Shitstorms, Feldweg-Streit und Beschwerden über Güllegeruch – Anwalt berichtet über Fälle
Agrar-Fachanwalt Martin Peterle berichtet im Interview über rechtliche Belastungen der Branche und aktuelle juristische Fälle. Die Spanne der Themen ist enorm und reicht von Subventionskürzungen bis hin zu vermeintlich frierenden Hasen. Die eindrucksvollsten Fälle.

Als Fachanwalt für Agrarrecht befasst sich Dr. Martin Peterle mit einem breiten Spektrum von ländlichen Problemen. Dabei spielen auch Themen mit hinein, die Gegenstand der aktuellen bäuerlichen Proteste sind. Wie ernst die Lage der Bauern tatsächlich ist, wollte die Heilbronner Stimme von dem Heilbronner Juristen wissen.
Wo hakt es Ihrer Ansicht nach besonders?
Dr. Martin Peterle: In unserer Region haben wir es mit einer schwierigen Situation im Obst- und Weinbau zu tun. Probleme sind die Mindestlöhne in einer arbeitsintensiven Umgebung, der Preisdruck, der sich im Rückgang des Traubengeldes widerspiegelt, sowie Nebeneffekte der Produktion, etwa die Notwendigkeit, Ware bei teuren Energiekosten kühlen zu müssen. Hinzu kommt der Rückgang der zugelassenen Pflanzenschutzmittel. Wir hatten einen schwierigen Herbst, der mit Pilzdruck einherging. Manches hat auch zu tun mit eingeschleppten Schadinsekten. Zur Verunsicherung trägt auch das drohende Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Gebieten mit Schutzstatus bei. In unserem Raum wäre ein Drittel der Rebfläche davon betroffen.
Was bedeutet das für die Produzenten?
Peterle: Viele Betriebe geben unter der Last dieser Gründe auf. Ich erhalte jeden Tag Anrufe von Landwirten, insbesondere Wengertern: Wie löse ich den Pachtvertrag auf, ist eine häufig gestellte Frage. Oder noch grundsätzlichere existenzielle Fragen, wie der Verkauf und die Aufgabe von Betrieben beschäftigen uns.
Was treibt die Ackerbauern derzeit rechtlich um?
Peterle: Aktuell sind es beispielsweise Restriktionen im Grundstücksverkehr, die die Organisation der Betriebsnachfolge erschweren. Oder drohende Abzüge bei den Direktzahlungen in Folge festgestellter Cross-Compliance-Verstöße. Das kann etwa dann passieren, wenn ein Landwirt wissentlich oder nicht einen Feldrandbewuchs, der als Biotop eingestuft wurde, umbricht und damit zerstört. In Folge kann die Flächenprämie für den gesamten Betrieb gekürzt werden. Solche Fälle landen dann auf meinem Schreibtisch. Auch die Rückforderung der staatlichen Coronabeihilfen sind bei Direktvermarktern mit Gastronomie ein Damoklesschwert. Der restriktive Pflanzenschutz, die bürokratischen Vorgaben: Es gibt eine unendliche Vielzahl von Fallstricken, die den Landwirten die Luft zum Atmen nimmt.
Bei den aktuellen Bauernprotesten wird bemängelt, dass städtische Milieus oft mit Landwirtschaft keine innere Verbindung mehr haben. Macht sich diese Entfremdung auch in handfesten Konflikten bemerkbar?
Peterle: Die Landwirte sind ein existenziell wichtiger Teil unserer Gesellschaft. Das städtische Milieu hat teils kein Verständnis für deren Belange. Die Landwirtschaft wird mit Argwohn betrachtet. Mitunter wird dabei vergessen, dass hier unsere Lebensmittel produziert werden. So beginnt es zum Beispiel mit Konflikten zwischen bäuerlichen Nutzern landwirtschaftlicher Wege und Erholungsuchenden, die mit Rad oder zu Fuß unterwegs sind und sich über vorbeifahrende Schlepper ärgern. Dann klagen Landwirte über Hundekot, der auf Nutzflächen hinterlassen wird. Das von Ihnen angesprochene gegenseitige Unverständnis gipfelt besonders bei der Tierhaltung. Landwirte berichten über Anzeigen, weil Schafe im Freien stehen. In einem Fall gab es eine Anzeige von Bürgern und einen Besuch vom Veterinäramt, das der Sache nachgehen musste, weil Hasen im Freigehege in den Schnee durften.
Lassen sich solche Konflikte nicht im Dialog klären?
Peterle: Nicht immer, ein Problem ist die zunehmende Enthemmung in manchen Teilen der Gesellschaft. In den Sozialen Medien werden schnell regelrechte Hetzkampagnen gefahren. Da müssen wir Juristen mit Unterlassungserklärungen gegenwirken.

Oft hört man: Menschen ziehen aufs Land, wollen dort aber keinen Güllegeruch ertragen. Was sagt der Jurist?
Peterle: Die heranrückende Wohnbebauung ist ein großes Problem und Teil unserer baurechtlichen Beratung. Auch hier erkennen wir: Die Sensibilität von Flächenanrainern und Unverständnis gegenüber landwirtschaftlichen Gerüchen ist allgemein gestiegen. Zurzeit sind ja die Naturkindergärten beliebt. Befinden sich die im Außenbereich, geraten die unvermittelt in das rechtliche Problemfeld Abdrift, Erntestaub und Verkehrssicherheit. Man braucht kein Prophet zu sein, um die Facebookhetze vorauszusagen, die dann meistens die Folge ist. Eine Klage gegen das Geläut von Kuhglocken mussten wir auch schon abwehren.
Zur Person
Dr. Martin Peterle ist 42 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder. Er ist Fachanwalt für Agrarrecht und Partner bei Trossbach, Geyer & Dr. Peterle Rechtsanwälte. Die Heilbronner Kanzlei ist Kooperationspartner des Württembergischen Weinbauverbandes und vertritt bundesweit eine Vielzahl von Landwirten.


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