Schockanrufe in der Region Heilbronn nehmen weiter zu
Enkel- und Polizeitrickbetrug funktionieren immer wieder, die vorgegaukelten Szenarien der Betrüger werden offenbar immer ausgeklügelter. Auch die Zahl der Geldwäschedelikte aus Online-Betrug steigt weiter.

Seit Montag verhandelt das Heilbronner Landgericht wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs gegen zwei rumänische Staatsbürger. Die Anklage wirft den beiden Männern vor, sie sollen zwischen dem 5. und 17. Oktober in fünf Fällen Geld oder Wertsachen bei ihren Opfern abgeholt haben. Zuvor sollen sich Anrufer aus der Türkei als Polizisten ausgegeben haben, um den vornehmlich älteren Bürgern vorzugaukeln, sie würden Opfer eines Verbrechens werden. Aus diesem Grund schicke die Polizei Mitarbeiter vorbei, die die Wertsachen sichern sollten.
Ähnliche Masche wie beim Enkeltrick
"Polizeitrickbetrug" nennt die Staatsanwaltschaft solche Straftaten. Die Masche laufe im Prinzip genauso wie der klassische "Enkeltrick", so Erster Staatsanwalt Christoph Klein. Dabei erhalten ältere Personen einen Anruf, in dem sich der Gesprächspartner als Enkel ausgibt, der sich gerade in einer akuten Notsituation befinde. Weil er unbedingt Geld brauche, solle das Opfer einen Betrag an einen Freund des vermeintlichen Enkels übergeben.
Enkel- und Polizeitrickbetrug funktionierten immer wieder, wundert sich Klein. Wobei der Erste Staatsanwalt einräumt, dass die Szenarien immer realistischer dargestellt würden. So würden die Geschädigten mitunter nicht nur von der vermeintlichen Nummer 110 angerufen. Im Hintergrund seien auch fingierte Funksprüche zu hören. Die Geschädigten seien typischerweise ältere Menschen aus allen sozialen Schichten, so Klein.
Gesamtschaden im Raum Heilbronn beträgt 1,5 Millionen Euro
Allein im Zeitraum zwischen 2020 und 2022 ist im Zuständigkeitsbereich der Heilbronner Staatsanwaltschaft auf diese Weise etwa 50 Geschädigten ein Gesamtschaden von rund 1,5 Millionen Euro entstanden. Die Ermittler nennen die falschen Polizisten, die Geld oder Wertsachen abholen, "Läufer". Ebenso diejenigen, die im Auftrag der falschen Enkel die Barbeträge von den Opfern abholen. Sie sind die Geldboten für die Täter im Hintergrund.
Eine ähnlich Struktur weisen Betrugsfälle rund um den Internethandel auf. Waren-Onlinebetrüger oder andere Straftäter ziehen das Geld der Geschädigten nicht auf eigene Konten ein, sondern auf Konten Dritter. Die wiederum sind Täter und Opfer gleichzeitig. Die Staatsanwälte sprechen dabei von sogenannten "Finanzagenten".
Die Hintermänner der Onlinehandelbetrüger werben diese sogenannten Finanzagenten an. "Diese Anwerbung läuft meist über Täuschung", sagt Staatsanwalt Joachim Müller-Kapteina. Aus einer solchen Anwerbung könne sogar ein vermeintliches Arbeitsverhältnis inklusive Arbeitsvertrag entstehen. Auch Freundschaften oder Liebesbeziehung könnten für die Hintermänner Türöffner sein.
Überweisung auf ausländische Konten
Diese Finanzagenten eröffnen ein Konto, auf das die Geschädigten das Geld aus dem Betrugsgeschäft überweisen. Den Betrag leiten die Angeworbenen zeitnah auf ausländische Konten oder Handelsplattformen für Kryptowährung weiter, von denen aus die Geldflüsse nicht weiter verfolgt werden können, so Müller-Kapteina.
"Ein Finanzagent ermöglicht Online-Betrügern in der zweiten Reihe zu bleiben", sagt der Staatsanwalt. Gleichzeitig machten sie sich der Geldwäsche schuldig. Das gelte bereits, "wenn er leichtfertig verkennt, dass das über sein Konto geleitete Geld aus einer rechtswidrigen Tat stammt". Das Strafgesetzbuch sieht dafür eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe vor, so Müller-Kapteina.
Geldwäschedelikte in fünf Jahren verdreifacht
Geldwäschedelikte haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Verfolgte die Staatsanwaltschaft Heilbronn im Jahr 2017 noch 220 solcher Fälle, waren es 2021 bereits 777 Fälle. Das ist eine Zunahme um mehr als 200 Prozent. Besonders eklatant ist die Steigerung von 2020 auf 2021. In diesem Zeitraum hat sich die Zahl der Geldwäschedelikte mehr als verdoppelt.
Werden diese sogenannten Finanzagenten erwischt, droht ihnen der wirtschaftliche Ruin. Sie haften für die gesamte Summe, die von den Geschädigten auf das Zwischenkonto einbezahlt wurden, unabhängig davon, wie viel Geld sie an die Hintermänner weitergeleitet haben.
Die Geschädigten von Schockanrufen seien typischerweise ältere Menschen aus allen sozialen Schichten, erklärt der Erste Staatsanwalt Christoph Klein. Die Täter geben sich häufig als Enkel oder Amtsperson aus. "Polizisten, Staatsanwälte oder Ärzte werden niemals am Telefon Barzahlungen einfordern", betont Klein. Wer einen solchen Anruf bekomme, solle dem Anrufer sagen, dass er ihn gleich zurückrufen wird. Danach sollen die Angerufenen die Telefonnummer der Einrichtung ermitteln, für die der Anrufer angeblich spricht, und unbedingt die Polizei verständigen, so Klein.