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Schlechte Nachrichten im Jahrestakt bei Knorr in Heilbronn

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Die Verlagerung der Knorr-Entwicklungsabteilung war der erste große Schritt zur Schwächung des Stammwerks in der Knorrstraße. Weitere folgten in den vergangenen Jahren.

von Manfred Stockburger
Am Montag hat eine Belegschaftsversammlung bei Knorr zur Zukunft des Standorts Heilbronn stattgefunden. Foto: Mario Berger
Am Montag hat eine Belegschaftsversammlung bei Knorr zur Zukunft des Standorts Heilbronn stattgefunden. Foto: Mario Berger  Foto: Berger, Mario

Mindestens im Jahrestakt kamen seit Oktober 2016 die schlechten Nachrichten für den Heilbronner Knorr-Standort. Damals ging der Mutterkonzern Unilever mit der Entscheidung an die Öffentlichkeit, dass die Heilbronner Entwicklungsabteilung nach Wageningen in den Niederlanden verlagert werden sollte. Dort sollte "eine kritische Masse an Expertise" geschaffen werden, hieß es damals. Zu Lasten Heilbronns.

Der Widerstand der Arbeitnehmervertreter lief ins Leere. Im Mai 2017 war die Verlagerung der Entwicklungsküche nach Wageningen beschlossene Sache. Etwa 220 Mitarbeiter waren damals von dem Umzug betroffen, die wenigsten wollten mitgehen an den neuen Standort.

Lebensversicherung für das Werk

Inzwischen ist der Umzug erfolgt, die Heilbronner Knorr-Versuchsküche Geschichte. Die Expertise für Trockensuppen und Ähnliches war im Jahr 2000 der Hauptgrund für die Übernahme der damaligen Knorr-Mutter Bestfoods durch den britisch-niederländischen Konsumgüterkonzern gewesen.

Als "Gehirn des Standorts" bezeichnete Oberbürgermeister Harry Mergel damals die Abteilung bei einer Kundgebung. Zugleich war die Abteilung die Lebensversicherung für das Werk. Nur wenige Halbfertigprodukte wie Roux oder die Würze werden exklusiv in Heilbronn hergestellt. Abfüllanlagen gibt es auch an anderen Standorten, die teilweise in Billiglohnländern stehen und in Heilbronn für gewaltigen Kostendruck sorgen.

Standortsicherung für die Großverbrauchersparte

Vor zwei Jahren kämpften das Unternehmen und die Gewerkschaft NGG dann mit harten Bandagen um einen neuen Standortvertrag, der den Fortbestand der verbleibenden Einheiten Werk, Logistik und Großverbrauchersparte sichern sollte. Erst in der Nachspielzeit kam es zu einer Einigung: Das Unternehmen ließ sich im Dezember 2017 auf eine Standortsicherung bis Ende 2020 ein - allerdings nicht für die Großverbrauchersparte. Sie blieb ausgeklammert.

Die Erbswurstmaschine bei Knorr in Heilbronn aus dem Jahr 1954. Foto: Stockburger
Die Erbswurstmaschine bei Knorr in Heilbronn aus dem Jahr 1954. Foto: Stockburger  Foto: Stockburger

Lang dauerte es nicht, bis offenbar wurde, warum das so war: Im April 2018 kündigte das Unternehmen an, den Bereich Foodsolutions nach Hamburg zu verlagern - weil es in der dortigen Deutschlandverwaltung an bester Adresse im Hafen leerstehende Büros gab. Auch hier versuchte sich der Betriebsrat zu wehren. Ohne Erfolg: Fast alle der 80 Foodsolutions-Stellen in Heilbronn fielen weg.

Traditionsprodukt Erbswurst fliegt aus dem Sortiment 

Stattdessen gab es das Versprechen, dass gemeinsam mit dem Betriebsrat zukunftsträchtige Strukturen für den Standort erarbeitet werden sollen. "Die Veränderungen an unserem Standort sind eine Chance für die dort verbleibende Produktion und Logistik", sagte ein Unilever-Sprecher damals. Alle möglichen Optionen sollten damals untersucht werden.

Konkrete Ergebnisse wurden nicht veröffentlicht. Allerdings wurde das Traditionsprodukt Erbswurst Ende 2018 nach 129 Jahren aus dem Sortiment genommen. Die Managerin, die den Umbau der Produktion verantwortete und damals unter anderem auf ein neues Produkt in einer bestehenden Glasverpackungen große Hoffnung setzte, hat das Unternehmen mittlerweile verlassen.

Im April diesen Jahres hat Unilever dann angekündigt, einen Käufer für die zum Teil seit Jahren leerstehenden Verwaltungsgebäude entlang der Sontheimer und der Knorrstraße zu suchen. Die Fabrikgebäude im Werkgelände selbst waren nicht Teil des Immobilienpakets, ebenso wenig das Logistikzentrum jenseits der Bietigheimer Straße. Für das Hochregallager gibt es zudem eine Zusicherung des Unternehmens, die über das Jahr 2020 hinausreicht.

Vergangene Woche hat das Unternehmen die jüngsten Zahlen veröffentlicht - für Deutschland waren diese wenig schmeichelhaft: Hier seien die Umsätze im dritten Quartal weiter zurückgegangen, das Minus habe sich aber verringert. Europa insgesamt bleibe ein problematischer, weil sehr wettbewerbsintensiver Markt. Um die Marke zu modernisieren, werde Knorr in Frankreich künftig auch flüssige Suppen vermarkten. Das Werk Heilbronn ist auf Trockenware ausgelegt.

Die Knorr-Geschichte beginnt im Jahr 1838


 

Carl Heinrich Theodor Knorr gründete 1838 in der Heilbronner Kaiserstraße einen Gemischtwarenladen – dieser Termin gilt als Beginn der Geschichte, obwohl die Lebensmittelproduktion im industriellen Stil erst mehrere Jahrzehnte später hinzukam. 1889 brachten die Söhne des Gründers die berühmte Erbswurst auf den Markt, 1910 folgten die Suppenwürfel sowie ein rasantes weltweites Wachstum. Im Jahr 2000 wurde die Knorr-Mutter Bestfoods vom britisch-niederländischen Unilever-Konzern übernommen.

 

 

 
 
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Kommentare

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Hans-Ulrich Wagner am 22.10.2019 17:23 Uhr

Vielleicht könnte die Dieter-Schwarz-Gruppe Knorr unter die Arme greifen, zumal das Traditionsunternehmen in derselben in derselben Stadt ansässig wie der Firmengründer Dieter Schwarz. Dann würden möglicherweise auch wieder Knorr-Artikel in Kaufland-Supermärkten verkauft werden.

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Peter Henschel am 21.10.2019 18:54 Uhr

Man kann davon ausgehen, dass es Knorr über kurz oder lang in Heilbronn nicht mehr geben wird. Die Muttergesellschaft Unilever hat sein Gewinnmargenziel von 17 auf 20% hochgejubelt!

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