: Ich möchte Corona nicht einmal im leichten Verlauf bekommen.

 

Was war neu oder anders?

Strauch: Ich hatte noch nie so viele Patienten mit einem neuen Krankheitsbild auf einmal zu versorgen. Auf meiner Liste standen 32 Patienten mit Covid-Pneumonie oder Lungenversagen. Sonst hat einer einen Herzinfarkt, der andere ist ein Krebspatient. Klar gab es auch schon früher Patienten mit Lungenversagen, aber nie zuvor so viele auf einmal. Neu ist, dass die Patienten so lange Zeit bei uns auf Station bleiben müssen. Manchmal ist jemand am Anfang recht stabil. Ich denke, jetzt ist er über den Berg. Und dann kommt das Multiorganversagen.

 

Haben Sie eigentlich keine Angst davor, sich selbst anzustecken?

Strauch: Die Angst ist im Kopf, die Gefahr ist da. Ich kann mich bei der Arbeit gut schützen. Wir hatten von Anfang an Schutzanzüge und jeden Tag kam die Hygienefachkraft auf Station, es war und ist wirklich gut organisiert. Ich fühle mich sicher. Ich bin aber auch privat äußerst vorsichtig.

 

Wie macht sich das bemerkbar?

Strauch: Ich beschränke meine Kontakte auf ein Minimum. Ich gehe schon sehr lange mit der FFP-Maske einkaufen. Mein Mann und ich schlafen getrennt. Ich möchte meine Familie schützen und die Patienten auf Station. Ich möchte einen Schwerkranken ohne Corona nicht mit dem Virus infizieren.

 

Krankenschwester Petra Strauch arbeitet seit 32 Jahren auf der Intensivstation.  Foto: Heike Kinkopf
Krankenschwester Petra Strauch arbeitet seit 32 Jahren auf der Intensivstation. Foto: Heike Kinkopf  Foto: Kinkopf, Heike

Befürchten Sie, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen wegen des Virus oder einer Grippe krank werden und Sie auf Station zu wenige sind?

Strauch: Diese Situation haben wir ja immer. Man kommt morgens auf Station und hofft, dass alle in der Schicht da sind. Das hat sich nicht merklich verändert. Was sich verändert hat: Wir Kollegen gehen ständig über unser Limit. Die erste Welle war für uns alle sehr anstrengend. Wir versorgen die sonstigen Intensivpatienten ja noch dazu. Die enorme Leistung, die man bringen muss, macht müde. Wir leisten hier Extremes und sind für die Menschen da. Im Gegenzug erwarten wir die Solidarität der Bevölkerung, damit sie helfen, die Pandemie einzudämmen.

 

Was ist bei der Versorgung der Covid-Patienten anders als bei anderen Intensiv-Patienten?

Strauch: Die Hygienevorschriften sind viel umfassender. Und um beispielsweise einen Beatmungspatienten auf die Bauchlage zu drehen, brauchen wir vier, fünf Pflegekräfte. Die Patienten haben manchmal sehr viele Schläuche am Körper, wir müssen die Atemwege sichern und und und. Das kann eine halbe Stunde dauern, bis jemand richtig liegt. Das schlaucht uns schon. Wir haben während der ersten starken Welle einige Kollegen verloren, weil sie der Belastung nicht mehr standhalten konnten.

 

Was hat Sie in den vergangenen Monaten besonders berührt?

Strauch: Dass junge Menschen an Covid-19 gestorben sind, auch welche ohne Vorerkrankung. Es sind außerdem Menschen in meinem Alter gestorben. Es waren nicht nur alte Leute mit vielen Vorerkrankungen, sondern rüstige Rentner mit Bluthochdruck, die noch einige Jahre hätten leben können. Aber irgendwie habe ich es aufgegeben, das den Leuten zu erklären. Trotzdem hoffe ich auf die Solidarität der Bevölkerung.

 

Welchen Eindruck haben Sie von den Leuten?

Strauch: Ich denke, viele Menschen haben den Ernst der Lage verstanden und viele andere sind zu sorglos. Ich habe manchmal das Gefühl: Hier im Krankenhaus bin ich wie im Krieg. Nach der Schicht komme ich raus und denke, das sieht aber keiner. Außer meine Familie natürlich. Ich versuche, die Menschen zu warnen: Bitte, passt auf. Es ist eine richtig gefährliche Krankheit. Aber es kommt dann oft ein Aber. Aber Influenza, aber ? Ich denke, wenn man die Patienten nicht sieht, kann man das nicht nachvollziehen.

 

Zur Person

Ihre Ausbildung absolviert Petra Strauch von 1981 bis 1984 im Zentrum für Psychiatrie in Weinsberg. 1988 wechselt die heute 57-Jährige ins ehemalige Jägerhaus-Krankenhaus in Heilbronn, bis die Klinik an den Gesundbrunnen umzieht. In den 1990er Jahren macht Strauch die Fachausbildung zur Fachkrankenschwester für Intensivmedizin. Strauch lebt in Löwenstein, ist verheiratet und hat eine Tochter.

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