Rekord bei Kraftfahrzeugen in Heilbronn
Trotz Klimakrise gibt es immer mehr Automobile, auch auf dem Land. Auffällig ist: Der Zuwachs ist höher als das Bevölkerungsplus. Die Zahl der E-Autos wächst auch deutlich, ihr Anteil bleibt aber minimal.

Es ist ein Rekord, der Autobauer, Zulieferer und Autohändler frohlocken lassen wird. Doch mit Blick auf die heftigen Unwetterfolgen und eine sich offenbar verschärfende Klimakrise hat die Entwicklung auch eine ganz andere Seite der Medaille.
Der Kraftfahrzeugbestand in der Stadt Heilbronn ist zur Jahresmitte 2021 auf "ein Allzeithoch" angewachsen, teilt die Zulassungsstelle mit. Exakt 88 859 Fahrzeuge waren es zum 30. Juni - 2014 mehr als noch ein Jahr zuvor und sogar rund 7500 Kfz mehr als Mitte 2016. Damit kommen in Heilbronn bei einer Einwohnerzahl von 126 458 (Stichtag Ende Dezember 2020) "auf 1000 Einwohner aktuell rund 702 Fahrzeuge", gibt die Verwaltung bekannt.
Auch im Landkreis Heilbronn und Hohenlohe neue Bestmarken
Die Entwicklung bei Kraftfahrzeugen ging zuletzt stets in eine Richtung: immer weiter nach oben. Auch im Landkreis Heilbronn und im Hohenlohekreis gibt es nach den Zahlen des Statistischen Landesamts im Jahr 2021 neue Bestmarken beim Kraftfahrzeugbestand. Der Landkreis übersprang demnach erstmals die Schwelle von 300 000 Kfz (302 534). Im Hohenlohekreis sind es aktuell 108 819 Fahrzeuge. Da die Landesbehörde die Daten anders erfasst, sind sie nicht direkt mit der Zahl der Heilbronner Zulassungssstelle vergleichbar.
Stadt Heilbronn: 591 E-Autos, 1011 Oldtimer
In Heilbronn gilt: Der Boom zieht sich durch alle Bereiche. Bei Pkw, Lkw, Motorrädern ging es nach oben. Auch die Zahl der reinen Elektro-Fahrzeuge machte einen deutlichen Sprung. 591 sind es in der Stadt aktuell, vor fünf Jahren waren es noch 73. Im Vergleich zum Vorjahr (250) hat sich die Zahl aktuell mehr als verdoppelt. Aber: Auch die Oldtimer legen zu. Hier sind es 1011 betagte Verbrenner-Fahrzeuge - vor fünf Jahren waren es 468.
Woran liegt dieser Boom? Die Corona-Krise, das Meiden von Bus und Bahnen in den kritischen Lockdown-Monaten, dürfte auf jeden Fall eine Rolle gespielt haben. In allen drei Regionen hat auch die Einwohnerzahl bis Ende 2020 zugenommen - mehr Menschen, mehr Fahrzeuge, ist eine Erklärung. Nur: Wer die Werte genau betrachtet, sieht einen Anstieg, der über den Zahlen des Bevölkerungszuwachses liegt. Abrufbare Daten des Statistischen Landesamtes belegen zwischen Ende 2017 und Ende 2020 in der Stadt Heilbronn ein Plus von 2700 Einwohnern bei einem Anstieg um 5600 Kraftfahrzeuge - also ein Faktor 2. Im Landkreis Heilbronn ist es der Faktor 3, in Hohenlohe (plus 2000 Einwohner, plus 8000 Kfz) sogar der Faktor 4.
VCD fordert Einschränkungen: "Nur mit Freiwilligkeit geht es nicht"
Als "verheerende Nachricht" stuft Hans-Martin Sauter, Regionalsprecher im Verkehrsclub Deutschland (VCD), diese Rekordwerte ein. Mit Blick auf die Erderhitzung sei dies ein Schlag ins Gesicht, die Politik sei nicht in der Lage, Einschränkungen umzusetzen. "Nur mit Freiwilligkeit geht es nicht", ist Sauter überzeugt. Wenn man aber den Individualverkehr nicht einschränke, werde man es nicht schaffen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken. Tempolimits, Parkraum verteuern sieht er als Ansätze. Wenn die Stadt Heilbronn Parkgebühren erst mittelfristig erhöhen wolle, findet er das zu spät. "So schnell wie möglich" müsse dies geschehen. Für Busse und Bahnen müsste es auch schneller bessere Angebote bei Preisen, Takt und Material geben. In "klapprigen Regionalbussen" mitzufahren wie mancherorts, sei "eine Zumutung".
Neue Mobilität müsse auch Spaß machen, sieht der Regionalverband Defizite
Klaus Mandel, Direktor im Regionalverband Heilbronn-Franken, hatte diese Woche bei der Gesprächsserie "Wissenspause" in Heilbronn auch von einem Spaßfaktor gesprochen. Autofahren mache Spaß. Wenn man mehr Erfolg mit Bussen und Bahnen haben wolle, müsse die neue Mobilität durch qualitativ bessere Angebote "auch Spaß machen", hatte er betont. Nur billige Angebote oder Flatrates reichten da nicht. Bürger müssten auch bereit sein, ihr bisheriges Kraftfahrzeug aufzugeben und umzusteigen, hatte er auf notwendige Verbesserungen auf der Angebotsseite verwiesen.