Schadstoff-Problem im Besucherbergwerk: Nitrosamin-Werte sind zu hoch
Die Nitrosamin-Werte in den Bergwerken Kochendorf und Heilbronn sind zu hoch. Und dieser Stoff steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Die Ursache ist inzwischen gefunden. Was bedeutet das für den Betrieb im Bergwerk?

Die Südwestdeutschen Salzwerke haben ein Schadstoff-Problem. Das wurde jüngst offenbar, als sie auch für dieses Jahr die Schließung des Besucherbergwerks Kochendorf verkündeten. Denn Auslöser ist diesmal nicht etwa die anhaltende Corona-Pandemie, sondern ein Schadstoff, der bei Messungen festgestellt worden ist: Nitrosamine. Die Verbindungen stehen im Verdacht, krebserregend zu sein.
Der Bergwerksbetrieb darf weiterlaufen
Dabei ist die Belastung aber nicht so hoch, dass etwa der Betrieb in den Gruben Kochendorf und Heilbronn eingestellt werden müsste, macht Andreas Klotzki deutlich. "Es ist nur ein ganz kleiner Bereich in den Stollen betroffen", erklärt der Geschäftsführer der Entsorgungssparte UEV. Die Salzwerke hatten die Messungen veranlasst, nachdem die Technische Regel für Gefahrenstoffe, kurz TRGS, in Sachen Umgang mit krebserzeugenden Gefahrenstoffen 2018 aktualisiert wurde: Seitdem muss verstärkt auf Nitrosamine geachtet werden, und es bestehen Grenzwerte.
Messwerte im Bereich "Mittleres Risiko"
Unbedenklich sind Konzentrationen von weniger als 0,075 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Bis zu einem Wert von 0,75 Mikrogramm wird ein "Mittleres Risiko" ausgewiesen, es besteht Handlungsbedarf. Jenseits dieses Wertes muss sogar umgehend gehandelt werden - beim Reifenhersteller Continental führte dies dazu, dass Teile der denkmalgeschützten Hauptverwaltung in Hannover gesperrt wurden und heute nicht mehr betreten werden dürfen.
Das ist bei den Salzwerken nicht der Fall, betont Klotzki: Die Messwerte liegen allenfalls im Bereich für Mittleres Risiko. Konkret wurden im Besucherbergwerk zuletzt zwischen 0,05 und 0,3 Mikrogramm pro Kubikmeter festgestellt. Die Beschäftigten der Salzwerke müssen nun aber besondere Vorsichtsmaßnahmen einhalten: Wer in den betroffenen Bereichen unterwegs ist, muss eine Atemmmaske mit Aktivkohlefilter tragen. Auch die Kabinen der Fahrzeuge sind mit Aktivkohle-Luftfilter ausgestattet worden. Im Besucherbergwerk hätten die Gäste vorerst FFP3-Masken tragen müssen, erklärt Klotzki. "Das wollten wir niemandem zumuten."
Quelle sind nicht die Reste aus der Müllverbrennung
Direkt nach den ersten Funden machte sich das Unternehmen auf die Suche nach der Quelle. Rasch habe festgestanden, dass die Chemikalie mit den Reststoffen ins Bergwerk gelangt sein muss, mit denen die UEV nicht mehr benötigte Stollen verfüllt. Da aber Nitrosamine bei Verbrennungsprozessen zerstört werden, kamen die Abfälle aus der Müllverbrennung als Ursache nicht infrage, sagt Klotzki. Auch alle anderen Messungen an angelieferten Materialien brachten keine Funde.
Die Folgerung der Mitarbeiter: Die Nitrosamine entstehen erst unter Tage. Und das erwies sich als die richtige Spur. "Wir haben die Stoffe auf Amine geprüft", erzählt Klotzki. Diese gehen dann nämlich eine chemische Verbindung mit den Stickoxiden ein, die von Fahrzeugen mit Verbrennermotor - wie Radladern und Lastwagen - unter Tage ausgestoßen werden.
Schadstoffe stecken im Staub
Fündig wurden die Chemiker des Unternehmens bei gewissen Schlämmen und Presskuchen, die aus der chemischen Industrie stammen. Mehrere tausend Tonnen dieses Materials wurden jährlich angeliefert, nicht in den großen weißen Säcken, sondern als Schüttgut. "Das macht von unserer Gesamtmenge von einer Million Tonnen zwar nur wenige Promille aus", sagt Klotzki. Für eine zu hohe Belastung reicht es aber. Vermutlich wurde beim Transport zu den zu verfüllenden Stollen aminhaltiger Staub aufgewirbelt, der sich dann mit den Stickoxiden der Abgase zu Nitrosaminen verband. Am Verfüllungsort bestehe aber keine Gefahr mehr, sobald die Kammer wie üblich mit einer Salzbarriere verschlossen ist, versichert Klotzki.
Die UEV zog Konsequenzen. Die kontaminierten Schlämme und Presskuchen werden seit 2020, nachdem in jenem Jahr auch erstmalig Messwerte für Nitrosamine vorlagen, nicht mehr angenommen und eingelagert, berichtet der UEV-Chef. Das Unternehmen versuchte dann, das Besucherbergwerk vom verseuchten Staub zu reinigen. "Wir haben seit Mai 2021 drei Mal gemessen. Beim zweiten Mal sah es schon gut aus, zuletzt aber waren die Werte zum Teil wieder zu hoch." Die Hoffnung sei nun, durch weitere Reinigung und Belüftung die Werte bis nächstes Jahr weiter zu drücken. "Am liebsten wäre uns natürlich ein Null-Ergebnis."
Thema im Gemeinderat
Die Schließung des Besucherbergwerks in Kochendorf für ein weiteres Jahr hat im Rathaus Fragen aufgeworfen. Die wichtigste: Soll es überhaupt wieder öffnen? Man fühle sich an 2012 erinnert, als das Besucherbergwerk auf der Kippe stand, sagt Bürgermeister Timo Frey gegenüber unserer Redaktion. Auch in der Gemeinderatssitzung war die Schließung Thema. "Es soll hoffentlich nur eine zeitlich begrenzte Schließung sein", betont der Rathauschef. Die Stadt werde jedenfalls alles dafür tun, dass die Gedenkstätte erhalten bleibe. Es sei eine wichtige touristische, kulturelle, aber auch politische Einrichtung. Er informiert, dass noch eine Stellungnahme der Salzwerke erwartet werde. Eine Leser-Zuschrift an die Heilbronner Stimme zeigt, dass das Thema auch die Bevölkerung beschäftigt. Ein Leser aus Ellhofen fragt, ob die Nitrosamine aus dem eingelagerten Sondermüll austreten. Er wünsche sich mehr Information.